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‚Vergiftete‘ Unternehmen sterben aus

Teil 2 einer Serie zum Thema Unternehmenskultur
Anne M. Schüller | 02.03.2009
Für kundennahe Mitarbeiter ist es besonders wichtig, in einem ‚lachenden‘ Unternehmen zu arbeiten, denn sie tragen die Unternehmenskultur zu Markte. Sie geben ihrer Firma eine Stimme und ein Gesicht - und prägen hiermit das Image beim Kunden. Es ist also unabdingbar, bereits im Einstellungsgespräch gezielt Ausschau nach Optimisten zu halten - und nicht nur das Können, sondern auch das Wollen abzuklopfen. Wo zwar Können aber kein Wollen ist, entsteht allenfalls Mittelmaß. Nur: Mittelmäßigkeit ist ebenso wie eine ‚vergiftete‘ Unternehmenskultur vom Aussterben bedroht.

In ‚vergifteten‘ Organisationen (ein Begriff, den Daniel Goleman geprägt hat) werden in großem Stil menschliche Ressourcen und Talente verschwendet! Dort herrschen Intrigen und Machtkämpfe, da toben Neid und Missgunst. Mitarbeiter, die diese destruktiven Spiele durchschauen oder selbst zum Spielball werden, sind emotional stark belastet und jeder Motivation beraubt. Wem es schlecht geht, der denkt und handelt langsamer und ist für vieles blockiert. Dies führt zwangsläufig zu Misstrauen und Leistungsabfall, zu Unfreundlichkeiten und häufigen Fehlern, zu angepasster Mittelmäßigkeit, zu lähmender Angst, zu Frust und Fluktuation. "Wenn wir Angst haben, raschelt es überall", befand schon der weise Sophokles.

Angst ist der größte Erfolgskiller

Angst, Neid und Misstrauen sind die größten Feinde einer Erfolgskultur. Sie sind vor allem dort verbreitet, wo ein starkes Konkurrenzdenken kultiviert wird. Das Jeder-gegen-Jeden-Prinzip produziert zwar möglicherweise imposante Einzelerfolge, entmutigt aber die Masse der Mitspieler. Unternehmerische Topleistungen sind heutzutage ja meist komplexe, informell vernetzte Teamleistungen, wobei jeder sein Bestes nur dann gibt, wenn der gemeinsame Erfolg gefördert, gelobt, belohnt und gefeiert wird.

In vergifteten Unternehmen hingegen wird die Mitarbeiter-Energie in aggressive Bahnen fehlgeleitet: Hinterhältigkeiten, Boykott von Anweisungen, Verhinderung von Wandel. Egoistische Ziele werden verfolgt. Jeder misstraut Jedem. Man ist vor allem mit sich selbst beschäftigt, für den Kunden ist da weder Platz noch Zeit. Der Fokus ist nach innen und oben gerichtet. So verbringen in manchen Unternehmen Mitarbeiter bis zu einer Stunde pro Arbeitstag damit, gemeinsam über ihren Chef herzuziehen. Und der Chef bekommt nichts davon mit, weil ihm seine Leute heile Welt vorspielen (müssen).

Herrscht eine schlechte Stimmung, wird selten eine gute Dienstleistung daraus. Mitarbeiter sind ja keine Zauberer. Es ist schier unmöglich, eine negative Stimmung im Unternehmen in eine gute Stimmung beim Kunden zu verwandeln! Wo die Mitarbeiter verkümmern, werden kaum Kunden sein. Denn dicke Luft kann man spüren! Wo man sich unwohl fühlt, da geht man nie wieder hin, da kauft man nichts! So kommt dann langsam, aber sicher eine Todesspirale in Gang – ein Vergiftungsprozess im wahrsten Sinne des Wortes!

Je größer eine Organisation, desto größer ist auch die Gefahr, zu einem vergifteten Unternehmen zu werden. Da schauen selbst Personalverantwortliche tatenlos zu, wie Rabauken in den Chef-Etagen Kotzbrocken spielen und ihrem Machttrieb frönen. Denn letztlich geht es ja auch um ihren eigenen Kopf. Traditionelle Konzerne mit starker Hierarchiedenke, zentralistischen Strukturen und/oder einem industriellen Hintergrund sind hiervon am meisten betroffen. Sie werden, wenn sie die Kurve nicht kriegen, wie einst die Dinosaurier wohl von der Bühne verschwinden.

Kreativität kann nur in heiteren Hirnen entstehen

Kreativität ist die Schlüsselressource der Zukunft. Kopfarbeiter stehen im Zentrum der voranschreitenden Wissensökonomie. Doch nur in einem angst- und bedrohungsfreien Klima können neue Ideen entwickelt und neue Wege beschritten werden. Angst produziert keine besseren Leistungen, sondern Starre. Und Konformität. Wo Angst regiert, sinken die Überlebenschancen am Markt. In solchermaßen 'vergifteten' Unternehmen herrscht eine beklemmende Atmosphäre mit strengen Vorschriften und scharfen Kontrollen, mit bohrenden Fragen und beißender Kritik. Da werden zum Beispiel Außendienstler per GPS überwacht. So werden Menschen gekränkt und erniedrigt. Kränkungen, das Wort sagt es deutlich, machen krank – physisch und psychisch.

Wer harsch diktiert, produziert initiativfreie Befehlsempfänger, die auf Sparflamme arbeiten, verschlossen sind und ihre Fehler vertuschen. Dort steckt alles im Panzer von Standards und Normen. Nur leider: In engen Köpfen können keine weiten Gedanken entstehen. Die Folge: Ideenlosigkeit, lähmende Bürokratie, ängstliche Führungskräfte und verängstigte Mitarbeiter. Und Kunden, die schnellstens wieder das Weite suchen. Weil in vergifteten Unternehmen keine großen Würfe gelingen können.

Das Denken gegen die Regel gehört zu den entscheidendsten Erfolgsfaktoren, um sich vom Einheitsbrei des Mittelmaßes abzuheben. Denn es ist reine Zeitverschwendung mittelmäßig zu sein. Mittelmäßigkeit ist vom Aussterben bedroht. Aber wie bitte soll Außergewöhnliches, Einzigartiges entstehen, wenn stromlinienförmige, nach einer scheinbaren Idealform geklonte Mitarbeiter ein Unternehmen bevölkern? So züchtet sich das Topmanagement Kadaver-Gehorsam, Wendehälse und eine maultote Meute von Mitläufern.

Innovative Höchstleistungen können nur in Möglichkeitsräumen entstehen. Und Kreativität braucht Spielwiesen. Unter Druck werden höchstens Allerweltslösungen erzeugt. Spielerisch gehen wir komplexe Problemstellungen auf unkonventionelle und innovative Weise an. Eine freudige Stimmung des Zulassens beflügelt kreative Denkprozesse. Unsere Intuition erwacht und Querdenk-Potenzial wird aktiviert, um mutig neue Wege zu gehen - und damit Zukunftssicherung zu betreiben.

Gute Stimmung als Wirtschaftsfaktor

Natürlich muss man im jedem Unternehmen an einer ganzen Menge Schrauben drehen, um schließlich erfolgreich zu sein. Auf Basis einer lachenden Unternehmenskultur funktioniert dies sicher ganz besonders gut. Gute Stimmung fördert die Gesamtproduktivität, die Innovationskraft und den Leistungswillen der Mitarbeiter. Die Krankheitstage sinken und die Fehlerhäufigkeit lässt nach. Die Mitarbeiter bleiben dem Betrieb länger treu, so dass weniger Kosten für die Suche und Einarbeitung der 'Neuen' entstehen. Das Wissen bleibt im Unternehmen, Know-how-Schwund findet nicht statt. Und schließlich machen begeisterte Mitarbeiter positive Mundpropaganda. Das stärkt den guten Ruf einer Firma. Und zeigt Stolz auf Resultate. Weil Kunden all das zu schätzen wissen, kommen sie gerne wieder. Dies wiederum gibt dem Unternehmen ‚was zu lachen‘. Eine Ping-Pong-Erfolgsspirale, die sich immer weiter nach oben dreht.

Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Untersuchungen, die zeigen, dass Geschäftserfolg und eine positive Unternehmenskultur korrelieren. So hat der US-Wirtschaftswissenschaftler Alex Edmans untersucht, wie sich der Aktienkurs börsennotierter Unternehmen entwickelt hat, die seit 1998 in der Forbes-Top-100-Liste auftauchten. Das Ergebnis: Die Aktienkurse der mitarbeiterfreundlichen Unternehmen entwickelten sich bis Ende 2005 mit einem Gewinn von 14 Prozent pro Jahr mehr als doppelt so gut wie die breiten Aktienindizes.

Das sollte die Finanzwelt aufhorchen lassen: Aktien von Unternehmen, deren Beschäftigte außerordentlich zufrieden sind, sind ein Kauf. Dies war besonders signifikant bei Google, 2007 auf der Forbes-Liste der 100 US-Unternehmen mit den besten Arbeitsbedingungen auf Platz eins. Und in Deutschland wurde Google Anfang 2009 von den Verbrauchern, wie die Best Brands Studie der GfK ermittelte, zur besten Unternehmensmarke gewählt.

Das Buch zum Thema wurde ausgezeichnet mit dem schweizerischen Wirtschaftsbuchpreis 2008.

Anne M. Schüller
Kundennähe in der Chefetage
Wie Sie Mitarbeiter kundenfokussiert führen
Orell Füssli, Zürich 2008, 26,50 Euro / 44.00 CHF
255 Seiten, ISBN: 978-3-280-05282-2

www.kundenfokussierte-unternehmensfuehrung.com

Hier bestellen: http://www.anneschueller.de/rw_e13v/main.asp?WebID=schueller3&PageID=122


Die Autorin

Anne M. Schüller ist Management-Consultant und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre lang hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener internationaler Dienstleistungsbranchen gearbeitet und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin und achtfache Buchautorin zählt zu den besten Keynote-Rednern im deutschsprachigen Raum. Sie arbeitet auch als Business-Trainerin und lehrt an mehreren Hochschulen. Sie gehört zum Kreis der ‚Excellent-Speakers‘. Zu ihren Kunden zählt die Elite der deutschen, schweizerischen und österreichischen Wirtschaft. Kontakt: www.anneschueller.de