Sind Rollstuhlfahrer ein Sicherheitsrisiko auf Veranstaltungen?
Bei einer Veranstaltung im Düsseldorfer Rathaus kam es jüngst zu einem peinlichen Vorfall: Ein schwer behinderter Rollstuhlfahrer begehrte Einlass, um die behindertengerechte Toilette nutzen zu dürfen.
Sicherheitsmitarbeiter hatten ihn mit der Bemerkung, dass er ein „Sicherheitsrisiko“ sei, abgewiesen, er musste dann mit Hilfe von Freunden eine normale Toilette aufsuchen. Der Oberbürgermeister bekundete sein Unbehagen, der Vorfall soll aufgeklärt werden.
Wir wollen dies zum Anlass nehmen, auf das Thema Rollstuhlfahrer und Ver- sammlungsstätte einzugehen.
Grundsätzlich hat ein Behinderter auch einen Anspruch auf Einlass in eine Veranstaltung. „Wegen“ seiner Behinderung darf er jedenfalls nicht abgewiesen werden, dies wäre eine Diskriminierung (siehe § 1 Anti-Diskriminierungsgesetz).
Der Betreiber einer Versammlungsstätte ist im Rahmen der Versammlungsstätten- verordnung zur Umsetzung folgender Bauvorschriften verpflichtet:
Mindestanzahl von Plätzen, § 10 Abs. 7 MVStättV:
“In Versammlungsräumen müssen für Rollstuhlbenutzer mindestens 1 Prozent der Besucherplätze, mindestens jedoch zwei Plätze auf ebenen Standflächen vorhanden sein. Den Plätzen für Rollstuhlbenutzer sind Besucherplätze für Begleitpersonen zuzuordnen. Die Plätze für Rollstuhlbenutzer und die Wege zu ihnen sind durch Hinweisschilder gut sichtbar zu kennzeichnen.”
Bedeutet: Bei einer Kapazität von 500 Besuchern sind 5 Rollstuhlfahrerplätze (= 1 %) vorzuhalten.
Toiletten für Behinderte, § 12 Abs. 2 MVStättV:
“Für Rollstuhlbenutzer muss eine ausreichende Zahl geeigneter, stufenlos erreichbarer Toiletten, mindestens jedoch je zehn Plätzen für Rollstuhlbenutzer eine Toilette, vorhanden sein.”
Parkplätze für Behinderte, § 13 MVStättV:
“Die Zahl der notwendigen Stellplätze für die Kraftfahrzeuge behinderter Personen muss mindestens der Hälfte der Zahl der nach § 10 Abs. 7 erforderlichen Besucherplätze entsprechen. Auf diese Stellplätze ist dauerhaft und leicht erkennbar hinzuweisen.”
Daneben gibt es eine wichtige Betriebsvorschrift, mit der geregelt wird, wie insbesondere Rollstuhlfahrer aus der Versammlungsstätte herauskommen: Gerade mit Blick auf den Umstand, dass bei Feuer der Fahrstuhl nicht mehr benutzt werden kann, ist das wichtig:
Brandschutzmaßnahmen, § 42 Abs. 1 MVStättV:
“Der Betreiber oder ein von ihm Beauftragter hat im Einvernehmen mit der Brandschutzdienststelle eine Brandschutzordnung aufzustellen und durch Aushang bekannt zu machen. In der Brandschutzordnung sind insbesondere die Erforderlichkeit und die Aufgaben eines Brandschutzbeauftragten und der Kräfte für den Brandschutz sowie die Maßnahmen festzulegen, die zur Rettung Behinderter, insbesondere Rollstuhlbenutzer, erforderlich sind.”
Soll heißen:
Wenn bei einer Halle mit 500 Besucherplätzen nach § 10 Abs. 7 MVStättV 5 Plätze für Rollstuhlfahrer eingerichtet werden, dann müssen auch zumindest für diese 5 Plätze Maßnahmen vorgesehen werden. Die 5 Rollstuhlfahrer, die diese beiden Plätze beanspruchen, können also nicht mit dem Argument abgewiesen werden, dass es keine ausreichenden Maßnahmen für den Evakuierungsfalle gebe: Denn zumindest für 5 Rollstuhlfahrer hat es ja Maßnahmen zu geben.
Denkbar ist allenfalls, dass der sechste Rollstuhlfahrer abgewiesen werden kann mit dem Argument, dass er nicht mehr im Rahmen der Brandschutzmaßnahmen ordnungsgemäß evakuiert werden könne. Hier hilft § 20 Anti-Diskriminierungsgesetz ggf. weiter:
Hiernach liegt keine Diskriminierung vor, wenn der Betreiber bzw. Veranstalter einen Rollstuhlfahrer abweist, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung ein sachlicher Grund vorliegt, bspw. bei der Vermeidung von Gefahren oder der Verhütung von Schäden.
Aber: Nur, weil der Betreiber/Veranstalter kein Personal mehr hat, die die Brandschutzmaßnahmen bei weiteren Rollstuhlfahrern erfüllen könnten, wäre das allein kein Argument.
Auch das Argument, dass durch weitere Rollstuhlfahrer auch andere Besucher bei der Rettung beeinträchtigt werden könnten, greift nicht immer durch: Schließlich kann ohnehin keine Rettung garantiert werden. Zudem könnte man dann auch umgekehrt vom Veranstalter verlangen, eben weniger nicht behinderte Besucher einzulassen.
Die Entscheidung, ob behinderte Besucher aus „Sicherheitsgründen“ abgelehnt werden dürfen, ist also sorgfältig im Einzelfall bezogen auf die einzelne Veranstaltung zu treffen: Es mag durchaus Veranstaltungen geben, bei denen der Einlass (weiterer) Behinderter unzumutbar bzw. eine erhebliche Gefahr bedeuten könnte. Ggf. ist hier die Begleitung durch geeignete Personen in Betracht zu ziehen.
Abgesehen von der gesetzlichen Regelung sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, Behinderte nicht aus rein finanziellen Mehraufwandsgründen abzuweisen.
Lesen Sie auch meinen Beitrag auf eventfaq: Event abgesagt wegen zu vielen Rollstuhlfahrern.
Thomas Waetke
Rechtsanwalt und Autor auf www.eventfaq.de
Sicherheitsmitarbeiter hatten ihn mit der Bemerkung, dass er ein „Sicherheitsrisiko“ sei, abgewiesen, er musste dann mit Hilfe von Freunden eine normale Toilette aufsuchen. Der Oberbürgermeister bekundete sein Unbehagen, der Vorfall soll aufgeklärt werden.
Wir wollen dies zum Anlass nehmen, auf das Thema Rollstuhlfahrer und Ver- sammlungsstätte einzugehen.
Grundsätzlich hat ein Behinderter auch einen Anspruch auf Einlass in eine Veranstaltung. „Wegen“ seiner Behinderung darf er jedenfalls nicht abgewiesen werden, dies wäre eine Diskriminierung (siehe § 1 Anti-Diskriminierungsgesetz).
Der Betreiber einer Versammlungsstätte ist im Rahmen der Versammlungsstätten- verordnung zur Umsetzung folgender Bauvorschriften verpflichtet:
Mindestanzahl von Plätzen, § 10 Abs. 7 MVStättV:
“In Versammlungsräumen müssen für Rollstuhlbenutzer mindestens 1 Prozent der Besucherplätze, mindestens jedoch zwei Plätze auf ebenen Standflächen vorhanden sein. Den Plätzen für Rollstuhlbenutzer sind Besucherplätze für Begleitpersonen zuzuordnen. Die Plätze für Rollstuhlbenutzer und die Wege zu ihnen sind durch Hinweisschilder gut sichtbar zu kennzeichnen.”
Bedeutet: Bei einer Kapazität von 500 Besuchern sind 5 Rollstuhlfahrerplätze (= 1 %) vorzuhalten.
Toiletten für Behinderte, § 12 Abs. 2 MVStättV:
“Für Rollstuhlbenutzer muss eine ausreichende Zahl geeigneter, stufenlos erreichbarer Toiletten, mindestens jedoch je zehn Plätzen für Rollstuhlbenutzer eine Toilette, vorhanden sein.”
Parkplätze für Behinderte, § 13 MVStättV:
“Die Zahl der notwendigen Stellplätze für die Kraftfahrzeuge behinderter Personen muss mindestens der Hälfte der Zahl der nach § 10 Abs. 7 erforderlichen Besucherplätze entsprechen. Auf diese Stellplätze ist dauerhaft und leicht erkennbar hinzuweisen.”
Daneben gibt es eine wichtige Betriebsvorschrift, mit der geregelt wird, wie insbesondere Rollstuhlfahrer aus der Versammlungsstätte herauskommen: Gerade mit Blick auf den Umstand, dass bei Feuer der Fahrstuhl nicht mehr benutzt werden kann, ist das wichtig:
Brandschutzmaßnahmen, § 42 Abs. 1 MVStättV:
“Der Betreiber oder ein von ihm Beauftragter hat im Einvernehmen mit der Brandschutzdienststelle eine Brandschutzordnung aufzustellen und durch Aushang bekannt zu machen. In der Brandschutzordnung sind insbesondere die Erforderlichkeit und die Aufgaben eines Brandschutzbeauftragten und der Kräfte für den Brandschutz sowie die Maßnahmen festzulegen, die zur Rettung Behinderter, insbesondere Rollstuhlbenutzer, erforderlich sind.”
Soll heißen:
Wenn bei einer Halle mit 500 Besucherplätzen nach § 10 Abs. 7 MVStättV 5 Plätze für Rollstuhlfahrer eingerichtet werden, dann müssen auch zumindest für diese 5 Plätze Maßnahmen vorgesehen werden. Die 5 Rollstuhlfahrer, die diese beiden Plätze beanspruchen, können also nicht mit dem Argument abgewiesen werden, dass es keine ausreichenden Maßnahmen für den Evakuierungsfalle gebe: Denn zumindest für 5 Rollstuhlfahrer hat es ja Maßnahmen zu geben.
Denkbar ist allenfalls, dass der sechste Rollstuhlfahrer abgewiesen werden kann mit dem Argument, dass er nicht mehr im Rahmen der Brandschutzmaßnahmen ordnungsgemäß evakuiert werden könne. Hier hilft § 20 Anti-Diskriminierungsgesetz ggf. weiter:
Hiernach liegt keine Diskriminierung vor, wenn der Betreiber bzw. Veranstalter einen Rollstuhlfahrer abweist, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung ein sachlicher Grund vorliegt, bspw. bei der Vermeidung von Gefahren oder der Verhütung von Schäden.
Aber: Nur, weil der Betreiber/Veranstalter kein Personal mehr hat, die die Brandschutzmaßnahmen bei weiteren Rollstuhlfahrern erfüllen könnten, wäre das allein kein Argument.
Auch das Argument, dass durch weitere Rollstuhlfahrer auch andere Besucher bei der Rettung beeinträchtigt werden könnten, greift nicht immer durch: Schließlich kann ohnehin keine Rettung garantiert werden. Zudem könnte man dann auch umgekehrt vom Veranstalter verlangen, eben weniger nicht behinderte Besucher einzulassen.
Die Entscheidung, ob behinderte Besucher aus „Sicherheitsgründen“ abgelehnt werden dürfen, ist also sorgfältig im Einzelfall bezogen auf die einzelne Veranstaltung zu treffen: Es mag durchaus Veranstaltungen geben, bei denen der Einlass (weiterer) Behinderter unzumutbar bzw. eine erhebliche Gefahr bedeuten könnte. Ggf. ist hier die Begleitung durch geeignete Personen in Betracht zu ziehen.
Abgesehen von der gesetzlichen Regelung sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, Behinderte nicht aus rein finanziellen Mehraufwandsgründen abzuweisen.
Lesen Sie auch meinen Beitrag auf eventfaq: Event abgesagt wegen zu vielen Rollstuhlfahrern.
Thomas Waetke
Rechtsanwalt und Autor auf www.eventfaq.de