Droht die zweite Welle? Die Verunsicherung der Menschen steigt weltweit wieder
Während Regierungen auf der ganzen Welt versuchen, die Wirtschaft in ihren Ländern wieder anzukurbeln, steigt die Verunsicherung der Menschen vielerorts wieder an. Die Beteuerungen von staatlicher Seite, dass die Lockerungsmaßnahmen sicher und vertretbar seien, reichen bei vielen Bürger*innen nicht für eine Rückkehr zum normalen Leben aus. Die siebte Welle des globalen COVID-19-Barometers von Kantar in 18 Ländern zeigt diese Trends:
- - Die Besorgnis um das Infektionsgeschehen hat im Juli global wieder zugenommen. Dies betrifft vor allem die Länder, die ein Wiederaufflammen des Virus erlebt haben (in Spanien von 32 Prozent im Juni auf jetzt 44 Prozent, in den USA von 30 auf 35 Prozent, in Australien von 20 auf 26 Prozent).
- - Die Verbraucher*innen auf der ganzen Welt stehen immer weniger hinter den Lockerungen durch die Regierungen, wobei die Akzeptanz der Lockerungsmaßnahmen um neun Prozentpunkte zurückgegangen ist (von 28 Prozent im Juni auf heute 19 Prozent) und deutlich weniger eine vollständige Wiedereröffnung des Sozial- und Freizeitbereichs befürworten (von 27 Prozent im Juni auf jetzt 17 Prozent). Viele Menschen empfinden die Lockerungsmaßnahmen jetzt im Rückblick als überstürzt.
- - Die Kritik an den Regierungen nimmt weiter zu: weltweit sagen zwei von fünf Befragten, dass ihre Regierung nicht genug gegen die Pandemie unternimmt und 29 Prozent sind mit dem Vorgehen ihrer Regierung insgesamt unzufrieden. Die Ablehnung ist in den Ländern am höchsten, in denen derzeit die meisten Coronavirus-Fälle auftreten, wie zum Beispiel in den USA, wo der Anteil der Kritiker am Vorgehen der Regierung von 36 Prozent im Mai auf heute 48 Prozent gestiegen ist. Eine (zu) schnelle Öffnung ist nicht nach dem mehrheitlichen Wunsch der Bevölkerung.
- - Obwohl die Auswirkungen auf das tägliche Leben zurückgegangen sind (von 73 Prozent auf 63), beunruhigt die Menschen die Gefahr weiterer Wellen (51 Prozent) und das Verhalten anderer zutiefst. Einen Großteil der Menschen macht es wütend (68 Prozent), wenn sich andere nicht an die Regeln halten.
„Die Menschen sehen die Infektionsentwicklungen und erleben die zurückgewonnene Freiheit anders als es sich die angeschlagene Wirtschaft wünscht. Das Gefühl, es wird aktiv etwas getan, weicht der Angst von dem Unkontrollierten.“, kommentiert Joachim Bacher, Director Trends & Futures bei Kantar, die aktuelle Entwicklung.
Kurzfristige Erholung wird schwerer als angenommen
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine kurzfristige Erholung für viele Länder nur schwer zu erreichen sein wird. Die Finanzen der sind nach wie vor stark belastet, denn fast drei Viertel der Bevölkerung (73 Prozent) geben an, dass ihr Einkommen durch die Pandemie beeinträchtigt wird. Das führt dazu, dass sich die Prioritäten für viele geändert haben:
- - 64 Prozent sind der Ansicht, dass es die Situation erfordert, bei der Finanzplanung vorausschauender zu handeln.
- - Während zu Beginn der Pandemie die Menschen vorrangig aus Sicherheitsgründen lokale Geschäfte aufgesucht haben, haben sich deren Motive nun verschoben. 68 Prozent finden, Einkaufen in lokalen Geschäften wichtig für die Gemeinde; 28 Prozent wollen gezielt die lokale Wirtschaft unterstützen.
- - Die Zahl der Menschen, die beim Einkaufen besonders auf die Preise achten, ist von etwas mehr als der Hälfte (56 Prozent) im April auf heute zwei Drittel (67 Prozent) gestiegen. Die Verbraucher*innen achten zunehmend auch auf Angebote und wechseln zunehmend die Marke. Das kann an einer zu großen Anzahl an Werbeaktionen liegen. Werbungtreibende Marken sollten hierauf kommunikativ reagieren.
- - Die Ausrichtung auf persönliche Bedürfnisse nimmt zu, wie z.B. Menschen, die einem nahestehen, mehr in den Vordergrund zu rücken (30 Prozent) oder sich auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten (29 Prozent). Doch auch das Einüben umweltbewusster Verhaltensweisen bleibt als Effekt der Pandemie noch weiter prominent (21 Prozent).
Nachhaltigkeit als Chance für Unternehmen
„Trotz der Herausforderungen, denen wir uns alle stellen, sehen wir in unseren Daten einen wachsenden Wunsch nach Veränderung und Erneuerung“, bemerkt Rosie Hawkins, Chief Innovation Officer bei Kantar. „Ökologische Beweggründe und die Erwartung an Marken, positive Veränderungen herbeizuführen, waren für viele schon länger wichtig, aber wir sehen diesbezüglich einen neuen Schwerpunkt.“
Um den Aufschwung voranzutreiben, müssen Marken die richtigen Botschaften und Erlebnisse für die spezifischen Bedürfnisse der verschiedenen Krisentypen1 unter den Verbraucher*innen in der neuen Normalität vermitteln. Die von Kantar ermittelten Krisentypen der Pandemie helfen Marken dabei, effektive Strategien zu entwickeln, um mit den Verbraucher*innen in Kontakt zu treten, wobei alle sechs Krisentypen den Wunsch äußerten, Umweltprobleme zu priorisieren:
- - 22 Prozent der Verbraucher*innen weltweit denken, dass Umweltfragen entscheidender sind denn je und 51 Prozent sind der Meinung, dass sie nach wie vor wichtig sind.
- - Während 73 Prozent der „guten Bürger“ Umweltfragen jetzt besonders oder weiterhin für wichtig halten, ist das nur bei 67 Prozent der „Strauße“ der Fall.
- - Die Verringerung von Abfall sowie die Luft- und Wasserverschmutzung stehen dabei ganz oben auf der Prioritätenliste, dicht gefolgt von hochwertigen, nachhaltigen Produkten und lokaler Produktion.
- - Das Verlangen der Verbraucher*innen nach Marken als Vorbild und Wegweiser des Wandels ist über mehrere Monate hinweg stetig gestiegen, um nun mit 25 Prozent die wichtigste Erwartung der Verbraucher*innen an Marken zu sein (gegenüber 17 Prozent im April).
Joachim Bacher sieht in der Entwicklung für Unternehmen eine große Chance: „Die Nachfrage nach Marken, die als Vorbild und Wegweiser für Veränderungen dienen sollen, ist über mehrere Monate hinweg stetig gewachsen und zur wichtigsten Erwartung der Verbraucher*innen geworden. Unsere Daten zeigen trotz zunehmender Preissensibilität Chancen für Marken auf, wenn sie der Nachhaltigkeit von Produkten und der Reduzierung der Umweltbelastung Priorität einräumen.“