Über allen IT-Gipfeln ist Ruh - Transpiration statt Inspiration in der Informationstechnologie
Das Merkel-Telefon 115 ist für mich immer noch das Symbol für die Hightech-Politik der politischen Elite in Berlin. Eine Hotline auf Amtsstubenniveau – geöffnet von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr. Wenn man den IT-Gipfel als Plattform für das Bürgertelefon einsetzt, dann sollte zumindest ein Hauch von technologischer Kompetenz erkennbar sein, fordert Andreas Klug, Mitglied der Ityx-Geschäftsführung in Köln. „Es kann nicht ohne Automatisierung funktionieren. Eine Vorqualifizierung der Anrufe ist unabdingbar, um Standardabfragen über Öffnungszeiten, Sperrmüllabfuhr oder dergleichen abzufangen. Das System selbst muss über mehr Wissen verfügen, um die Servicemitarbeiter an den Telefonen zu entlasten und eine ständige Erreichbarkeit zu gewährleisten.“ Es sei doch peinlich, wenn die Bürgerinnen und Bürger vor 8 Uhr, nach 18 Uhr oder am Wochenende anrufen und nur eine Bandansage ertönt „Sie rufen außerhalb unserer Servicezeiten an“.
IT-Gipfel auf Hotline-Niveau
Dabei wäre es möglich gewesen, zumindest in Ansätzen eine Applikation in das Merkel-Projekt einzubauen, die in Richtung des Sprachcomputers SIRI geht, der derzeit auf dem iPhone 4S für Furore sorgt. „Bei der Auslegung des Bürgertelefons 115 wurde Sprachtechnologie völlig ausgeblendet. Das kann nicht funktionieren. Es gibt nicht den allwissenden und jederzeit verfügbaren Mitarbeiter im Call Center“, sagte vor Jahren schon vor Jahren Professor Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.
Zudem kommt das Call Center-Angebot des Staates um einige Jahre zu spät. Noch vor drei Jahren entfielen nach einer Studie der Düsseldorfer Unternehmensberatung Mind Business rund 80 Prozent der Kundeninteraktionen auf das Telefon. Heute sind neue Formen der Servicekommunikation auf dem Vormarsch. Facebook, Twitter, Apps, Chats und Foren werden von 56 Prozent der Befragten häufiger genutzt als Telefon oder Post.
Das Zusammenwachsen von Internet, Fernsehen und Telefon biete den Menschen die Möglichkeit, unabhängig von Zeit und Ort zu kommunizieren. Er entscheide situativ, wie und wann er Unternehmen erreichen möchte. Der vernetzte Verbraucher und Bürger erwartet von den Organisationen der Wirtschaft und des Staates, dass sie das Social Web als Dialogplattform begreifen, den Dialog transparent und offen gestalten und dort auch schnell auf Anliegen reagieren und Service-Applikationen bereitstellen, die rund um die Uhr Hilfe und Orientierung bieten. Genau das bietet eben die 115-Hotline nicht. Wer soziale Netzwerke im Bürgerdialog einsetzt, macht die Kommunikation direkter, persönlicher und weniger hierarisch. Daran ist die Bundesregierung doch überhaupt nicht interessiert. Man will alles schön unter Kontrolle halten.
Deutschland bleibt IT-Wüste
Da ist es kein Wunder, dass beim sechsten Honoratioren-Stelldichein von Wirtschaft und Politik in der bayerischen Landeshauptstadt am Dienstag kein Lichtchen am Ende des Horizontes der IT-Wüste in Deutschland entfacht wird: „Die hochrangige Zusammenkunft sollte der IT-Branche hierzulande einen Schub geben, sollte die öffentliche Verwaltung auf diesem Gebiet voranbringen, kurz, Deutschland zum Musterland in Sachen Informationstechnik machen. Doch das Ergebnis ist mager. Viele Firmenleiter empfinden die Veranstaltung inzwischen eher als lästige Pflicht denn als Chance für die Industrie“, moniert Joachim Hofer vom Handelsblatt. Seit der Gründung von SAP vor fast 40 Jahren, konnte sich kein IT-Schwergewicht mehr in Szene setzen. „Im Gegenteil, Firmen wie Siemens haben sich aus dem IT-Geschäft wegen andauernder Erfolglosigkeit sogar zurückgezogen. Doch das ist noch nicht alles. Deutschland hinkt auch in der IT-Nutzung anderen Ländern zum Teil meilenweit hinterher. Das hat viel damit zu tun, dass die Menschen viele neue Techniken zunächst einmal eher skeptisch sehen“, schreibt Hofer.
Auch bei der Rekrutierung von qualifiziertem IT-Personal aus dem Ausland tun sich deutsche Unternehmen schwer. Der Düsseldorfer Personaldienstleister Harvey Nash sucht beispielsweise weltweit nach IT-Fachkräften. Vor allem im osteuropäischen Raum gebe es gut ausgebildete Experten. Doch deutsche Gepflogenheiten machen den potenziellen Kandidaten schwer zu schaffen.
Viele große Konzerne und auch Mittelständler sind noch längst nicht vollständig internationalisiert. Die Folge: Es wird häufig deutsch gesprochen. Und von neuen Mitarbeitern wird erwartet, dass auch sie die deutsche Sprache perfekt beherrschen. „Dadurch reduziert sich die Möglichkeit deutlich, eine exzellente ausländische Fachkraft zu gewinnen“, sagt Mark Hayes von Harvey Nash. Selbst wenn sich ein Unternehmen für eine Fachkraft aus Europa entscheidet – durch die Sprachbarriere fällt die Integration schwer, sowohl auf fachlicher als auf zwischenmenschlicher Ebene, wie dem klassischen Smalltalk in der Kaffeeküche. Die Situation führe dazu, dass auch IT-Dienstleister, die deutsche Kunden betreuen, eigentlich gerne ausländische Experten einstellen möchten – sich aber ebenfalls zurückhalten, weil sie nicht wissen, ob sie die Fachkräfte einsetzen können. „So ist es für ausländische IT-Experten einfach viel attraktiver, sich in den USA niederzulassen als in einem Land, das Fremde bis heute abschätzig als Gastarbeiter bezeichnet“, so Hofer in seinem Handelsblatt-Kommentar.
Auffällig sei auch, dass sich die IT-Gipfel-Promis nicht nachhaltig für Informationstechnik ins Zeug legen. Da antichambriert man doch lieber mit den Lobbyisten der Industrie und hätschelt die liebwertesten Gichtlinge des Maschinenbaus oder der Autokonzerne, obwohl Deutschland schon längst eine Dienstleistungsökonomie ist, die ohne Informationstechnologie nicht zukunftsfähig sein kann.
Und wer sich kurzfristig – also vier Tage vor dem IT-Gipfel – akkreditieren möchte, bekommt vom Bundeswirtschaftsministerium die schnöde Antwort: „Die Akkreditierung ist abgeschlossen. Wir haben nach dem bayerischen Veranstaltungsgesetz die zugelassene Personenzahl streng einzuhalten.“ Da fällt mir nur noch der olle Goethe ein: Über allen IT-Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest Du, kaum einen Hauch.
Kommentare, Retweets, Liken, Plussen unter: http://www.theeuropean.de/gunnar-sohn/9092-innovationspotenzial-in-deutschland
Redaktion
NeueNachricht
Gunnar Sohn
Ettighoffer Straße 26a
53123 Bonn
Tel: 0228 – 622243
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E-Mail: gunnareriksohn@googlemail.com
IT-Gipfel auf Hotline-Niveau
Dabei wäre es möglich gewesen, zumindest in Ansätzen eine Applikation in das Merkel-Projekt einzubauen, die in Richtung des Sprachcomputers SIRI geht, der derzeit auf dem iPhone 4S für Furore sorgt. „Bei der Auslegung des Bürgertelefons 115 wurde Sprachtechnologie völlig ausgeblendet. Das kann nicht funktionieren. Es gibt nicht den allwissenden und jederzeit verfügbaren Mitarbeiter im Call Center“, sagte vor Jahren schon vor Jahren Professor Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.
Zudem kommt das Call Center-Angebot des Staates um einige Jahre zu spät. Noch vor drei Jahren entfielen nach einer Studie der Düsseldorfer Unternehmensberatung Mind Business rund 80 Prozent der Kundeninteraktionen auf das Telefon. Heute sind neue Formen der Servicekommunikation auf dem Vormarsch. Facebook, Twitter, Apps, Chats und Foren werden von 56 Prozent der Befragten häufiger genutzt als Telefon oder Post.
Das Zusammenwachsen von Internet, Fernsehen und Telefon biete den Menschen die Möglichkeit, unabhängig von Zeit und Ort zu kommunizieren. Er entscheide situativ, wie und wann er Unternehmen erreichen möchte. Der vernetzte Verbraucher und Bürger erwartet von den Organisationen der Wirtschaft und des Staates, dass sie das Social Web als Dialogplattform begreifen, den Dialog transparent und offen gestalten und dort auch schnell auf Anliegen reagieren und Service-Applikationen bereitstellen, die rund um die Uhr Hilfe und Orientierung bieten. Genau das bietet eben die 115-Hotline nicht. Wer soziale Netzwerke im Bürgerdialog einsetzt, macht die Kommunikation direkter, persönlicher und weniger hierarisch. Daran ist die Bundesregierung doch überhaupt nicht interessiert. Man will alles schön unter Kontrolle halten.
Deutschland bleibt IT-Wüste
Da ist es kein Wunder, dass beim sechsten Honoratioren-Stelldichein von Wirtschaft und Politik in der bayerischen Landeshauptstadt am Dienstag kein Lichtchen am Ende des Horizontes der IT-Wüste in Deutschland entfacht wird: „Die hochrangige Zusammenkunft sollte der IT-Branche hierzulande einen Schub geben, sollte die öffentliche Verwaltung auf diesem Gebiet voranbringen, kurz, Deutschland zum Musterland in Sachen Informationstechnik machen. Doch das Ergebnis ist mager. Viele Firmenleiter empfinden die Veranstaltung inzwischen eher als lästige Pflicht denn als Chance für die Industrie“, moniert Joachim Hofer vom Handelsblatt. Seit der Gründung von SAP vor fast 40 Jahren, konnte sich kein IT-Schwergewicht mehr in Szene setzen. „Im Gegenteil, Firmen wie Siemens haben sich aus dem IT-Geschäft wegen andauernder Erfolglosigkeit sogar zurückgezogen. Doch das ist noch nicht alles. Deutschland hinkt auch in der IT-Nutzung anderen Ländern zum Teil meilenweit hinterher. Das hat viel damit zu tun, dass die Menschen viele neue Techniken zunächst einmal eher skeptisch sehen“, schreibt Hofer.
Auch bei der Rekrutierung von qualifiziertem IT-Personal aus dem Ausland tun sich deutsche Unternehmen schwer. Der Düsseldorfer Personaldienstleister Harvey Nash sucht beispielsweise weltweit nach IT-Fachkräften. Vor allem im osteuropäischen Raum gebe es gut ausgebildete Experten. Doch deutsche Gepflogenheiten machen den potenziellen Kandidaten schwer zu schaffen.
Viele große Konzerne und auch Mittelständler sind noch längst nicht vollständig internationalisiert. Die Folge: Es wird häufig deutsch gesprochen. Und von neuen Mitarbeitern wird erwartet, dass auch sie die deutsche Sprache perfekt beherrschen. „Dadurch reduziert sich die Möglichkeit deutlich, eine exzellente ausländische Fachkraft zu gewinnen“, sagt Mark Hayes von Harvey Nash. Selbst wenn sich ein Unternehmen für eine Fachkraft aus Europa entscheidet – durch die Sprachbarriere fällt die Integration schwer, sowohl auf fachlicher als auf zwischenmenschlicher Ebene, wie dem klassischen Smalltalk in der Kaffeeküche. Die Situation führe dazu, dass auch IT-Dienstleister, die deutsche Kunden betreuen, eigentlich gerne ausländische Experten einstellen möchten – sich aber ebenfalls zurückhalten, weil sie nicht wissen, ob sie die Fachkräfte einsetzen können. „So ist es für ausländische IT-Experten einfach viel attraktiver, sich in den USA niederzulassen als in einem Land, das Fremde bis heute abschätzig als Gastarbeiter bezeichnet“, so Hofer in seinem Handelsblatt-Kommentar.
Auffällig sei auch, dass sich die IT-Gipfel-Promis nicht nachhaltig für Informationstechnik ins Zeug legen. Da antichambriert man doch lieber mit den Lobbyisten der Industrie und hätschelt die liebwertesten Gichtlinge des Maschinenbaus oder der Autokonzerne, obwohl Deutschland schon längst eine Dienstleistungsökonomie ist, die ohne Informationstechnologie nicht zukunftsfähig sein kann.
Und wer sich kurzfristig – also vier Tage vor dem IT-Gipfel – akkreditieren möchte, bekommt vom Bundeswirtschaftsministerium die schnöde Antwort: „Die Akkreditierung ist abgeschlossen. Wir haben nach dem bayerischen Veranstaltungsgesetz die zugelassene Personenzahl streng einzuhalten.“ Da fällt mir nur noch der olle Goethe ein: Über allen IT-Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest Du, kaum einen Hauch.
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