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Roboter erobern die Kommunikation

Eine Prognose des ARD Job-Futuromat liegt bei 20 Prozent Automatisierung im Presse-Bereich, die BBC bezieht sich mit 90 Prozent auf Kristian Hammond.
Mynewsdesk GmbH | 25.07.2017
Die diesjährige Bachelorette Jessi hat es uns angetan: Auf RTL kämpft sie jeden Mittwoch um das Finden der wahren Liebe und prüft ihre Verehrer auf Herz und Nieren. David scheint ganz gut im Rennen zu sein. Er sticht heraus mit seinem Musiker-Image, das er prompt auf dem Klavier im TV unter Beweis stellte. Die bewegende Szene möchten wir uns noch einmal ansehen und suchen in den Videowebsiten des Internets. Dort finden wir zwar nicht das gewünschte Schauspiel, aber ein Kanal namens Star News bietet uns einen Kommentar an: „Ist David ihr Mr. Right?“ Das wollen wir natürlich wissen und klicken drauf.

Es ist eine gesprochene News, begleitet von einem Video in Bilddiashow-Format. Coole Sache, Artikel vorlesen lassen. Eine Funktion, die wir bereits von Sprachseiten oder modernen Websites vor allem von offiziellen oder staatlichen Institutionen kennen und die einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten. Die komische Aussprache aber macht uns stutzig: b ̩axəlɔʁ'ɛtɛ. Ja, wir haben es auch nicht gleich verstanden. Gemeint ist die deutsche Aussprache des Wortes Bachelorette, deshalb Lautschrift. Eine Frage, die sofort im Raum steht: Wer spricht denn da? Ein Robot? Die Recherche des Kanals bringt keine Hinweise: Kein Impressum, kein Hinweis auf einen Sender, Autor oder Redakteur. Ein kurzer Check der Videobeschreibungen verrät: Die Texte stammen z.B. von Gala, Promiflash oder vip.de, auch Focus und Spiegel sind dabei. Bis zu drei Videos werden so in einem standardisierten Layout in der Stunde veröffentlicht. „Ich bin mir sicher, dass diese Videos automatisiert erstellt und hochgeladen werden“, meint Daniel Pichel, Product Owner und SEO-Experte bei Mynewsdesk, „und ich bin nicht überrascht, dass es mittlerweile Kanäle gibt, die sich dieser Technik bedienen.“ Bislang wurde oft über das Thema Roboterjournalismus gesprochen. Gemeint waren damit meist automatisch generierte Texte. Im Gespräch erläutert Daniel, welche technischen Möglichkeiten bereits bestehen, um Texte wie auch Videos oder Storyboards maschinell zu besetzen.

Roboter verfeinern die Zielgruppenansprache

Ein Erdbeben im Jahr 2014 war das erste Ereignis, über welches der so genannte Quakebot in der Los Angeles Times berichtete. Laut slate.com habe es nur 3 Minuten gedauert, in denen der vorgeschriebene Text vom betreuenden Redakteur Ken Schwencke gelesen und mit dem Klick auf „publish“ veröffentlicht wurde. Mittlerweile wird auch in zahlreichen deutschen Medien auf computergenerierte Texte zurückgegriffen. Laut Deutschem Journalistenverband produziert das StartUp ContentFleet aus Hamburg z.B. monatlich über 15.000 Artikel für Verlage wie Axel Springer, aber auch für große Unternehmen wie Coca Cola. Big Data lautet das Zauberwort, denn Maschinen können leisten, was das menschliche Gehirn oft nicht mehr kann: Übergroße Zahlen sammeln, vergleichen und mit einem Tastendruck in Visualisierungen verwandeln. So nutzte beispielsweise das französische Politik-Medium Le Monde bereits computergestützte Verfahren für die Wahlberichterstattung, andere nutzen die Datenbankredaktion für Geschäftsberichte.

Ein Algorithmus kann auf eine bestimmte Funktion erstellt und trainiert werden. So ist es möglich, dass z.B. Texte von Nachrichtenseiten inklusive Bilder gesourct und in ein YouTube-Video umgewandelt werden und ein automatisierter Kanal wie Star News ent- und besteht. Die Nutzer klagen in den Kommentaren zwar über die schlechte Tonqualität der Roboterstimme, die laut einem Nutzer wie ein Navigationsgerät klingt. Dennoch generiert der Kanal je nach Thema beachtliche Klickzahlen von mal 218.000 Views, mal 66.000 Views.

„Roboter versuchen, möglichst nah an die Wünsche der Zielgruppe zu kommen. Das kennt jeder beispielsweise von personalisierten Newsfeeds auf Facebook: Die Maschine priorisiert Beiträge, die dem Nutzer besonders gut gefallen oder deren Zustimmung besonders hoch ist, z.B. die Meinung der engen Freunde. Damit wird eine Blase geschaffen, in der die eigene Meinung gefestigt oder bekräftigt wird. Manche bekommen gar nicht mehr mit, dass neben der eigenen Ansicht noch andere existieren. Das kann bei politischer Meinungsbildung kritisch sein“, so Daniel. Der Hintergrund: auch Roboter versuchen, das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen. Ein so genannter A/B – Test mache es beispielsweise möglich, dass ein Computer Videoschnitte oder Bilder derselben Szene aus unterschiedlichen Perspektiven zusammenstellt, dem Nutzer präsentiert und sich schließlich für jene entscheidet, die bei der Community am besten ankommt.

No robots, no gain?

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es so, dass vor allem in englischer Sprache bereits sehr hochwertig geschriebene Texte maschinell produziert werden. Die deutsche Sprache ist etwas schwieriger. Natürlich geschriebene Texte haben zur Folge, dass Roboterjournalismus und Menschenjournalismus immer weniger unterschieden werden können. Die New York Times hat einmal ein paar Beispiele gesammelt.

Roboter selektieren also auf ihre jeweils eigene Art und Weise Informationen, die Menschen konsumieren. Zum Beispiel durch den Facebook Newsfeed oder den Google Algorithmus, der die Suchtreffer rankt. "Nun produzieren Roboter Inhalte, wie Texte oder Videos (siehe Beispiel oben) welche wiederum von Robotern gelesen und gerankt werden. Ein ewiger Kreislauf, der gefährlich werden kann. Denn Roboter sind bereits jetzt nicht mehr nur in der Lage, Ergebnisse in Newsfeed und Suchranking zu personalisieren, sondern Inhalte auch an individuelle Anforderungen zu adaptieren. Auf diese Weise können Roboter auf die Meinungsbildung potentiell Einfluss nehmen", so Daniel. BBC beruft sich auf den Wissenschaftler Kristian Hammond, der prognostiziert, dass in etwa 15 Jahren 90% der Nachrichten von Robotern geschrieben würden.

Die Rolle des Kommunikators

Natürlich können Algorithmen trainiert werden. Google zum Beispiel versucht die Ergebnisse so zu ranken, wie es für Menschen logisch ist. Die Rolle des Menschen, so unser Product Owner, werde dadurch nicht geschmälert: „Dieser Hang zur Homophilie, also die Gefahr, sich in einer Blase zu bewegen, die von einem Algorithmus bestimmt wird und den wir immer kontrollieren und hinterfragen müssen, ist zwar da. Aber darin liegt auch die Aufgabe von Berufskommunikatoren.“ Menschen hätten einen entscheidenden Vorteil gegenüber Maschinen: „Menschen haben eine Überzeugung“, so Daniel, „Keine Maschine kann ersetzen, was ein Mensch aus echter Überzeugung kommuniziert.“ Dazu gehörten beispielsweise auch die Überzeugung für ethische Standards bei der Erstellung von Content und der Nutzung von Technologien. Eine ernsthafte Konkurrenz seien Roboter nicht zwangsläufig, so Daniel: "Ich denke jedoch, es ist gut, dass es diese gibt, da dies wiederum dazu anregt, die Qualitätsstandards beim Erstellen von Inhalten aufrecht zu erhalten oder gar anzuheben.“ Denn die Robot-Konkurrenz stelle Kommunikatoren vor die Herausforderungen, ihren Job sehr ernst zu nehmen und ihre Kommunikation von dem Algorithmus abzuheben. Eine Prognose des ARD Job-Futuromat für Public Relations Manager sagt übrigens, dass 20% der Tätigkeiten zum heutigen Zeitpunkt ersetzt werden können und proklamiert damit einen niedrigen Automatisierungsgrad.