Telesales : Alles zum Wohle des Kunden – oder doch nicht?
Sie haben hier einen Auszug des kostenlosen eBooks „Erfolgreiches Callcenter 2010“ vorliegen.
„Das einzige was stört, ist der Kunde“. Mit diesem Buchtitel provozierte Edgar K. Geffroy bereits Ende 1998. Und nicht nur im Kundenservice haben viele Menschen immer noch das Gefühl, dass Sie irgendwie nicht gelegen kommen, wenn Sie eine Frage oder ein Problem haben. Sei es die immer noch verbreitete und kostenpflichtige Dauerwarteschleife, die Technik, die nicht funktioniert oder der Mitarbeiter, der eben nur so viel Motivation und Freundlichkeit an den Tag legt, wie sein magerer Stundenlohn es ihm erlaubt. Und dafür soll er nicht nur das Problem lösen, sondern auch noch Verständnis für den Kunden aufbringen. Viel verlangt! Im Verkauf sieht es nicht wesentlich besser aus. Die freundlichen Drückerkolonnen, die bis vor einem Jahr noch das Massengeschäft mit dem Privatkunden abtelefoniert haben, werden oft mal eben auf B2B „umgeswitcht“. Statt der genervten Hausfrau haben Sie nun den gestressten Geschäftsführer am Apparat. Die Gesprächsleitfäden wurden umgeschrieben und auf Entscheider „getrimmt“. Vielleicht denken Sie gerade, dass diese Darstellung doch stark übertrieben ist und das es doch viele Ausnahmen gibt, die das Gegenteil beweisen. Richtig, es gibt sie, die Ausnahmen. Aber sollten diese Ausnahmen nicht die Regel sein? Wann schützt der Staat nicht mehr nur die Verbraucher, sondern auch die verantwortlichen in der Wirtschaft? Schauen Sie doch noch einmal kurz auf die Überschrift dieses Beitrages. Und dann denken Sie an die Outboundgespräche, die Sie in Ihrem Call-Center durchführen oder die Sie als Führungskraft im Beruf erhalten. Wohin geht die Reise? Ein kleines Beispiel: Zu Beginn des Jahres rief ich etwa 50 Call-Center-Dienstleister an. Mit dem Ziel, die Geschäftsführer oder Verantwortlichen aus dem Outbound für einen Workshop zu gewinnen. Auch wenn ich viele Durchwahlen der Ansprechpartner besaß, wollte ich herausfinden, wie ich als „Kaltakquisiteur“ behandelt werden würde. Das Ergebnis: in über der Hälfte der Fälle teilte man mir mit, dass ich nicht weiter verbunden werde, wenn ich etwas verkaufen möchte. Ich solle die Informationen bitte an eine „info@-Adresse“ schicken. Bei Bedarf würde man sich bei mir melden. Wenn sich niemand melden würde, dann bestünde auch kein Interesse. Wie führen, motivieren und unterstützen die Führungskräfte dieser Unternehmen ihrer eigenen Mitarbeiter, wenn es um den Erfolg im Telefonverkauf oder der Terminvereinbarung geht? Wie „nah“ sind diese Führungskräfte dran am harten Tagesgeschäft, das ihre eigenen Mitarbeiter jeden Tag bewältigen müssen? „Walk your Talk“ fällt mir dazu nur ein. Denn genau diese Unternehmen sind es, die Ihre Dienstleistungen im Outbound blumig und professionell nach außen bewerben. Und am Ende des Tages regelmäßig mit ihren Mitarbeitern die schlechten Abschlussquoten mit der anscheinend mangelhaften Adressqualität oder der Erreichbarkeit entschuldigen. Wer heute, „bewaffnet“ mit einer „Ich-möchte-ihnen-da-mal-etwas-vorstellen-Strategie“ und 34 Nutzenargumenten in den Outbound-Call startet, hat es bereits schwer. In Zukunft werden noch mehr Entscheider das Recht für sich in Anspruch nehmen, solche Gespräche früh mit der Aussage: „Daran haben wir kein Bedarf“ zu beenden. Um das zu vermeiden, heißt es, Augenhöhe aufbauen, Individualität und Kreativität in den Mittelpunkt zu stellen und damit auch wieder der Kunden oder den, den man als Kunden gerne gewinnen möchte. Das kostet auch Zeit, aber wir wissen alle, dass das Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht. Besonders im mittelständischen Bereich ist die Erwartungshaltung an Geschäftspartner sehr hoch. Jede Information, die dem Angerufenen zeigt, dass man über ihn, sein Geschäft oder seine Branche informiert ist, öffnet die Tür ein Stück. Jede Frage, die signalisiert, dass man wirklich interessiert ist, die zum Verstehen beiträgt, ein weiteres Stück. Wie peinlich ist es, im Zeitalter von Web 2.0, wenn ein Callcenter-Mitarbeiter (aus der Kommunikationsbranche!) zu Beginn des Gespräches fragen muss, was denn „das Unternehmen so macht“. Nach zwei Minuten Recherche bei Google oder auf der Homepage ist man in der Lage, ein Gespräch so zu eröffnen, das man sich vom 0/8/15-Standard abheben kann und Aufmerksamkeit erhält. Das Wertvollste, was man heute im Verkauf erhalten kann – Aufmerksamkeit. Man muss nur die Wechselwirkung beachten. Denn Aufmerksamkeit erhält der eher, der sie zuerst schenkt. Mit der Methode „Hallo hier komme ich“ gelingt dies weniger. Hat man dann einmal einen Entscheider erreicht und stellt im Gespräch fest, dass man die Entscheidung noch einmal vertagen muss, dann tritt ein weiteres Call-Center-Phänomen in Kraft: die Wiedervorlage. Wie oft kommt es vor, dass ein anderer Mitarbeiter zurückruft, der dem Gesprächspartner nun noch einmal genau dieselben Fragen stellt und Informationen gibt, wie der Mitarbeiter vorher. Was soll er auch anderes tun? Trotz gigantischer Möglichkeiten des CRM-Systems steht im Bemerkungsfeld nur: „Habe dem Kunden das Produkt vorgestellt, er war noch nicht so richtig begeistert“. Für den Kollegen besitzt dies denselben Informationsgehalt wie: „Als ich anrief schien die Sonne und ich hatte Durst“. Der Kunde leidet ein zweites Mal. Warum in aller Welt soll er jetzt noch einmal alles erzählen, nur weil das Wiedervorlagensystem nicht optimal ist oder Mitarbeiter nicht in der Lage sind, die wichtigsten Informationen verantwortungsbewusst einzutragen? Auch hier ist es schwer zu glauben, dass der Kunde wirklich im Mittelpunkt steht. Erst neulich hatte ich einen Telesales-Mitarbeiter am Apparat, dessen Schichtzeiten leider nicht mit meinen Vorschlägen korrespondierten. Auch hier gilt: Bitte richten Sie sich nach unserer Personaleinsatzplanung lieber Kunde. Wenn Sie unbedingt noch einmal mit demselben Mitarbeiter sprechen wollen, dann nur, wenn es uns passt. Wenn nicht, dann sprechen Sie halt mit einem anderen Mitarbeiter, der zu diesem Zeitpunkt gerade frei ist. Was im Privatkundengeschäft geht und eventuell sogar vom Kunden mit Verständnis quittiert wird, das geht im B2B nicht. Wer nicht professionell und auf Augenhöhe auftritt, der darf nicht mitspielen. Fatal dabei ist, dass diese Dienstleister im Namen ihrer Auftraggeber anrufen, auf die diese Wahrnehmung des Kunden dann zurückfällt. In Zeiten von Social Media ist es heute Gang und Gäbe, dass unbefriedigende Service-Erlebnisse schnell „die Runde machen“. In Zahlen ausgedrückt können das innerhalb weniger Stunden mehrere tausend Menschen sein. Und das gilt neuerdings auch für schlechte „Verkaufsgespräche“.
Da heißt es bei Twitter oder Facebook mal schnell: „Eben hat die Firma xy bei mir angerufen, die wollten mir was verkaufen, das muss ich erzählen…“. Es war nur nicht die Firma, sondern ein Call-Center-Mitarbeiter, der zudem noch Unterstützung von seinem Teamleiter erhält, dass der Kunde ja sehr unkooperativ war. Rational und rechtlich sind diese Gespräche vielleicht o.k, emotional nicht. Weder für den Mitarbeiter noch für den Angerufenen. Gut, wenn beide das Gespräch schnell vergessen und zum Tagesgeschäft übergehen. Weniger gut, wenn ein „Geschmäckle“ bleibt, an das sich der Gesprächspartner erinnert. Spätestens beim nächsten, „turnusmäßigen“ Anruf. Was ist also zu tun, um in Zukunft wirklich professionelle Gespräche im Outbound B2B durchzuführen?
16.1 Kundenorientierung
Im Mittelpunkt steht der Kunde oder derjenige, den Sie als Kunden gewinnen möchten. Schnelle Geschäft sind heute auch im B2B schnell gemacht und es gibt auch viele Entscheider, die dem Termin mit dem Außendienstmitarbeiter zustimmen, ohne wirklich interessiert zu sein. Und ohne dass dies der Mitarbeiter am Telefon merkt. Kundenorientierung heißt auch, einen Abschluss oder einen Termin bewusst nicht zu machen oder den Termin nicht zu forcieren. Spätestens dann, wenn man die Fakten oder das Gefühl hat, dass dies für beide Seiten nichts bringen wird. Kundenorientierung bedeutet, dem Kunden nicht die Zeit zu stehlen, sei es durch allgemeine Behauptungen und Fakten aus der „Info-Dusche“ oder unvorbereitete Gespräche. Das erste, was der Angerufene spürt, ist, ob Sie sich wirklich für ihn interessieren oder nicht. Die Auseinandersetzung mit dem Produkt, der Dienstleistung oder dem Termin erfolgt erst im zweiten Schritt.
16.2 Augenhöhe
„Bitte kaufen Sie doch mein Produkt, ich habe mich doch so sehr bemüht“. Diesen Satz brachte ein Teilnehmer von mir sehr scherzhaft und mit Augenzwinkern im Gespräch. Viele Telefonverkäufer vermitteln diese Botschaft allerdings unbewusst am Telefon. Indem Sie ein Argument nach dem anderen bringen und auf diese Art und Weise „überzeugen“ wollen und sich festbeißen. Augenhöhe, das heißt, sich auf eine partnerschaftliche Ebene mit dem Kunden zu begeben. Weder der „Besserwisser“, noch der „Bittsteller“ hinterlassen einen Eindruck, der den Gesprächspartner motiviert, über ein Angebot nachzudenken. Augenhöhe bedeutet auch, kritisch mit den Argumenten des Kunden umzugehen und die eigene Position vertreten zu wollen und dies auch zu können. Immer unter dem Aspekt der Wertschätzung.
16.3 Professionalität
Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Fachkompetenz. Das verstehen Entscheider im B2B, wenn Sie über Professionalität sprechen. Aus Kundensicht heißt das: Ein Verkäufer am Telefon muss seine Versprechungen und Ankündigungen einhalten, das was er sagt muss der Wahrheit entsprechen und er muss Ahnung von dem haben, worüber er spricht. Wer sich als Geschäftsführer einen Telefontermin mit einem Verkäufer in den Kalender einträgt und sich Zeit dafür nimmt, der darf nicht vergebens auf diesen Anruf warten.
16.4 Denken über den Tellerrand
Kunden möchten vielleicht nicht immer, dass man für sie denkt, aber das der Verkäufer mitdenkt. Ein Angebot, was den reinen Bedarf in der Gegenwart berücksichtigt, ist ein durchschnittliches Angebot. Optimal ist ein Angebot, welches auch die Vergangenheit mit berücksichtigt und ein Stück weit in die Zukunft blickt. Macht der Termin, den ich heute abschließen kann vielleicht mehr Sinn, wenn noch eine andere Person anwesend ist, ich den Termin dann aber heute noch nicht vereinbaren kann? Sollte ich den Kunden, der betont hat, dass sein Budget knapp ist, nicht doch von der größeren Lösung überzeugen, weil er erfahrungsgemäß mit der günstigeren Lösung schnell an seine Grenzen stoßen wird? Das sind Fragen, die zeigen, dass ein Verkäufer mitdenkt, für sich und den Kunden.
16.5 Vorbereitung und Dialog
Märkte sind Gespräche – Verkaufsgespräche sind Dialoge. Standardisierte Gesprächsleitfäden mit allgemeinem Nutzen und haufenweise Argumente locken nicht mehr hinter dem Ofen hervor. Ein individueller Gesprächseinstieg, der zeigt, dass sich der Mitarbeiter informiert hat, macht es erst einmal schwerer, gleich abzublocken. Für viele Führungskräfte ist die Vorbereitung ein „rotes Tuch“, denn diese Zeit wird selten bezahlt und geht zu Lasten der Produktivität. Sie macht sich aber bezahlt, am Ende! Und CallCenter müssen endlich einsehen, dass sie kein Produktionsbetrieb sind, sondern ein Dienstleister.
Fazit: Call Center sind Dienstleister und haben die Aufgabe, mehreren Kunden gleichzeitig Dienst zu leisten. Ihrem Auftraggeber, dessen Kunden und Zielgruppe und den eigenen Mitarbeitern. Da den richtigen Weg zu finden, ist nicht immer einfach. Was bis vor zwei Jahren im Privatkundengeschäft noch mehr oder weniger gut funktioniert hat, ist für das B2B-Geschäft der „sichere Tod auf Raten“. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für das Image des Auftraggebers. Und am Ende kommt der Ball zu einem zurück. Die Verantwortlichen im Call-Center haben es in der Hand, wie und wohin sie den Ball spielen.
16.6 Über den Autor
Markus Euler
Autor Seit 2004 ist Markus Euler selbständiger Kommunikationstrainer und Berater. Sein Schwerpunkt liegt heute im Training & Coaching von Vertriebsmitarbeitern im Innen- und Außendienst sowie Führungskräften im Vertrieb. Markus Euler ist ausgebildeter Trainer&Coach, lizensierter Insights-MDI-Berater und arbeitet als SPIN-Salestrainer im internationalen Netzwerk von Huthwaite International. Seit 2008 führt er die Telesales-Performance-Studie durch, die Ergebnisse über die Erfolgsfaktoren im Telefonverkauf liefert
„Das einzige was stört, ist der Kunde“. Mit diesem Buchtitel provozierte Edgar K. Geffroy bereits Ende 1998. Und nicht nur im Kundenservice haben viele Menschen immer noch das Gefühl, dass Sie irgendwie nicht gelegen kommen, wenn Sie eine Frage oder ein Problem haben. Sei es die immer noch verbreitete und kostenpflichtige Dauerwarteschleife, die Technik, die nicht funktioniert oder der Mitarbeiter, der eben nur so viel Motivation und Freundlichkeit an den Tag legt, wie sein magerer Stundenlohn es ihm erlaubt. Und dafür soll er nicht nur das Problem lösen, sondern auch noch Verständnis für den Kunden aufbringen. Viel verlangt! Im Verkauf sieht es nicht wesentlich besser aus. Die freundlichen Drückerkolonnen, die bis vor einem Jahr noch das Massengeschäft mit dem Privatkunden abtelefoniert haben, werden oft mal eben auf B2B „umgeswitcht“. Statt der genervten Hausfrau haben Sie nun den gestressten Geschäftsführer am Apparat. Die Gesprächsleitfäden wurden umgeschrieben und auf Entscheider „getrimmt“. Vielleicht denken Sie gerade, dass diese Darstellung doch stark übertrieben ist und das es doch viele Ausnahmen gibt, die das Gegenteil beweisen. Richtig, es gibt sie, die Ausnahmen. Aber sollten diese Ausnahmen nicht die Regel sein? Wann schützt der Staat nicht mehr nur die Verbraucher, sondern auch die verantwortlichen in der Wirtschaft? Schauen Sie doch noch einmal kurz auf die Überschrift dieses Beitrages. Und dann denken Sie an die Outboundgespräche, die Sie in Ihrem Call-Center durchführen oder die Sie als Führungskraft im Beruf erhalten. Wohin geht die Reise? Ein kleines Beispiel: Zu Beginn des Jahres rief ich etwa 50 Call-Center-Dienstleister an. Mit dem Ziel, die Geschäftsführer oder Verantwortlichen aus dem Outbound für einen Workshop zu gewinnen. Auch wenn ich viele Durchwahlen der Ansprechpartner besaß, wollte ich herausfinden, wie ich als „Kaltakquisiteur“ behandelt werden würde. Das Ergebnis: in über der Hälfte der Fälle teilte man mir mit, dass ich nicht weiter verbunden werde, wenn ich etwas verkaufen möchte. Ich solle die Informationen bitte an eine „info@-Adresse“ schicken. Bei Bedarf würde man sich bei mir melden. Wenn sich niemand melden würde, dann bestünde auch kein Interesse. Wie führen, motivieren und unterstützen die Führungskräfte dieser Unternehmen ihrer eigenen Mitarbeiter, wenn es um den Erfolg im Telefonverkauf oder der Terminvereinbarung geht? Wie „nah“ sind diese Führungskräfte dran am harten Tagesgeschäft, das ihre eigenen Mitarbeiter jeden Tag bewältigen müssen? „Walk your Talk“ fällt mir dazu nur ein. Denn genau diese Unternehmen sind es, die Ihre Dienstleistungen im Outbound blumig und professionell nach außen bewerben. Und am Ende des Tages regelmäßig mit ihren Mitarbeitern die schlechten Abschlussquoten mit der anscheinend mangelhaften Adressqualität oder der Erreichbarkeit entschuldigen. Wer heute, „bewaffnet“ mit einer „Ich-möchte-ihnen-da-mal-etwas-vorstellen-Strategie“ und 34 Nutzenargumenten in den Outbound-Call startet, hat es bereits schwer. In Zukunft werden noch mehr Entscheider das Recht für sich in Anspruch nehmen, solche Gespräche früh mit der Aussage: „Daran haben wir kein Bedarf“ zu beenden. Um das zu vermeiden, heißt es, Augenhöhe aufbauen, Individualität und Kreativität in den Mittelpunkt zu stellen und damit auch wieder der Kunden oder den, den man als Kunden gerne gewinnen möchte. Das kostet auch Zeit, aber wir wissen alle, dass das Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht. Besonders im mittelständischen Bereich ist die Erwartungshaltung an Geschäftspartner sehr hoch. Jede Information, die dem Angerufenen zeigt, dass man über ihn, sein Geschäft oder seine Branche informiert ist, öffnet die Tür ein Stück. Jede Frage, die signalisiert, dass man wirklich interessiert ist, die zum Verstehen beiträgt, ein weiteres Stück. Wie peinlich ist es, im Zeitalter von Web 2.0, wenn ein Callcenter-Mitarbeiter (aus der Kommunikationsbranche!) zu Beginn des Gespräches fragen muss, was denn „das Unternehmen so macht“. Nach zwei Minuten Recherche bei Google oder auf der Homepage ist man in der Lage, ein Gespräch so zu eröffnen, das man sich vom 0/8/15-Standard abheben kann und Aufmerksamkeit erhält. Das Wertvollste, was man heute im Verkauf erhalten kann – Aufmerksamkeit. Man muss nur die Wechselwirkung beachten. Denn Aufmerksamkeit erhält der eher, der sie zuerst schenkt. Mit der Methode „Hallo hier komme ich“ gelingt dies weniger. Hat man dann einmal einen Entscheider erreicht und stellt im Gespräch fest, dass man die Entscheidung noch einmal vertagen muss, dann tritt ein weiteres Call-Center-Phänomen in Kraft: die Wiedervorlage. Wie oft kommt es vor, dass ein anderer Mitarbeiter zurückruft, der dem Gesprächspartner nun noch einmal genau dieselben Fragen stellt und Informationen gibt, wie der Mitarbeiter vorher. Was soll er auch anderes tun? Trotz gigantischer Möglichkeiten des CRM-Systems steht im Bemerkungsfeld nur: „Habe dem Kunden das Produkt vorgestellt, er war noch nicht so richtig begeistert“. Für den Kollegen besitzt dies denselben Informationsgehalt wie: „Als ich anrief schien die Sonne und ich hatte Durst“. Der Kunde leidet ein zweites Mal. Warum in aller Welt soll er jetzt noch einmal alles erzählen, nur weil das Wiedervorlagensystem nicht optimal ist oder Mitarbeiter nicht in der Lage sind, die wichtigsten Informationen verantwortungsbewusst einzutragen? Auch hier ist es schwer zu glauben, dass der Kunde wirklich im Mittelpunkt steht. Erst neulich hatte ich einen Telesales-Mitarbeiter am Apparat, dessen Schichtzeiten leider nicht mit meinen Vorschlägen korrespondierten. Auch hier gilt: Bitte richten Sie sich nach unserer Personaleinsatzplanung lieber Kunde. Wenn Sie unbedingt noch einmal mit demselben Mitarbeiter sprechen wollen, dann nur, wenn es uns passt. Wenn nicht, dann sprechen Sie halt mit einem anderen Mitarbeiter, der zu diesem Zeitpunkt gerade frei ist. Was im Privatkundengeschäft geht und eventuell sogar vom Kunden mit Verständnis quittiert wird, das geht im B2B nicht. Wer nicht professionell und auf Augenhöhe auftritt, der darf nicht mitspielen. Fatal dabei ist, dass diese Dienstleister im Namen ihrer Auftraggeber anrufen, auf die diese Wahrnehmung des Kunden dann zurückfällt. In Zeiten von Social Media ist es heute Gang und Gäbe, dass unbefriedigende Service-Erlebnisse schnell „die Runde machen“. In Zahlen ausgedrückt können das innerhalb weniger Stunden mehrere tausend Menschen sein. Und das gilt neuerdings auch für schlechte „Verkaufsgespräche“.
Da heißt es bei Twitter oder Facebook mal schnell: „Eben hat die Firma xy bei mir angerufen, die wollten mir was verkaufen, das muss ich erzählen…“. Es war nur nicht die Firma, sondern ein Call-Center-Mitarbeiter, der zudem noch Unterstützung von seinem Teamleiter erhält, dass der Kunde ja sehr unkooperativ war. Rational und rechtlich sind diese Gespräche vielleicht o.k, emotional nicht. Weder für den Mitarbeiter noch für den Angerufenen. Gut, wenn beide das Gespräch schnell vergessen und zum Tagesgeschäft übergehen. Weniger gut, wenn ein „Geschmäckle“ bleibt, an das sich der Gesprächspartner erinnert. Spätestens beim nächsten, „turnusmäßigen“ Anruf. Was ist also zu tun, um in Zukunft wirklich professionelle Gespräche im Outbound B2B durchzuführen?
16.1 Kundenorientierung
Im Mittelpunkt steht der Kunde oder derjenige, den Sie als Kunden gewinnen möchten. Schnelle Geschäft sind heute auch im B2B schnell gemacht und es gibt auch viele Entscheider, die dem Termin mit dem Außendienstmitarbeiter zustimmen, ohne wirklich interessiert zu sein. Und ohne dass dies der Mitarbeiter am Telefon merkt. Kundenorientierung heißt auch, einen Abschluss oder einen Termin bewusst nicht zu machen oder den Termin nicht zu forcieren. Spätestens dann, wenn man die Fakten oder das Gefühl hat, dass dies für beide Seiten nichts bringen wird. Kundenorientierung bedeutet, dem Kunden nicht die Zeit zu stehlen, sei es durch allgemeine Behauptungen und Fakten aus der „Info-Dusche“ oder unvorbereitete Gespräche. Das erste, was der Angerufene spürt, ist, ob Sie sich wirklich für ihn interessieren oder nicht. Die Auseinandersetzung mit dem Produkt, der Dienstleistung oder dem Termin erfolgt erst im zweiten Schritt.
16.2 Augenhöhe
„Bitte kaufen Sie doch mein Produkt, ich habe mich doch so sehr bemüht“. Diesen Satz brachte ein Teilnehmer von mir sehr scherzhaft und mit Augenzwinkern im Gespräch. Viele Telefonverkäufer vermitteln diese Botschaft allerdings unbewusst am Telefon. Indem Sie ein Argument nach dem anderen bringen und auf diese Art und Weise „überzeugen“ wollen und sich festbeißen. Augenhöhe, das heißt, sich auf eine partnerschaftliche Ebene mit dem Kunden zu begeben. Weder der „Besserwisser“, noch der „Bittsteller“ hinterlassen einen Eindruck, der den Gesprächspartner motiviert, über ein Angebot nachzudenken. Augenhöhe bedeutet auch, kritisch mit den Argumenten des Kunden umzugehen und die eigene Position vertreten zu wollen und dies auch zu können. Immer unter dem Aspekt der Wertschätzung.
16.3 Professionalität
Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Fachkompetenz. Das verstehen Entscheider im B2B, wenn Sie über Professionalität sprechen. Aus Kundensicht heißt das: Ein Verkäufer am Telefon muss seine Versprechungen und Ankündigungen einhalten, das was er sagt muss der Wahrheit entsprechen und er muss Ahnung von dem haben, worüber er spricht. Wer sich als Geschäftsführer einen Telefontermin mit einem Verkäufer in den Kalender einträgt und sich Zeit dafür nimmt, der darf nicht vergebens auf diesen Anruf warten.
16.4 Denken über den Tellerrand
Kunden möchten vielleicht nicht immer, dass man für sie denkt, aber das der Verkäufer mitdenkt. Ein Angebot, was den reinen Bedarf in der Gegenwart berücksichtigt, ist ein durchschnittliches Angebot. Optimal ist ein Angebot, welches auch die Vergangenheit mit berücksichtigt und ein Stück weit in die Zukunft blickt. Macht der Termin, den ich heute abschließen kann vielleicht mehr Sinn, wenn noch eine andere Person anwesend ist, ich den Termin dann aber heute noch nicht vereinbaren kann? Sollte ich den Kunden, der betont hat, dass sein Budget knapp ist, nicht doch von der größeren Lösung überzeugen, weil er erfahrungsgemäß mit der günstigeren Lösung schnell an seine Grenzen stoßen wird? Das sind Fragen, die zeigen, dass ein Verkäufer mitdenkt, für sich und den Kunden.
16.5 Vorbereitung und Dialog
Märkte sind Gespräche – Verkaufsgespräche sind Dialoge. Standardisierte Gesprächsleitfäden mit allgemeinem Nutzen und haufenweise Argumente locken nicht mehr hinter dem Ofen hervor. Ein individueller Gesprächseinstieg, der zeigt, dass sich der Mitarbeiter informiert hat, macht es erst einmal schwerer, gleich abzublocken. Für viele Führungskräfte ist die Vorbereitung ein „rotes Tuch“, denn diese Zeit wird selten bezahlt und geht zu Lasten der Produktivität. Sie macht sich aber bezahlt, am Ende! Und CallCenter müssen endlich einsehen, dass sie kein Produktionsbetrieb sind, sondern ein Dienstleister.
Fazit: Call Center sind Dienstleister und haben die Aufgabe, mehreren Kunden gleichzeitig Dienst zu leisten. Ihrem Auftraggeber, dessen Kunden und Zielgruppe und den eigenen Mitarbeitern. Da den richtigen Weg zu finden, ist nicht immer einfach. Was bis vor zwei Jahren im Privatkundengeschäft noch mehr oder weniger gut funktioniert hat, ist für das B2B-Geschäft der „sichere Tod auf Raten“. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für das Image des Auftraggebers. Und am Ende kommt der Ball zu einem zurück. Die Verantwortlichen im Call-Center haben es in der Hand, wie und wohin sie den Ball spielen.
16.6 Über den Autor
Markus Euler
Autor Seit 2004 ist Markus Euler selbständiger Kommunikationstrainer und Berater. Sein Schwerpunkt liegt heute im Training & Coaching von Vertriebsmitarbeitern im Innen- und Außendienst sowie Führungskräften im Vertrieb. Markus Euler ist ausgebildeter Trainer&Coach, lizensierter Insights-MDI-Berater und arbeitet als SPIN-Salestrainer im internationalen Netzwerk von Huthwaite International. Seit 2008 führt er die Telesales-Performance-Studie durch, die Ergebnisse über die Erfolgsfaktoren im Telefonverkauf liefert