McKinsey: Deutsche Telekommunikation verliert international den Anschluss
Deutschland investiert seit Jahren weit unterdurchschnittlich in
die Telekommunikationsinfrastruktur und droht besonders bei der
Glasfaser-Zukunftstechnologie international den Anschluss zu
verpassen. Allein um die Lücke zum OECD-Durchschnitt zu schließen,
sind zusätzliche Investitionen von etwa 6,5 Mrd. Euro jährlich
notwendig. Sie könnten bis zu 130.000 neue Arbeitsplätze schaffen und
ein zusätzliches Bruttoinlandsprodukt in Höhe von bis zu 7,6 Mrd.
Euro bedeuten. Dies sind Ergebnisse einer internationalen Studie der
Unternehmensberatung McKinsey & Company zur Zukunft der
Telekommunikationsbranche.
Besonders kritisch sind Investitionen in Glasfaserleitungen. Sie
übertragen Daten um ein Vielfaches schneller als herkömmliche
Breitbandkabel und ermöglichen unter anderem den Empfang von
hochauflösendem Fernsehen (HDTV). Eine Ursache für den Rückstand bei
diesen VDSL-Verbindungen ist in erster Linie die aktuelle
Regulierungspolitik, die den Zugang zu den Netzen regelt und
europaweit zu heftigen Diskussionen zwischen Betreibern und der
EU-Kommission führt.
Große Unternehmen der Branche, darunter auch die Deutsche Telekom,
die die erforderlichen Milliarden-Investitionen bewältigen könnten,
zögern angesichts der Unsicherheit hinsichtlich der Zugangsrechte von
Konkurrenten. Sie fürchten um eine angemessene Kapitalrendite, wenn
sie nicht selbst bestimmen können, unter welchen Voraussetzungen sie
Wettbewerber in ihre Netze lassen. In dynamischen Märkten wie der
Telekommunikation sind aber Anzeize für Innovations- und
Wettbewerbsvorsprünge unverzichtbar, so die McKinsey-Untersuchung.
"Es gibt zwei grundlegende Optionen: Mehr Regulierung und eine
stärkere Intervention im Sektor oder Deregulierung mit dem
ausdrücklichen Ziel eines Infrastrukturwettbewerbs", sagt Jürgen
Meffert, Director bei McKinsey und einer der Autoren der Studie.
"Andere Länder wie die USA oder Schweiz zeigen, dass Deregulierung zu
mehr Wettbewerb, niedrigeren Preisen, zusätzlichen Angeboten und
enormen Produktivitätssteigerungen führt, was positive Effekte für
die gesamte Wirtschaft hat." Eine ähnliche Erfahrung habe Deutschland
bereits beim Mobilfunkmarkt gemacht, wo der Wettbewerb ohne
Marktregulierung zu deutlich mehr Leistung und immer günstigeren
Tarifen führe.
Deshalb plädiert Meffert für ein System, das sich stärker auf
Marktmechanismen als auf Regulierung stützt, um so den
volkswirtschaftlich dringend notwendigen Infrastrukturauf- und
-ausbau zu fördern.
Aufschwung mit Breitband
Gerade die modernste Breitbandtechnologie bietet immenses
Potenzial. Ausgelöst durch konsequente Deregulierung, rechnet man in
den USA durch die rasche Verbreitung von Breitband der aktuellen
Generation und fortschrittlicherer Zugangstechnologien mit
Investitionen in Höhe von knapp 150 Mrd. Dollar in den nächsten
Jahren. Ein flächendeckender Breitbandzugang für Privathaushalte
könnte dabei zu rund 1,2 Mio. neuen Arbeitsplätze führen.
Dagegen haben die EU-15 Länder (ohne Großbritannien) seit mehr als
einem Jahrzehnt unterdurchschnittlich in die
Telekommunikationsinfrastruktur investiert. Die
Pro-Kopf-Investitionen lagen dort zwischen 1997 und 2003 mit 101 Euro
lediglich bei zwei Drittel des OECD-Durchschnitts von 151 Euro.
Besonders alarmierend ist die Situation dabei in Deutschland. Dort
betrugen die Investitionen mit 72 Euro pro Kopf nur halb so viel wie
im OECD-Durchschnitt und etwa ein Drittel der Ausgaben von Japan (214
Euro) oder Großbritannien (196 Euro). In den USA wurden im selben
Zeitraum 261 Euro investiert. Meffert: "Mit seinem kostenbasierten
Regulierungsansatz bietet Deutschland keinen Anreiz für größeres
Engagement der Unternehmen. Die Erfahrung in anderen Ländern zeigt:
Von Deregulierung profitiert nicht nur die Telekommunikation, sondern
die gesamte Volkswirtschaft. Die stärkt Deutschlands internationale
Wettbewerbsfähigkeit."
Die McKinsey-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine weitere
Regulierung zu anhaltender Stagnation auf dem
Telekommunikationssektor in Europa führen und damit die allgemeinen
politischen Ziele der Lissabon-Agenda zur Schaffung eines
elektronischen Europas (eEuropa) gefährden würde.