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Verbraucherkredite: Banken müssen nachsitzen

Viele deutsche Banken sind beim Umsetzen der EU-Verbraucherkreditrichtlinie (VKR) zur Nacharbeit gezwungen. Eine Reihe von Instituten hatte erst sehr spät damit begonnen, Abläufe und Bank-IT auf die neuen Erfordernisse umzustellen. Zum Einführungstermin am 11. Juni 2010 wurden zwar Basisinformationen, wie beispielsweise das Bereitstellen europaweit einheitlicher Formulare, umgesetzt. Für andere Anforderungen liegen jedoch bisher häufig nur behelfsmäßige Lösungen vor, um die rechtlichen Mindestanforderungen zu erfüllen. Dazu gehört beispielsweise die Anpassung bestehender Kreditverträge an die neuen Widerrufsbedingungen. Hier müssen die Institute schnell nachbessern – sonst drohen massive Wettbewerbsnachteile im Kreditgeschäft. Denn wenn die Darlehensvergabe den Kunden weniger transparent und teurer erscheint als bei anderen Banken, drohen Kontenwechsel und Abwanderung. Das ergab eine aktuelle Markteinschätzung von Steria Mummert Consulting.

„Die Institute, die sowieso schon spät dran waren, laufen Gefahr, ihre Abläufe, Formulare und die Bank-IT nicht rechtzeitig und mit der nötigen Sorgfalt umgestellt zu bekommen“, sagt Dr. Ludwig Jurgeit, Bankenexperte bei Steria Mummert Consulting. Denn der Gesetzgeber setzt die Institute zusätzlich unter Druck, indem er erneut äußerst kurzfristig eine Novellierung vornimmt. Erst am 17. Juni 2010, wenige Tage nach dem eigentlichen Umsetzungstermin, wurde eine erneute Konkretisierung in Form eines Annexgesetzes erlassen. In diesem Zusatz werden die Musterwiderrufsinformationen für Verbraucherdarlehensverträge, die Vorschriften über das Widerrufsrecht sowie eine Änderung des Darlehensvermittlungsrechts noch einmal ausführlich ergänzt.

Diese Änderungen lösen weiteren Umsetzungsbedarf bei den Banken aus. Die Nachzügler unter den Instituten sind damit doppelt gefordert: Sie müssen die bestehenden Behelfslösungen durch automatisierte und damit kostengünstige Verfahren ersetzen. Gleichzeitig sind dabei die Neuregelungen des Annexgesetzes zu berücksichtigen. Die Zeit drängt: Denn Anfang 2011 werden die ersten Verbraucherschutzverbände die Kreditbranche testen.

Vor allem die großen Finanzdienstleister sind in dieser Situation besser dran: Sie haben die Formulare, Prozesse und IT frühzeitig an die Anforderungen der Verbraucherkreditrichtlinie angepasst. Einige Marktteilnehmer sind dabei bereits über die gesetzlichen Erfordernisse hinausgegangen. Die im Bankenfachverband zusammengeschlossenen Unternehmen unterziehen ihr Geschäftsverhalten beispielsweise einem Kodex, der weiter gehende Regelungen als die gesetzlichen Vorgaben der VKR festlegt. „Für die Banken kommt es darauf an, solche Projekte mit viel Weitblick anzugehen. Wer wirklich nicht nur auf den Gesetzgeber warten will oder darauf, was Mitbewerber tun, identifiziert mögliche Forderungen von Verbraucherschutzverbänden und der Politik im Voraus“, so Dr. Jurgeit. „Banken, die darüber hinaus ihr Prozedere in der Umsetzung von Gesetzesänderungen standardisieren, können bei der nächsten anstehenden Novelle Kosten einsparen und die Umsetzung schneller als andere Marktteilnehmer abschließen.“

Hintergrundinformationen
Seit dem 11. Juni 2010 gelten in Deutschland umfangreiche Neuregelungen für die Vergabe von Krediten an Privatkunden. Banken und Sparkassen sind unter anderem verpflichtet, ihren Privatkunden künftig eine Reihe zusätzlicher Informationen zukommen zu lassen – wie beispielsweise ein europaweit einheitliches Formular, das vor Vertragsabschluss ausgehändigt werden muss. Weitere wichtige Neuerungen sind verschärfte Richtlinien für Werbung sowie veränderte Kündigungsauflagen im Bestandsgeschäft.

Die Diskussion über eine neue Verbrauchkreditrichtlinie wird auf europäischer Ebene bereits seit 2002 geführt. In Deutschland wurde 2008 ein erster belastbarer Gesetzesentwurf vorgelegt. Die ursprünglich für November 2009 geplante Einführung wurde auf Druck führender nationaler Banken auf den 11. Juni 2010 verschoben.



Kontakt:
Jörg Forthmann
Faktenkontor
Tel.: +49 (0) 40 22703-7787
E-Mail: joerg.forthmann@faktenkontor.de