Arbeitsschutzrechtliche Verantwortung beim Tod eines Auszubildenden
Allzu oft wird der Arbeitsschutz auf die leichte Schulter genommen. Ein trauriges berühmtes Beispiel ist die Arbeitszeit: Wenn es um die höchstzulässige Arbeitszeit geht, wird höchstens milde gelächelt und darauf verwiesen, dass Überstunden in der Veranstaltungsbranche eben normal seien. „Normal“ müssen die Verantwortlichen auch damit rechnen, dass sie zur Verantwortung gezogen werden, wie ein Urteil des Landgerichts Osnabrück zeigt.
Eine Veranstaltung ist nicht nur immer hipp und lustig, sondern mit ihr geht eine hohe Verantwortung einher. Dieser Verantwortung kann man – vor allem während der Veranstaltung selbst – nicht gerecht werden, wenn man übermüdet ist.
Verstöße gegen das Arbeitsschutzrecht sind regelmäßig zumindest eine Ordnungswidrigkeit, bei Hartnäckigkeit auch eine Straftat.
In diesem Zusammenhang wollen wir auf ein Urteil des Landgerichts Osnabrück aufmerksam machen, das darüber befinden musste, wer für den Tod eines Auszubildenden verantwortlich war.
Im Juli 2010 starb in einem Unternehmen ein 19-jähriger Auszubildender, der an einer Maschine arbeitete. Zuvor wurde an dieser Maschine eine Lichtschranke ausgebaut, die als Sicherheitsmaßnahme diente. Durch das Fehlen dieser Lichtschranke kam es zu dem tödlichen Unfall. Letztlich wurden die Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zur Haftstrafen und hohen Geldstrafen verurteilt: Sie wollten den Tod nicht und haben ihn auch nicht billigend in Kauf genommen (das wäre dann Vorsatz gewesen), es war aber vorhersehbar, dass es zu einem Unfall kommen könnte.
Im Fokus des Strafverfahrens standen u.a. drei Geschäftsführer, ein Produktionsleiter und ein Abteilungsleiter. Jeder Beteiligter hatte etwas anderes getan, und interessant ist dabei die Begründung der Verantwortlichkeit. Daher wollen wir uns die einzelnen Beteiligten einmal genauer anschauen:
• Der Geschäftsführer, der die Entscheidung getroffen hat,
• ein zweiter Geschäftsführer, der den Ausbildungsvertrag unterschrieben hat,
• ein dritter Geschäftsführer, der intern nicht zuständig war, aber über das Problem informiert wurde,
• der Produktionsleiter, der den Einteilungsplan geschrieben hat, sowie
• der Abteilungsleiter, der die Sicherheitsmaßnahme außer Kraft gesetzt hat.
Die Entscheidung des Gerichts kann man exakt auf die typischen Konstellationen bei einer Veranstaltung übertragen: Auch hier gibt es Geschäftsführer, Produktionsleiter bzw. Abteilungsleiter und andere Vorgesetzte. Das Urteil zeigt auch deutlich, dass auch Angestellte, die nicht Geschäftsführer sind, verantwortlich gemacht werden können.
1.) Der Geschäftsführer, der die Entscheidung getroffen hat
Einer der drei Geschäftsführer hatte entschieden, die Lichtschranke auszubauen und eine entsprechende Weisung an den angestellten Abteilungsleiter erteilt, der letztlich die Lichtschranke auch ausgebaut hatte.
Da der Ausbau der Lichtschranke ohne die Entscheidung des Geschäftsführers nicht erfolgt wäre, war der Geschäftsführer auch verantwortlich für den Tod des Auszubildenden.
2.) Der Geschäftsführer, der den Ausbildungsvertrag unterschrieben hat
Auch der zweite Geschäftsführer ist mitverantwortlich: Er hatte dem Plan des ersten Geschäftsführers nicht nur zugestimmt, sondern er hatte auch den Ausbildungsvertrag unterzeichnet. Er war für das Wohl des Ausbildenden verantwortlich, hatte sich aber nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend darum gekümmert. Er hätte verhindern können und müssen, dass „sein“ Auszubildender an der manipulierten Maschine eingesetzt wird.
3.) Der Geschäftsführer, der andere Aufgaben hatte aber über das Problem informiert wurde
In dem Unternehmen gab es noch einen dritten Geschäftsführer, der ausschließlich für das Marketing zuständig war, also mit dem Maschinenpark nichts zu tun hatte.
Eine Pflichtenübertragung ist unter gleichrangigen Geschäftsführern möglich und kann gesetzlich bestehende Verantwortlichkeiten verteilen. Grundsätzlich ist kraft Gesetz jeder Geschäftsführer für alles zuständig, also auch für den Arbeitsschutz.
Allerdings kann unter gleichrangigen Geschäftsführern auch eine Aufgabe auf einen Geschäftsführer übertragen werden, bspw. eben der Arbeitsschutz (das nennt man dann eine so genannte horizontale Pflichtenübertragung). Die Verantwortlichkeit des anderen Geschäftsführers, der nun kraft Pflichtenübertragung nicht mehr für den Arbeitsschutz unmittelbar zuständig ist, fällt aber nicht komplett weg: Der verbleibende Geschäftsführer hat zumindest noch eine Aufsichtspflicht, ob der beauftragte Geschäftsführer seinen Aufgaben nachkommt.
In diesem Fall war die Besonderheit, dass der Marketing-Geschäftsführer von der Manipulation der Maschine durch einen Mitarbeiter informiert wurde: Er wusste also, dass es einen erheblichen arbeitsschutzrechtlichen Mangel gibt.
Damit aber hätte der – intern eigentlich nicht zuständige – Geschäftsführer tätig werden müssen. Da er dies im konkreten Fall aber unterlassen hatte, wurde er ebenfalls verurteilt.
4.) Der Produktionsleiter, der den Einteilungsplan geschrieben hat
Der Produktionsleiter hatte Kenntnis von dem Ausbau der Sicherheitstechnik, und er hatte einen Arbeitsplan geschrieben, nach dem der Auszubildende an dieser Maschine eingeteilt wurde. Ihm wäre es zumutbar gewesen, den Ausbildenden nicht zu der Arbeit an der Maschine einzuteilen. Er hätte mit Blick auf den Arbeitsschutz die Einteilung auch dann verweigern können und müssen, wenn er Sorge vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes dadurch gehabt hätte.
5.) Der Abteilungsleiter, der die Sicherheitsmaßnahme außer Kraft gesetzt hat
Dem Abteilungsleiter war es auch zumutbar, die Durchführung des rechtswidrigen Auftrages zu verweigern und die Maschine stattdessen ordnungsgemäß mit vorgesehener Lichtschrankensicherheitseinrichtung zu versehen. Die Zumutbarkeit entfällt auch nicht dadurch, dass der Abteilungsleiter lediglich faktischer Befehlsempfänger gewesen ist. Es wäre ihm trotz seines Angestelltenverhältnisses gerade als Abteilungsleiter zumutbar gewesen, die Anweisung unter Berufung auf den Arbeitsschutz abzulehnen.
Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)
Eine Veranstaltung ist nicht nur immer hipp und lustig, sondern mit ihr geht eine hohe Verantwortung einher. Dieser Verantwortung kann man – vor allem während der Veranstaltung selbst – nicht gerecht werden, wenn man übermüdet ist.
Verstöße gegen das Arbeitsschutzrecht sind regelmäßig zumindest eine Ordnungswidrigkeit, bei Hartnäckigkeit auch eine Straftat.
In diesem Zusammenhang wollen wir auf ein Urteil des Landgerichts Osnabrück aufmerksam machen, das darüber befinden musste, wer für den Tod eines Auszubildenden verantwortlich war.
Im Juli 2010 starb in einem Unternehmen ein 19-jähriger Auszubildender, der an einer Maschine arbeitete. Zuvor wurde an dieser Maschine eine Lichtschranke ausgebaut, die als Sicherheitsmaßnahme diente. Durch das Fehlen dieser Lichtschranke kam es zu dem tödlichen Unfall. Letztlich wurden die Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zur Haftstrafen und hohen Geldstrafen verurteilt: Sie wollten den Tod nicht und haben ihn auch nicht billigend in Kauf genommen (das wäre dann Vorsatz gewesen), es war aber vorhersehbar, dass es zu einem Unfall kommen könnte.
Im Fokus des Strafverfahrens standen u.a. drei Geschäftsführer, ein Produktionsleiter und ein Abteilungsleiter. Jeder Beteiligter hatte etwas anderes getan, und interessant ist dabei die Begründung der Verantwortlichkeit. Daher wollen wir uns die einzelnen Beteiligten einmal genauer anschauen:
• Der Geschäftsführer, der die Entscheidung getroffen hat,
• ein zweiter Geschäftsführer, der den Ausbildungsvertrag unterschrieben hat,
• ein dritter Geschäftsführer, der intern nicht zuständig war, aber über das Problem informiert wurde,
• der Produktionsleiter, der den Einteilungsplan geschrieben hat, sowie
• der Abteilungsleiter, der die Sicherheitsmaßnahme außer Kraft gesetzt hat.
Die Entscheidung des Gerichts kann man exakt auf die typischen Konstellationen bei einer Veranstaltung übertragen: Auch hier gibt es Geschäftsführer, Produktionsleiter bzw. Abteilungsleiter und andere Vorgesetzte. Das Urteil zeigt auch deutlich, dass auch Angestellte, die nicht Geschäftsführer sind, verantwortlich gemacht werden können.
1.) Der Geschäftsführer, der die Entscheidung getroffen hat
Einer der drei Geschäftsführer hatte entschieden, die Lichtschranke auszubauen und eine entsprechende Weisung an den angestellten Abteilungsleiter erteilt, der letztlich die Lichtschranke auch ausgebaut hatte.
Da der Ausbau der Lichtschranke ohne die Entscheidung des Geschäftsführers nicht erfolgt wäre, war der Geschäftsführer auch verantwortlich für den Tod des Auszubildenden.
2.) Der Geschäftsführer, der den Ausbildungsvertrag unterschrieben hat
Auch der zweite Geschäftsführer ist mitverantwortlich: Er hatte dem Plan des ersten Geschäftsführers nicht nur zugestimmt, sondern er hatte auch den Ausbildungsvertrag unterzeichnet. Er war für das Wohl des Ausbildenden verantwortlich, hatte sich aber nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend darum gekümmert. Er hätte verhindern können und müssen, dass „sein“ Auszubildender an der manipulierten Maschine eingesetzt wird.
3.) Der Geschäftsführer, der andere Aufgaben hatte aber über das Problem informiert wurde
In dem Unternehmen gab es noch einen dritten Geschäftsführer, der ausschließlich für das Marketing zuständig war, also mit dem Maschinenpark nichts zu tun hatte.
Eine Pflichtenübertragung ist unter gleichrangigen Geschäftsführern möglich und kann gesetzlich bestehende Verantwortlichkeiten verteilen. Grundsätzlich ist kraft Gesetz jeder Geschäftsführer für alles zuständig, also auch für den Arbeitsschutz.
Allerdings kann unter gleichrangigen Geschäftsführern auch eine Aufgabe auf einen Geschäftsführer übertragen werden, bspw. eben der Arbeitsschutz (das nennt man dann eine so genannte horizontale Pflichtenübertragung). Die Verantwortlichkeit des anderen Geschäftsführers, der nun kraft Pflichtenübertragung nicht mehr für den Arbeitsschutz unmittelbar zuständig ist, fällt aber nicht komplett weg: Der verbleibende Geschäftsführer hat zumindest noch eine Aufsichtspflicht, ob der beauftragte Geschäftsführer seinen Aufgaben nachkommt.
In diesem Fall war die Besonderheit, dass der Marketing-Geschäftsführer von der Manipulation der Maschine durch einen Mitarbeiter informiert wurde: Er wusste also, dass es einen erheblichen arbeitsschutzrechtlichen Mangel gibt.
Damit aber hätte der – intern eigentlich nicht zuständige – Geschäftsführer tätig werden müssen. Da er dies im konkreten Fall aber unterlassen hatte, wurde er ebenfalls verurteilt.
4.) Der Produktionsleiter, der den Einteilungsplan geschrieben hat
Der Produktionsleiter hatte Kenntnis von dem Ausbau der Sicherheitstechnik, und er hatte einen Arbeitsplan geschrieben, nach dem der Auszubildende an dieser Maschine eingeteilt wurde. Ihm wäre es zumutbar gewesen, den Ausbildenden nicht zu der Arbeit an der Maschine einzuteilen. Er hätte mit Blick auf den Arbeitsschutz die Einteilung auch dann verweigern können und müssen, wenn er Sorge vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes dadurch gehabt hätte.
5.) Der Abteilungsleiter, der die Sicherheitsmaßnahme außer Kraft gesetzt hat
Dem Abteilungsleiter war es auch zumutbar, die Durchführung des rechtswidrigen Auftrages zu verweigern und die Maschine stattdessen ordnungsgemäß mit vorgesehener Lichtschrankensicherheitseinrichtung zu versehen. Die Zumutbarkeit entfällt auch nicht dadurch, dass der Abteilungsleiter lediglich faktischer Befehlsempfänger gewesen ist. Es wäre ihm trotz seines Angestelltenverhältnisses gerade als Abteilungsleiter zumutbar gewesen, die Anweisung unter Berufung auf den Arbeitsschutz abzulehnen.
Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)