Wirtschaftserholung dürfte sich fortsetzen
Die wirtschaftliche Erholung in Deutschland dürfte sich fortsetzen, jedoch deutlich gedämpfter als im vergangenen Dezember vorausgeschätzt. Für die Jahre 2023 und 2024 erwarten die Bundesbank-Fachleute in ihren neuen Projektionen einen Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts um 2,4 beziehungsweise 1,8 Prozent.
Zugleich betonen die Expertinnen und Experten der Bundesbank, dass die Unsicherheit über die künftige Wirtschaftsentwicklung vor allem wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine außergewöhnlich hoch sei. Dem Basisszenario der Vorausschätzungen liegt die Annahme zugrunde, dass sich der Krieg und seine Folgen nicht weiter verschärfen. Die Bundesbank hat ergänzend ein alternatives Risikoszenario berechnet, das einen Abbruch der Energielieferungen aus Russland enthält. In diesem Fall könnte die wirtschaftliche Aktivität im Jahr 2023 markant zurückgehen.
Den Bundesbank-Projektionen zufolge befindet sich die deutsche Wirtschaft gegenwärtig in einem Spannungsfeld entgegengesetzt wirkender Kräfte. Ab der zweiten Jahreshälfte 2022 dürften die Auftriebskräfte durch die weitgehend entfallenen Pandemie-Schutzmaßnahmen stärker überwiegen. Auch sei zu erwarten, dass die Preise für Energierohstoffe etwas sinken, die Lieferengpässe graduell nachlassen und die Auslandsnachfrage wieder zulegt. Zugleich dürften die privaten Haushalte zumindest einen Teil der in der Corona-Pandemie aufgelaufenen Ersparnisse für den Konsum ausgeben. Zusätzliche staatliche Verteidigungsausgaben sorgten für weitere Impulse. Jedoch führe die außergewöhnlich hohe Teuerung zur Verunsicherung von Verbraucherinnen und Verbrauchern und schwäche deren Kaufkraft.
Wie es weiter heißt, bleibt der Arbeitsmarkt aufwärtsgerichtet. Allerdings lasse der Beschäftigungszuwachs nach, und die Arbeitslosigkeit sinke kaum noch. Mit Blick auf die anstehenden Lohnabschlüsse geht die Bundesbank davon aus, dass die Tarifpartner spürbar höhere Neuabschlüsse vereinbaren werden. Die kräftigen Lohnsteigerungen würden die hohe Teuerung jedoch zunächst nur teilweise ausgleichen.
Preisdruck bleibt vorerst hoch
Die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Inflationsrate dürfte gemäß den Bundesbank-Projektionen im Jahresdurchschnitt 2022 auf 7,1 Prozent zulegen. "„Die Verbraucherpreise werden in diesem Jahr noch stärker steigen als Anfang der 1980er Jahre“", sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel zu den Vorausschätzungen seiner Institution. "„Der Preisdruck hat sich zuletzt sogar nochmal verstärkt, was die jetzt vorgelegten Projektionen nicht vollständig abbilden“", betonte Nagel. "„Wenn man diese Entwicklung fortschreibt, könnte die HVPI-Rate im Jahresdurchschnitt 2022 deutlich mehr als 7 Prozent betragen.“"
Nach Einschätzung der Bundesbank-Fachleute entsteht der starke Preisdruck vor allem durch den rasanten Anstieg der Preise für Energie- und Nahrungsmittel. Aber auch die Teuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel dürfte mit etwa 3,6 Prozent weit überdurchschnittlich ausfallen. Neben stark verteuerten Rohstoffen wirkten hier vor allem Lieferengpässe preistreibend.
Ab dem kommenden Jahr dürfte die Inflationsrate in Deutschland allmählich abnehmen. Die HVPI-Rate könnte gemäß den Projektionen auf 4,5 Prozent im Jahr 2023 und 2,6 Prozent im Jahr 2024 zurückgehen. "„Der Rückgang der Inflationsraten im Euroraum wird kein Selbstläufer sein“", sagte Nagel. "„Die Geldpolitik ist aufgerufen, die Teuerung durch konsequentes Handeln zurückzuführen.“" Verglichen mit der Vorausschätzung vom Dezember 2021 wurde die Inflationsrate für alle Jahre des Projektionszeitraums nach oben revidiert.
Staatliche Defizit- und Schuldenquote sinken
Die gesamtstaatliche Defizitquote geht laut Bundesbank-Projektionen bis 2023 deutlich auf 1 ½ Prozent zurück und bleibt im Jahr 2024 etwa auf diesem Niveau. Ausschlaggebend für den Rückgang sei, dass coronabedingte Budgetbelastungen auslaufen. Zugleich bewege sich das strukturelle Defizit nach oben. So weise vor allem der Bund Defizite auf, weil er über seine Sondervermögen umfangreiche Schulden insbesondere für Verteidigung und Klimaschutz aufnimmt. Die Schuldenquote sinkt in den Projektionen ebenfalls, liegt aber im Jahr 2024 noch über 60 Prozent.