Jürgen Rüttgers und die Kunst der Effekthascherei
Bonn/Düsseldorf – Immer wenn es um das Soziale geht, schlägt die Stunde von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Im Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit www.zeit.de wirbt der CDU-Politiker „für Korrekturen an sozialpolitischen Reformen, um Wähler der Linkspartei zurückzugewinnen“. Die allermeisten Wähler der Linken wollten „einfach nur ‚denen da oben’ zeigen, dass sie sich im Stich gelassen fühlen“, lautet die Analyse des promovierten Juristen. Diese Menschen wolle er „für das demokratische Spektrum“ zurückgewinnen.
In der Wirtschaft trifft diese Forderung auf starke Skepsis. „Wäre es nicht eher die Aufgabe der SPD, die Wähler der Linken wieder für sich zu gewinnen?“, fragt Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash www.harveynash.de. „Darum muss sich nicht die CDU kümmern. Früher war es guter Brauch, dass die Sozialdemokratie keine Partei links von sich zulässt und die Union den konservativen beziehungsweise ‚rechten’ Rand mit abdeckte. Zurzeit ist jedoch festzustellen, dass die beiden großen Volksparteien immer mehr nach links rücken. Wir haben mittlerweile in diesem Land zwei sozialdemokratische Volksparteien, die immer mehr Zuspruch beim Wahlvolk verlieren. Und nachdem die Grünen nicht mehr in der Regierungsverantwortung stehen, setzen sie sich ebenfalls merklich von der Agenda-Politik ab, die sie einst selbst mitvertreten haben. Tja, und von der FDP hört man halt sehr wenig.“
Rüttgers jedenfalls gibt sich im Zeit-Interview unbeirrt und kritisiert die Unternehmen dafür, dass sie zu stark die Interessen der Aktionäre bedienen. Es könne nicht sein, „dass die Unternehmer für die ökonomischen Gewinne da sind, und die Politik ist für die sozialen Verluste zuständig“. Ob die Politik wirklich so sozial agiert, bezweifelt Nadolski. Die Studie „Taxing Wages“ der OECD habe erst jüngst deutlich gemacht, dass unter den 30 OECD-Ländern nur noch Belgien und Ungarn bei den Bürgern mehr abkassieren als Deutschland. So blieben einem Single mit Durchschnittsgehalt 2007 von 100 Euro, die er seinen Arbeitgeber kostete, nach allen Abzügen gerade einmal 47,80 Euro übrig. Steuern und Sozialabgaben machen laut OECD-Studie 52,2 Prozent der Arbeitskosten aus.
„Ist dies die soziale Gerechtigkeit, die Herr Rüttgers im Sinn hat? Obwohl der Sozialstaat in den vergangenen 40 Jahren immer stärker ausgebaut wurde, fühlen sich viele Menschen immer noch ungerecht behandelt oder haben grundsätzliche Zweifel an unserem Wirtschaftssystem. Es ist ein Trugschluss zu glauben, man könne diese Zweifel mit immer neuen Wohltaten ersticken. Die CDU stellt sich gern als Partei der Mitte dar. Dann muss sie auch was für diese Mitte tun. In Wahrheit ist es aber so, dass die Steuerpolitik seit mehr als zehn Jahren diese Mittelschicht immer stärker unter Druck setzt und mit Steuern und Abgaben überhäuft. Es ist einfach nicht wahr, dass dieses Land eine unsoziale Politik gegenüber denjenigen Menschen betreibt, die arbeitslos sind oder nur wenig verdienen.“
Statt eine kraftvolle Wirtschaftspolitik zu betreiben, die nicht nur auf Sicherheit und Gerechtigkeit, sondern auch auf Freiheit setze, betreibe Rüttgers eine reine Symbolpolitik. Dies zeige sich am Beispiel des Umgangs mit Nokia, den die Financial Times Deutschland (FTD) www.ftd.de zurecht als „Bloße Effekthascherei“ bezeichnet habe. Jetzt fordere „Rüttgers Regierungstruppe“ 41 Millionen Euro vom finnischen Handyhersteller zurück, obwohl bereits seit 1994 staatliche Zuschüsse für den Standort Bochum geflossen seien. „Das ist ungefähr so, als forderte ein beleidigter Ehemann von seiner Exfrau all den Schmuck zurück, den er ihr im Laufe ihrer gemeinsamen Jahre geschenkt hat. Die Fakten lagen doch die ganze Zeit auf dem Tisch. Regelmäßig hat Nokia der NRW-Bank die Zahlen genannt. Wie kann es dann sein, dass man jetzt so tut, als sei man jahrelang betrogen worden?“ fragt Nadolski.
Wenn Rüttgers im Zeit-Gespräch „Sicherheit und Gerechtigkeit“ als die Slogans definiere, mit der die CDU in die nächste Wahl gehen wolle, dann müsse die Wirtschaft hellhörig werden. Was sei denn das für eine Wahlentscheidung, wenn quasi alle politischen Gruppierungen außer den Liberalen vornehmlich auf der sozialen Klaviatur spielten und einfach nicht den Mut fänden, den Leuten die Wahrheit zu sagen. Diesen Mut hat Rüttgers augenscheinlich nicht, wie die FTD schreibt: „Rüttgers wäre Respekt zu zollen, erklärte er den Rheinländern, worauf es in Zukunft ankommt: auf Bildung, nicht auf Fließbandproduktion oder das Zusammenschrauben vorgefertigter Bauteile“.
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In der Wirtschaft trifft diese Forderung auf starke Skepsis. „Wäre es nicht eher die Aufgabe der SPD, die Wähler der Linken wieder für sich zu gewinnen?“, fragt Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash www.harveynash.de. „Darum muss sich nicht die CDU kümmern. Früher war es guter Brauch, dass die Sozialdemokratie keine Partei links von sich zulässt und die Union den konservativen beziehungsweise ‚rechten’ Rand mit abdeckte. Zurzeit ist jedoch festzustellen, dass die beiden großen Volksparteien immer mehr nach links rücken. Wir haben mittlerweile in diesem Land zwei sozialdemokratische Volksparteien, die immer mehr Zuspruch beim Wahlvolk verlieren. Und nachdem die Grünen nicht mehr in der Regierungsverantwortung stehen, setzen sie sich ebenfalls merklich von der Agenda-Politik ab, die sie einst selbst mitvertreten haben. Tja, und von der FDP hört man halt sehr wenig.“
Rüttgers jedenfalls gibt sich im Zeit-Interview unbeirrt und kritisiert die Unternehmen dafür, dass sie zu stark die Interessen der Aktionäre bedienen. Es könne nicht sein, „dass die Unternehmer für die ökonomischen Gewinne da sind, und die Politik ist für die sozialen Verluste zuständig“. Ob die Politik wirklich so sozial agiert, bezweifelt Nadolski. Die Studie „Taxing Wages“ der OECD habe erst jüngst deutlich gemacht, dass unter den 30 OECD-Ländern nur noch Belgien und Ungarn bei den Bürgern mehr abkassieren als Deutschland. So blieben einem Single mit Durchschnittsgehalt 2007 von 100 Euro, die er seinen Arbeitgeber kostete, nach allen Abzügen gerade einmal 47,80 Euro übrig. Steuern und Sozialabgaben machen laut OECD-Studie 52,2 Prozent der Arbeitskosten aus.
„Ist dies die soziale Gerechtigkeit, die Herr Rüttgers im Sinn hat? Obwohl der Sozialstaat in den vergangenen 40 Jahren immer stärker ausgebaut wurde, fühlen sich viele Menschen immer noch ungerecht behandelt oder haben grundsätzliche Zweifel an unserem Wirtschaftssystem. Es ist ein Trugschluss zu glauben, man könne diese Zweifel mit immer neuen Wohltaten ersticken. Die CDU stellt sich gern als Partei der Mitte dar. Dann muss sie auch was für diese Mitte tun. In Wahrheit ist es aber so, dass die Steuerpolitik seit mehr als zehn Jahren diese Mittelschicht immer stärker unter Druck setzt und mit Steuern und Abgaben überhäuft. Es ist einfach nicht wahr, dass dieses Land eine unsoziale Politik gegenüber denjenigen Menschen betreibt, die arbeitslos sind oder nur wenig verdienen.“
Statt eine kraftvolle Wirtschaftspolitik zu betreiben, die nicht nur auf Sicherheit und Gerechtigkeit, sondern auch auf Freiheit setze, betreibe Rüttgers eine reine Symbolpolitik. Dies zeige sich am Beispiel des Umgangs mit Nokia, den die Financial Times Deutschland (FTD) www.ftd.de zurecht als „Bloße Effekthascherei“ bezeichnet habe. Jetzt fordere „Rüttgers Regierungstruppe“ 41 Millionen Euro vom finnischen Handyhersteller zurück, obwohl bereits seit 1994 staatliche Zuschüsse für den Standort Bochum geflossen seien. „Das ist ungefähr so, als forderte ein beleidigter Ehemann von seiner Exfrau all den Schmuck zurück, den er ihr im Laufe ihrer gemeinsamen Jahre geschenkt hat. Die Fakten lagen doch die ganze Zeit auf dem Tisch. Regelmäßig hat Nokia der NRW-Bank die Zahlen genannt. Wie kann es dann sein, dass man jetzt so tut, als sei man jahrelang betrogen worden?“ fragt Nadolski.
Wenn Rüttgers im Zeit-Gespräch „Sicherheit und Gerechtigkeit“ als die Slogans definiere, mit der die CDU in die nächste Wahl gehen wolle, dann müsse die Wirtschaft hellhörig werden. Was sei denn das für eine Wahlentscheidung, wenn quasi alle politischen Gruppierungen außer den Liberalen vornehmlich auf der sozialen Klaviatur spielten und einfach nicht den Mut fänden, den Leuten die Wahrheit zu sagen. Diesen Mut hat Rüttgers augenscheinlich nicht, wie die FTD schreibt: „Rüttgers wäre Respekt zu zollen, erklärte er den Rheinländern, worauf es in Zukunft ankommt: auf Bildung, nicht auf Fließbandproduktion oder das Zusammenschrauben vorgefertigter Bauteile“.
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