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"Positive Unsicherheit“ in Ägypten

TNS-Studie zur Zufriedenheit ägyptischer Bürger mit der neuen Demokratie
Kantar | 28.07.2011
TNS, eines der weltweit führenden Markt- und Meinungsforschungsinstitute, hat die Ergebnisse seiner ersten Meinungsumfrage im post-revolutionären Ägypten veröffentlicht. Zentrales Ergebnis der repräsentativen Studie, für die 1.000 Ägypter befragt wurden, ist eine "positive Unsicherheit“ bezüglich der Zukunft des Landes: Insgesamt betrachten 76 Prozent der ägyptischen Bürgerinnen und Bürger die Zukunft ihres Landes optimistisch, aber gleichzeitig ist fast die Hälfte (41 Prozent) mit der aktuellen gesellschaftlichen Situation im Land noch immer unzufrieden.



Zwar sehen 90 Prozent der Befragten in der Revolution eine positive Entwicklung für Ägypten, aber dieser Optimismus wird durch eine wachsende Besorgnis über die anhaltende politische und soziale Unsicherheit geschwächt. Nach der TNS-Studie ist das mangelnde Vertrauen in wichtige staatliche Regierungs-Institutionen ein Hauptproblem. 68 Prozent der Befragten äußern sich unzufrieden mit der Arbeit der Polizei - 23 Prozent bezweifeln sogar praktisch die Existenz einer Polizei. Zudem misstrauen 42 Prozent den Medien.



Auch wenn sich knapp die Hälfte (43 Prozent) der Bürger zufrieden mit der aktuellen Situation der post-revolutionären ägyptischen Gesellschaft äußert, glauben trotzdem nur 11 Prozent, dass Ägypten bereits eine echte Demokratie sei. Von den 28 Prozent, die nicht an den Parlamentswahlen im kommenden September teilnehmen wollen, begründen 34 Prozent ihre Verweigerungshaltung mit Zweifeln an der Richtigkeit der Wahlergebnisse.



"Während die Menschen die Zukunft Ägyptens alles in allem optimistisch sehen, bleibt ein tiefes Misstrauen gegenüber den Institutionen, die dieses Land noch immer regieren. Dies muss überwunden werden, wenn Ägypten seinem Ruf als neue demokratische Kraft gerecht werden möchte“, erläutert Leendert de Voogd, Global Head of Political & Social bei TNS.



"Es ist positiv, dass die Ägypter mit der Arbeit von Premierminister Essam Sharaf und des Obersten Militärrates insgesamt zufrieden sind. Aber um eine echte Demokratie zu werden, muss das ägyptische Volk das Vertrauen haben, sich an Wahlen zu beteiligen und so die Zukunft Ägyptens mit zu gestalten. Nach unseren Untersuchungsergebnissen ist man von diesem Ziel noch weit entfernt“, so De Voogd weiter.



Die TNS-Studie beleuchtet auch weit verbreitete Sorgen, die das neue Ägypten ebenso betreffen wie Europa und die USA: Während sich das Ausland im Zusammenhang mit der ägyptischen Revolution überwiegend auf Sicherheitsaspekte konzentrierte, bewegte die Masse der Ägypter viel stärker die wirtschaftliche Situation ihres Landes: Insbesondere Arbeitslosigkeit (43 Prozent) und Inflation (48 Prozent) sind die Themen, die den Menschen die größten Sorgen bereiten.



�Es gibt eine deutliche Vertrauenslücke zwischen den ägyptischen Bürgern und der ägyptischen Polizei, die sich während der Revolution herausbildete, als die Polizei von den Straßen abgezogen wurde“, erläutert Mohamed Ahmed, Head of TNS Egypt. "Nach den Ergebnissen unserer Studie machen sich darüber hinaus deutlich mehr Ägypter Sorgen über ihre eigene wirtschaftliche Situation als über die Sicherheit des Landes beziehungsweise über die Stabilität Ägyptens. Die Regierung muss sich um diese Sorgen kümmern, um sicherzustellen, dass sich Ägypten weiter in die richtige Richtung entwickeln wird.“



Eine große Mehrheit der Ägypter ist heute davon überzeugt, dass die Zukunft des Landes davon abhängt, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Religionen innerhalb Ägyptens zu verbessern. Darüber hinaus werden die internationalen Beziehungen Ägyptens als sehr wichtig angesehen: 85 Prozent der Befragten finden die Beziehungen zu den Staaten des nahen und mittleren Ostens wichtig, 85 Prozent zu afrikanischen Staaten und 73 Prozent die Beziehungen zu den USA.



De Voogd erklärt: "Das post-revolutionäre Ägypten möchte sich neuen Märkten öffnen und in der Weltöffentlichkeit ein neues, positives Image von Ägypten aufbauen. Das ägyptische Volk weiß, dass es einer nachhaltigen politischen Stabilität und einer Volkswirtschaft bedarf, die für ausländische Investoren attraktiv ist, um diese Ziele zu erreichen. Es gibt einen klaren Wunsch nach neuen Partnerschaften, um alte Teilungen zu überwinden, die das Land in seiner Entwicklung gebremst haben. Die Frage, die sich aktuell stellt, ist, wie schnell die Machthabern diese Ziele umsetzen können.“



Ahmed ergänzt: "Die einfache Tatsache, dass die ägyptischen Bürger heute viel offener über Politik diskutieren als vor der Revolution, zeigt, wie weit sich das Land bereits entwickelt hat. Die Menschen beschäftigen sich heute deutlich mehr mit der Regierungspolitik ihres Landes und mit der Wahrnehmung von Ägypten in der Weltöffentlichkeit - und wir gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzen wird.“



Die Untersuchung wurde von einem Team von TNS Political & Social durchgeführt. Es handelt sich um die erste Meinungsumfrage im post-revolutionären Ägypten. Im Auftrag eines privaten Medienunternehmens wurden 1.000 zufällig ausgewählte ägyptische Bürgerinnen und Bürger zu ihren Meinungen und Einstellungen befragt. Die Studie wurde mittels mündlich-persönlicher Interviews in den Haushalten der Befragten im April und Mai 2011 realisiert.