Fachkräftemangel hemmt Innovationsaktivitäten
Die deutsche Wirtschaft investiert weiter in Innovationen. So haben die Innovationsausgaben der hiesigen Unternehmen im Jahr 2018 um 4,1 Prozent auf 172,6 Milliarden Euro und damit im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Die Innovationsanstrengungen der Unternehmen werden aktuell jedoch von zwei großen Hemmnissen beeinträchtigt: Erstens fehlt es an geeignetem Fachpersonal. Mehr als jedes dritte Unternehmen musste im Jahr 2018 aufgrund fehlender Fachkräfte auf Innovationsaktivitäten verzichten, diese vorzeitig einstellen oder konnte sie nur mit Verzögerungen umsetzen. Das zweite große Hindernis sind fehlende interne und externe Finanzierungsquellen. Jedes vierte Unternehmen meldete zuletzt einen Mangel an internen Finanzmitteln für Innovationen, jedes fünfte findet keine geeigneten externen Geldquellen.
Zu diesen zentralen Ergebnissen kommt die aktuelle Erhebung des ZEW Mannheim zum Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die Erhebung wird seit 1993 in Zusammenarbeit mit dem Institut für Angewandte Sozialwissenschaft (infas) und dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) durchgeführt.
Anlässlich der Veröffentlichung der Innovationserhebung sagt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek: „Deutschland ist Innovationsland. Der Bericht des ZEW unterstreicht dies erneut. Die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft ist ungebrochen. Die Innovationsausgaben der Unternehmen sind 2018 weiter gestiegen, erfreulicherweise besonders stark in kleinen und mittleren Unternehmen, die das Herz unserer Wirtschaft sind. Diese Innovationskraft der Unternehmen stärken wir auch weiter. Die neu eingeführte steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung wird die Finanzierungsmöglichkeiten gerade für KMU deutlich erhöhen. Mit der Agentur für Sprunginnovationen wollen wir dafür sorgen, dass künftig bahnbrechende Erkenntnisse aus der Wissenschaft zu Produkten werden, mit denen unsere Unternehmen auf den Weltmärkten erfolgreich sind.“
„Die Ergebnisse der Innovationserhebung zeigen aber auch, dass der Fachkräftemangel eine große Herausforderung für die Unternehmen ist. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu erhalten, müssen wir sicherstellen, dass eine ausreichende Anzahl von qualifiziertem Personal zur Verfügung steht. Mit dem Aufstiegs-BAföG leisten wir dabei einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung, indem wir Fortbildungsinteressierte fördern, die sich auf einen beruflichen Aufstieg vorbereiten. Und mit dem neuen Aufstiegs-BAföG, das zum 01. August 2020 in Kraft treten soll, stärken wir beruflichen Aufstieg wie nie: mit höheren Zuschüssen, höheren Freibeträgen und einer Förderung Schritt für Schritt über die Karriereleiter bis auf Master-Niveau. Daneben baut das BMBF mit der Förderung einer Zentralen Servicestelle Berufsanerkennung das Beratungsangebot zur Gewinnung von internationalen Fachkräften weiter aus. Die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland ist eine wichtige Säule der Fachkräftestrategie der Bundesregierung“, so Karliczek weiter.
Das Fehlen von Fachkräften hemmt Innovationsaktivitäten
Mit Blick auf das Fehlen von geeigneten Fachkräften als Hemmnisfaktor für Unternehmen verzeichnet Deutschland mittlerweile einen Negativrekord: Rund 34 Prozent aller Unternehmen in Deutschland wurden dadurch in den Jahren zwischen 2016 und 2018 bei der Durchführung von Innovationsaktivitäten beeinträchtigt. Im Zeitraum von 2012 bis 2014 gaben erst 22 Prozent der Unternehmen an, dass sie durch fehlende Fachkräfte bei Innovationsvorhaben eingeschränkt wurden. In den Jahren 2004 bis 2006 lag dieser Anteil sogar bei nur zehn Prozent. Von dieser Entwicklung besonders betroffen sind die Elektroindustrie, der Maschinenbau und die IT-Dienstleistungen, aber auch weniger innovationsorientierte Branchen wie Konsumgüter- oder Metallindustrie haben zu kämpfen. „Der Engpass bei Fachkräften ist aktuell ein wichtigeres Innovationshemmnis als zu hohe Kosten oder ein zu hohes Risiko für Unternehmen“, erklärt Dr. Christian Rammer, stellvertretender Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“ sowie Projektleiter der ZEW-Innovationserhebung.
Ein weiteres deutliches Innovationshemmnis sind mangelnde interne oder externe Finanzierungsquellen für Unternehmen. Bemerkenswert dabei ist, dass die derzeitige Situation – nach einer kurzen Erholungsphase zwischen 2012 und 2014 – wieder mit dem Krisenniveau der Jahre 2008 bis 2010 vergleichbar bzw. nahezu identisch ist: Aktuell nennen 24,5 Prozent der Unternehmen den Mangel an passenden internen Finanzierungsquellen als Hemmnis für ihre Innovationsaktivitäten, 19 Prozent melden mangelnde externe Finanzierung für Ihre Innovationen.
Trotz dieser Hemmnisse sind die Ausgaben für Innovationen in der deutschen Wirtschaft im Jahr 2018 auf 172,6 Milliarden Euro und damit im Vorjahresvergleich erneut gestiegen (2017: 166,9 Milliarden Euro). „Der Zuwachs entspricht fast exakt den Planzahlen aus dem Vorjahr, als 172,5 Milliarden Euro vorgesehen waren“, sagt Christian Rammer. Für Frühjahr und Sommer 2019 haben die Unternehmen in Deutschland einen etwas schwächeren Anstieg der Innovationsausgaben um 3,6 Prozent auf 178,8 Milliarden Euro veranschlagt. Für 2020 wird mit einem moderaten Zuwachs um zwei Prozent auf 182,3 Milliarden Euro gerechnet. Bei den einzelnen Branchen haben sich die Dienstleistungen als Schrittmacher entpuppt. In diesem Sektor haben die Innovationsausgaben ungewöhnlich stark um 11,8 Prozent auf 40,5 Milliarden Euro zugelegt – eine Entwicklung, die sich mit einem weiteren Plus von sieben Prozent auf 43,4 Milliarden Euro im Jahr 2019 fortsetzen soll. Getragen wird dieser Zuwachs von den Bereichen Beratung und Werbung, technische Dienstleistungen sowie Informations- und Kommunikationsdienstleistungen.
Innovationsintensität legt weiter zu
Dagegen sind die Innovationsausgaben in der Industrie im Jahr 2018 nur leicht um 1,9 Prozent auf 132 Milliarden Euro gestiegen, wobei die Ver- und Entsorgung (plus 41 Prozent) den höchsten Anstieg zu verzeichnen hat. „Das dürfte auf die zusätzlichen Anstrengungen der Unternehmen im Zusammenhang mit der Energiewende zurückzuführen sein“, so Christian Rammer. Zuwächse zeigen sich außerdem in der sonstigen materialverarbeitenden Industrie (neun Prozent), im Maschinenbau (acht Prozent), der Elektroindustrie (fünf Prozent) und im Fahrzeugbau (vier Prozent).
Wie schon im Vorjahr haben KMU ihre Innovationsausgaben mit 5,2 Prozent verhältnismäßig stark erhöht. Großunternehmen verzeichneten einen geringeren Anstieg von 3,9 Prozent. Für die Jahre 2019 und 2020 ist allerdings mit umgekehrten Entwicklungen zu rechnen.
Der Anteil der Innovationsausgaben am Umsatz der deutschen Wirtschaft, die sogenannte „Innovationsintensität“, hat im Jahr 2018 zum vierten Mal in Folge zugelegt und mit 3,3 Prozent einen neuen Rekordwert erreicht. In der Industrie ist die Innovationsintensität mit 4,9 Prozent zwar deutlich höher als bei den Dienstleistungen mit 1,6 Prozent, allerdings konnten die Dienstleistungen einen stärkeren Zuwachs verbuchen. Nach wie vor führt 2018 die Elektroindustrie mit 11,1 Prozent das Feld mit der höchsten Innovationsintensität an, gefolgt vom Fahrzeugbau (10,1 Prozent), den technischen Dienstleistungen (8,3 Prozent), der Chemie- und Pharmaindustrie (8,2 Prozent), den Information- und Kommunikationsdienstleistungen (7,4 Prozent) sowie vom Maschinenbau (5,9 Prozent).
Der Umsatz mit Produktinnovationen, also Marktneuheiten und Nachahmungen insgesamt, lag im Jahr 2018 bei 759 Milliarden Euro, was einem Rückgang um etwa fünf Prozent verglichen mit dem Vorjahr bedeutet. Mit Marktneuheiten beziehungsweise Produktinnovationen, die so zuvor noch von keinem anderen Unternehmen im jeweiligen Absatzmarkt angeboten wurden, haben die Unternehmen 177 Milliarden Euro umgesetzt und damit 4,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Für das Jahr 2018 machte der Umsatz mit Produktinnovationen 14,4 Prozent des gesamten Umsatzes der in der Innovationserhebung erfassten Wirtschaftszweige und Größenklassen aus.
Mit dem Berichtsjahr 2018 wurde die Definition von Innovationen an den neuen internationalen Standard angepasst. Insbesondere wurden Prozessinnovationen weiter abgegrenzt als bisher und die Erfassung von Innovationen im Zusammenhang mit der Digitalisierung verbessert. „Dadurch zählen nun deutlich mehr Unternehmen zu den Innovatoren, nämlich gut 181.000“, erklärt Christian Rammer. Die sogenannte Innovatorenquote, das heißt der Anteil der Unternehmen, die neue oder verbesserte Produkte oder Prozesse eingeführt haben, liegt entsprechend der neuen Definition bei 60,5 Prozent.