Governance im Öffentlichen Sektor deutlich ausbaufähig
Eine verantwortungsvolle Steuerung öffentlicher Unternehmen ist für Staat und Gesellschaft auf allen föderalen Ebenen von besonderer Bedeutung. Ein Public Corporate Governance Kodex (PCGK) bietet wichtige Instrumente, um in Bund, Ländern und Kommunen die Weichen für eine transparente und regelkonforme Unternehmenssteuerung („Good Governance“) zu stellen.
Erst wenige Gebietskörperschaften setzen auf PCGK
Die Praxis zeigt, dass bei der Gestaltung und Umsetzung der Kodizes noch vielerorts Luft nach oben ist. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Untersuchung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland und der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Demnach erfüllt keiner der untersuchten PCGKs alle einschlägigen Anforderungen bzgl. international anerkannter Governance-Standards. Entsprechenserklärungen sind oftmals nicht auffindbar. Regelungen zu allen Governance-Systemen wie Risikomanagementsystem, internem Revisions-/Kontrollsystem sowie Compliance-Management-Systemen sind häufig nicht vorhanden was die Vermutung aufkommen lässt, dass diese Systeme oftmals nicht eingerichtet sind und umfassend gelebt werden.
„Die untersuchten Kodizes sind trotz des eindeutigen Nachbesserungsbedarfs ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“ Marco Galioto, Partner Öffentlicher Sektor bei PwC Deutschland
Denn obwohl PCGKs sowohl in der Gesamtkonzeption als auch in der Umsetzung der Public Corporate Governance eine besondere Rolle spielen, verfügen von den mehr als 2.000 deutschen Gebietskörperschaften bislang nur rund 60 tatsächlich über einen entsprechenden Kodex.
„Angesichts der aktuellen Krisenlage ist die Einführung neuer PCGKs oder die Evaluierung bestehender Regelwerke ein wichtiges Instrument, um eine reflektierte Führungskultur zu fördern.“ Björn Blischke, Director Öffentlicher Sektor bei PwC Deutschland
Qualitätsdefizite bei Entsprechenserklärungen
Ein besonderer Schwerpunkt des PCGK-Reports 2022 liegt auf der repräsentativen Analyse der Umsetzungsqualität des sogenannten comply-or-explain-Prinzips. Dies besagt, dass Empfehlungen des PCGK grundsätzlich befolgt (comply), erforderliche Abweichungen explizit begründet (explain) und in Entsprechenserklärungen veröffentlicht werden. Vor allem kommunale Gebietskörperschaften tun sich damit jedoch schwer: Gerade einmal 38 Prozent der Städte oder Stadtstaaten stellen laut Studie entsprechende Erklärungen zur Verfügung. Dagegen sieht es auf Landes- und Bundesebene etwas besser aus: Rund jede zweite landeseigene Gebietskörperschaft (55 Prozent) und sogar jedes bundeseigene Unternehmen veröffentlicht Entsprechenserklärungen.
Allerdings weisen alle Entsprechenserklärungen Defizite hinsichtlich ihrer Struktur und Gestaltung auf – wenn auch in unterschiedlichem Maße: „Keine der analysierten Erklärungen erfüllt alle Qualitätsanforderungen“, so Galioto. Zudem zeigen die Befunde, dass öffentliche Unternehmen nur selten Abweichungsbegründungen formulieren und somit die Möglichkeit zur freiwilligen Stellungnahme zum PCGK kaum nutzen.
„Es stellt sich die Frage, inwieweit das Thema Public Corporate Governance in den öffentlichen Unternehmen überhaupt angemessen reflektiert wird.“ Björn Blischke, Director Öffentlicher Sektor bei PwC Deutschland
Dies sei umso bedenklicher, wenn man die Relevanz des Themas für die Staats- und Verwaltungsmodernisierung betrachtet. Vor diesem Hintergrund plädieren die Studienautor:innen dafür, das Thema in der erforderlichen und gebotenen Regelmäßigkeit zu positionieren. Um zu einer nachhaltigen Entwicklung im Öffentlichen Sektor beizutragen, soll der PCGK-Report deshalb in den kommenden Jahren weiter fortgeschrieben werden.