DAX-Konzerne im zweiten Quartal mit Rekordumsatz aber Gewinnrückgang
Mit einem Umsatzwachstum von 13,7 Prozent haben die DAX-Konzerne das zweite Quartal 2022 erneut auf Rekordniveau abgeschlossen. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 kletterte der Umsatz sogar um 26 Prozent. Beim Gewinn konnte allerdings – anders als im ersten Quartal – kein neuer Höchstwert erreicht werden: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sank der Gesamtgewinn aller DAX-Konzerne um 19,3 Prozent auf knapp 39,6 Milliarden Euro – immerhin der zweithöchste je in einem zweiten Quartal erzielte Wert.
Während die meisten Unternehmen beim Umsatz zulegen konnten – nur drei DAX-Konzerne verzeichneten niedrigere Umsätze als im Vorjahreszeitraum – war die Gewinnentwicklung bei der Mehrheit der Unternehmen rückläufig: 18 Unternehmen konnten ihren operativen Gewinn erhöhen, bei 22 Unternehmen ging der Gewinn hingegen zurück.
Das sind Ergebnisse einer aktuellen Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY auf der Basis der Geschäfts- bzw. Quartalsberichte der derzeit im Deutschen Aktienindex (DAX) gelisteten Unternehmen.
„Die Geschäftsentwicklung war bei der Mehrzahl der Unternehmen auch im zweiten Quartal bemerkenswert gut – vor allem vor dem Hintergrund des extrem herausfordernden Umfelds“, betont Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung bei EY. „Allerdings mehren sich die Zeichen, dass die Rekordjagd für die deutschen Top-Konzerne bald vorüber ist: Immer mehr Unternehmen spüren die sehr hohen Energie- und Rohstoffpreise und die zunehmende Zurückhaltung der Verbraucher.“ Zudem sei der operative Cashflow im zweiten Quartal in Summe deutlich – um 17 Prozent – zurückgegangen.
Unsichere Aussichten – Stimmung ist schlechter als die Lage
Zahlreiche DAX-Konzerne wiesen bei der Präsentation ihrer Quartalszahlen auf den enorm hohen Grad an Unsicherheit hin, so Ahlers: „Trotz der aktuell insgesamt guten Geschäftslage ist die Stimmung in den Chefetagen äußerst angespannt. Es ist derzeit völlig unklar, wie sich die weltweite Konjunktur im Herbst und Winter entwickeln wird. Derzeit schwebt das Damoklesschwert einer schweren Gas-Krise über der deutschen und europäischen Wirtschaft. Eine mögliche weitere Drosselung der Gaszufuhr könnte in einigen Branchen zu einem Produktionsstillstand führen und Dominoeffekte in anderen Branchen auslösen.“
Bislang gelinge es vielen Unternehmen, steigende Material-, Logistik und Energiepreise weiterzureichen, weshalb die Umsätze steigen, ergänzt Mathieu Meyer, Partner bei EY: „Zudem ist die Nachfrage in vielen Branchen trotz Inflation, Zinswende und zunehmender Rezessionssorgen bemerkenswert hoch geblieben. Das muss aber nicht so bleiben. Wenn im Herbst und Winter stark steigende Energiekosten die Budgets der Konsumenten massiv belasten, könnte die Stimmung rasch umschlagen. Darauf müssen sich die Unternehmen vorbereiten.“
Starkes Wachstum auf dem US-Markt – schwacher Euro gibt Rückenwind
Derzeit erzielen die deutschen Unternehmen vor allem in den Vereinigten Staaten hohe Wachstumsraten: In Nordamerika stiegen die Umsätze in Summe um 23 Prozent. „Die Nachfrage hat sich in den Vereinigten Staaten zuletzt sehr stark entwickelt – trotz der auch dort nicht einfachen Rahmenbedingungen“, beobachtet Meyer. „Hinzu kommen allerdings auch Währungseffekte: Der Wertverlust des Euro lässt im Ausland erzielte Einnahmen bei der Umrechnung in die europäische Gemeinschaftswährung wachsen – wovon vor allem stark internationalisierte Unternehmen profitieren, die erhebliche Umsätze außerhalb des Euroraums erwirtschaften.“
In Asien wurde ein Umsatzwachstum von sieben Prozent erzielt, in Europa lag das Wachstum hingegen nur bei vier Prozent. Laut Meyer ist der hohe Internationalisierungsgrad vieler Unternehmen nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des Erfolgs der deutschen Top-Konzerne: “Weiterhin gilt, dass die deutschen Unternehmen von ihrer internationalen Aufstellung unterm Strich enorm profitieren. Rückgänge in einzelnen Märkten können durch Wachstum in anderen Ländern kompensiert werden. Die zahlreichen geopolitischen Krisen erschweren zwar das Geschäftsmodell der stark internationalisierten deutschen Konzerne. Bis auf Weiteres aber bleiben die Märkte in Übersee die Wachstumsmotoren für Deutschlands Top-Konzerne.“
Mercedes schiebt sich vor Volkswagen im Gewinnranking
Die gewinnstärksten Unternehmen waren im zweiten Quartal die Autokonzerne und der Versicherungskonzern Allianz. Dabei gab es an der Spitze des Gewinnrankings im Vergleich zum ersten Quartal dieses Jahres eine Veränderung: Vor Volkswagen mit einem operativen Gewinn von 4,5 Milliarden Euro schob sich Mercedes mit 4,6 Milliarden Euro. Auf den Rängen drei und vier konnten sich im abgelaufenen Quartal Allianz (3,5 Milliarden Euro) und BMW (3,4 Milliarden Euro) platzieren.
Den in absoluten Zahlen stärksten Gewinnanstieg verzeichnete Bayer: Der Chemie- und Pharmakonzern erhöhte den operativen Gewinn um knapp 2,5 Milliarden Euro. Das prozentual stärkste Gewinnplus erzielte Brenntag mit einem Wachstum von 113 Prozent. Das stärkste Umsatzplus erwirtschaftete hingegen die beiden Energieversorger RWE und Eon mit 120 bzw. 59 Prozent.
Bei der Beschäftigung reichte es bei den DAX-Konzernen in Summe immerhin für ein Plus von 2,1 Prozent – das allerdings auch auf Zukäufe zurückzuführen ist. Acht Unternehmen meldeten eine niedrigere Beschäftigtenzahl als im Vorjahr.
„Die Beschäftigung steigt zwar immer noch, aber wir werden vermutlich im weiteren Jahresverlauf ein Abflauen der Dynamik sehen – und das auch beim Umsatz“, sagt Henrik Ahlers. „Auch wenn viele Unternehmen zuletzt ihre optimistischen Jahresprognosen bestätigt oder sogar erhöht haben, muss man die weitere Konjunktur- und Geschäftsentwicklung doch mit einem großen Fragezeichen versehen. Die Unternehmen fahren auf Sicht und versuchen, sich für alle erdenklichen Szenarien zu wappnen. Denn selbst wenn die Lage derzeit insgesamt noch gut ist, besteht doch das ernstzunehmende Risiko eines Nachfrageeinbruchs – es geht daher in den kommenden Monaten vor allem um Versorgungssicherheit, Belastbarkeit der Lieferketten und Widerstandskraft.“