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„Werbung besser machen!“

Eye-Tracking, Blickmessung, Gehirnforschung ... Dialogmarketing-Profi Claus Mayer verrät, wie man Werbung messbar und dann besser machen kann.
Texterclub | 05.08.2014
Viel Geld und Zeit steckt häufig in der Konzeption von Werbemitteln. Und dann funktioniert die Werbung nicht wie geplant. In diesem Fall kann Eye-Tracking helfen. Denn so wird sofort klar, welche Bilder, Headlines, Texte den Leserblick auf sich ziehen und welche nicht. Wie man Werbung messbar und dann besser machen kann, das verrät Dialogmarketing-Profi Claus Mayer in diesem Beitrag – einem Experten-Interview rund um Gehirnforschung, Eye-Tracking und das neue Texterclub-Seminar „Werbung besser machen!“.

Herr Mayer, warum macht es Sinn, das Thema „Werbung“ über die Gehirnforschung anzupacken?

CM: Gehirnforscher haben in den letzten 15 Jahren Bahnbrechendes veröffentlicht: Nämlich Erkenntnisse, wie werbliche Kommunikation wirklich abläuft. Das heißt vom Bemerken eines Stimulus – zum Beispiel einer Anzeige, eines Mail-Umschlages, eines Plakates – über das Wahrnehmen einzelner Inhalte bis zur Entscheidung: Ja oder Nein – dafür oder dagegen. Und dies geschieht, den Erkenntnissen der Forscher nach, dramatisch anders als das bisher vermutet und als Basis werblicher Kommunikation für die Umsetzung angewendet wurde.

Dabei sind insbesondere drei Erkenntnisse von großer Bedeutung für die textliche und gestalterische Umsetzung:

Erstens: Die Beschäftigungszeiten, die vom Gehirn für das Andocken an die Werbung sozusagen „bereitgestellt“ werden, sind extrem kurz: Sie liegen im Millisekunden-Bereich bis max. ca. 2 Sekunden, ehe das Gehirn „abschaltet“ und sich anderen, interessanteren Wahrnehmungen zuwendet. Oder, im positiven Fall, sich eben weiter mit dem Stimulus beschäftigt.

Zweitens: Dieser Andock- und Wahrnehmungs-Prozess wird unbewusst – fachlich: implizit – gesteuert, also von der Person nicht bemerkt. Wie dieser Prozess abläuft, bestimmen deshalb nicht nur vom Gehirn des Lesers unbewusst zugespielte Faktoren wie Wissen, Erfahrung, Einstellungen, sondern sehr wesentlich auch, wie der Stimulus dargeboten wird. Und dafür sind, schlicht gesagt, Text und Gestaltung verantwortlich. Im Prinzip natürlich auch weitere Einflüsse auf die Sensoren, soweit eben eingesetzt: Geräusche/Töne, Gerüche, Berührungen, Geschmack, sogar Temperaturen.

Drittens: Die Neuro-Wissenschaft hat herausgefunden, mit welchen kommunikativen bzw. werblichen Mitteln man besonders gut und schnell Zugang zum unbewussten Teil des Gehirns hat. Das sind vor allem emotionale Stimuli, die über Sprache, Geschichten, Symbole und die Sinne das Belohnungs-System, die Grundmotive – Sicherheit, Erregung, Autonomie – ansprechen. Auch darüber wird im Seminar kurz zu reden sein.

Inwiefern lässt sich Werbung „messen“? Wie wird das im Seminar umgesetzt?

CM: Lange bevor die Gehirnforschung dieses neue Wissen vor uns ausgebreitet hat, habe ich bereits seit 1985 mit Beobachtungen des Blickverlaufs beim Betrachten von Werbung – heute nennt man das „Eye-Tracking“ – festgehalten, was die Leser oder Zuschauer vorrangig anschauen. Und das waren oft ganz andere Details als die Werber vorgesehen hatten bzw. im Fokus des Betrachters haben wollten.

Aus diesen Erfahrungen, von damals bis heute in meinem Augenkamera-Labor, leiten sich Praxis-Regeln ab und sind wesentlicher Bestandteil des Seminars – inklusive Demos von Eye-Tracking-Aufnahmen.

Um welche unterschiedlichen Elemente und Werbemittel wird es im Seminar gehen?

CM: Ich bespreche zunächst all jene Elemente, die nach den Erfahrungen in der impliziten Aufnahme-Phase entscheidend die weitere Beschäftigung beeinflussen und prägen: Marke/ Logo/Slogan, Hauptbild (Key-Visual) oder Produkt, Headline(s)/Haupt-Textzeile(n). Denn wenn durch diese Elemente keine „Stopping-Power“ ausgelöst wird, keine schnelle Aufnahme und das Verstehen in der kurzen Zeit sichergestellt sind, kann man den Rest der angebotenen Informationen getrost vergessen.

Die irrige Annahme, dass den Leser alles interessiert, was dargeboten wird, „gehört auf den Müll“ – wie es ein bekannter Gehirnforscher ausdrückt. Im Seminar werden Werbemittel mit Beispielen demonstriert: Anzeigen, Beilagen/Prospekte, Mailings, Websites. Und dabei die wichtigsten Elemente sowie Bild-Wirkung, Typografie, Flächen-Aufteilung besprochen.

Was ist der konkrete Nutzen für die Teilnehmer des Seminars?

CM: Die eigene Anwendung der Praxis-Regeln, um Werbung besser zu machen. Im End-effekt auch verbesserte Ergebnisse, wenn sie korrekt gemessen und verglichen werden. Für Teilnehmer des zweiten Tages ist die Umsetzung der Regeln in der Praxis natürlich sofort an den eigenen Werbemitteln möglich. Allerdings weder texten noch gestalten wir im Seminar. Es geht immer darum, die entscheidenden Elemente in der richtigen Form, mit dem richtigen Inhalt, am richtigen Ort zu platzieren.

Was meinen Sie: Müssen bei der Konzeption von Werbemitteln noch mehr Zeit und Mittel darauf verwendet werden, Aspekte der Hirnforschung zu berücksichtigen?

CM: Da es sich bei den eingangs angesprochenen Erkenntnissen um Wissenschaftliches handelt, das zwar in Büchern publiziert wird, aber eben nicht leicht zu konsumieren ist, sind diese Erkenntnisse noch weit davon entfernt, zu „Jedermanns“ Handwerkszeug zu gehören: Gemeint sind hier Marketing- und Werbeleute, Konzeptionisten, Texter, Grafiker, Online-Gestalter. Im Gegenteil: Es scheint vielen Jeder-Männern und -Frauen schwer zu fallen, sich von überholten Regeln und Mustern zu trennen.

Wer über Gehirnforschung und Blickmessung Bescheid weiß, ist klar im Vorteil. Wird das noch unterschätzt?


CM: Ja, ganz klar! Aber die Bereitschaft, dieses wahrlich neue Wissen aufzunehmen, hält sich, wie gesagt, in Grenzen. Man muss nur beobachten, wer sich als Publikum zum Beispiel auf neurowissenschaftlichen Veranstaltungen tummelt: Wissenschaftler! Aber nur einige Agentur- und Marketing-Leute. Praktiker, wie oben erwähnt, sind meist Fehlanzeige!

Welche Herausforderungen stellen speziell die digitalen Medien? Welche wesentlichen Unterschiede in der Wahrnehmung gibt es zwischen Print- und Digitalmedien?

CM: Das Gehirn des Menschen und die Aufnahme-Abläufe sind nicht anders, nur weil dem Gehirn Informationen digital angeboten werden. Es gibt aber – je nach Altersgruppe – erhebliche zusätzliche Hürden fürs Andocken, Aufnehmen und Verarbeiten. Zum Beispiel eine um ca. 25 Prozent reduzierte Lesegeschwindigkeit. Dann die kleinformatigen Informations-Flächen der mobilen Geräte. Und Orientierungs- und Bedienungs-Erschwernisse. Schließlich fehlt online auch die langjährige Erfahrung, die man mit Offline-Werbung hat.


Übrigens: Mehr zum Thema Blickmessung und Werbemittel-Optimierung gibt’s im Seminar „Werbung besser machen!“.


Claus Mayer hat in über 30 Jahren leitender Tätigkeit in großen deutschen Dialog-Agenturen als verantwortlicher Konzeptionist u.a. über 1000 Dialog-Maßnahmen selbst ausgeführt. Zu diesem Erfahrungs-Potenzial kommt eine intensive Beschäftigung mit neuro-wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie mit Forschungs-Ergebnissen zur Wahrnehmung von Text und Bild in der Kommunikation. Auch umfangreiche Erfahrungen seit 1985 mit der Augenkamera/Blick-verlaufs-Registrierung (Eye-Tracking), und seit 2004 im TestLab der gkk DialogGroup GmbH Frankfurt, fließen in seine Seminare ein. Claus Mayer wurde für seine Verdienste 2011 in die Hall of Fame des Dialogmarketings aufgenommen.