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PR übernimmt Markenführung

Nachdem Marketing zum zahnlosen Zahlentiger verkommen ist, könnte PR die Markenführung übernehmen.
Klaas Kramer | 17.06.2009

Ablösung überfällig Die Frage, ob PR Teil des Marketing, etwas ganz anderes oder übergeordnetes sein sollte, ist theoretisch und interessiert nicht. Es geht um die Zukunft der Markenführung. Das Marketing ist dabei, sich von seiner jahrzehntelang beschworenen Führungsfunktion endgültig zu entfernen. Marketingmanager überbieten sich im Banalisieren ihrer Verantwortung durch Vereinfachungsmodelle. Je näher Marketing am Vertrieb ist, desto klarer ist der Fall: Die Controllisierung von Entscheidungsalternativen zum künftigen Markterfolg ist fast vollständig vollzogen. Dann wird nachgetreten: dem vermeintlich neuem Erfolgstyp „zahlenorientierter Marketingdurchmarschierer“ wird der „Bunte-Pappen-Träger von gestern“ gegenüber gestellt. Marketing hält sich weiterhin mit der völlig überholten Unterscheidung „kreative Werbung“ vs. „messbare Promotion“ auf. So werden keine Marken geführt. Bei der Markenkommunikation ist der Werbeblock allenfalls noch ein Nebenkriegsschauplatz. Der Mensch hat sich längst das Terrain zurückerobert, das lange die Domäne des Mediaplans war. Wenn Markenführung außerhalb der Produktentwicklung überhaupt noch etwas bewirken will, müssen Markenmanager Reframing und Brand Hacking beherrschen sowie Selbststeuerungsbewusstsein erlangen. PR-Menschen haben hier einen Vorteil: Sie waren nie dem Trugbild von der direkten Meinungssteuerung der Öffentlichkeit aufgesessen. Sie sprechen von Kommunikationspartnern, nicht von Zielgruppen. Sie wissen, dass ein Mensch nicht nur Kunde ist, sondern auch mal Publikum, Spaßvogel, Schnarchnase, Fan oder Saboteur. Sie haben schon immer den Dialog im Kommunikationsportfolio gehabt. Und Dialog ist kein Werbebrief oder Call Center Anruf! Ein Dialog ist eine Kommunikationsform auf Augenhöhe mit annähernd gleichem Redeanteil. Markenführung wird schon lange von der PR mitgestaltet. Leider war das lange Zeit ein Randthema. Bereitschaft zur Übernahme PR hat das Zeug, die Führungsrolle im Markenmanagement zu übernehmen. Wie Organisationen das konkret machen sollen, ob sie ihr Produktmanagement verlegen oder auf eine reine F&E-Projektmanagement-Stelle stufen – da gibt es viele Optionen. Zuerst müssen die Menschen in der PR reif für die Markenführung sein. Manche PR-Leute betrachten Wirtschaft noch immer nicht als ihr Metier. Sie wären lieber Top-Journalist oder Verwaltungsbeamte in einem Ministerium geworden. Solche PR-Kräfte sind für die Markenführung freilich ungeeignet. PR-Leute müssen die Sprache des Top-Managements lernen. Sie müssen wissen, welche Kommunikationsmittel unter Betriebswirten en vogue sind, ohne sich anzubiedern. Mit Kommunikationsmitteln meine ich Charts, Balanced Scorcards und Analysemodelle. Wenn Betriebswirte Führung als Soll-Ist-Abgleich mit Hilfe von Kennzahlen missverstehen, dann müssen findige Markenmanager dies als das erkennen was es ist: ein Spiel, bei dem es 36 Karten gibt, man ausschließlich über diese Karten kommuniziert, aber die Raffinesse des Spiels und die Chancen zum Sieg außerhalb der Kartenblätter entstehen. Neues Selbst-Verständnis In manchen Unternehmen versteht man unter PR noch immer Sektflötenhalten auf Who-Is-Who-Empfängen. Das ist nur noch eine Marginaldisziplin. PR muss sich in die Kommunikation mit den Menschen werfen. In Social Media wird Ihre Marke ohnehin längst besprochen, gelobt, kritisiert, verfremdet. Entweder Sie machen da mit oder bleiben außen vor. Wer bei „Online-PR“ lediglich an das Verschieben von Pressemitteilungen in Online-Portale denkt, braucht dringend Nachschulung. Die Unterscheidung zwischen Offline und Online ist heute ohnehin sinnlos geworden. PR-Leute haben durch ihre zumeist kommunikationswissenschaftliche Ausbildung ein besseres Verständnis von der Eigendynamik sozialer Netze als Betriebswirte, die notorisch nach den Hebeln zur linearen Steuerung suchen. Das Denken in Kommunikationsinstrumenten muss dem Denken in Sinnangeboten weichen und jederzeit auf Unvorhersehbares gefasst sein. Wer Krisen-PR beherrscht, hat bessere Karten. Ein „Kein Kommentar“ oder nichtssagende Betonmauer-Argumente können in Sekunden Markenwerte vernichten. PR-Agenturen haben es versäumt, ihren Kunden dieses 1x1 beizubringen. Sie haben sich zwar als Bindeglied zu den Medien eine wichtige Position verschafft, doch die Kontrolle über Kanäle ist heute kein Marktvorteil mehr. Markenführung war ohnehin noch nie die Aufgabe von Agenturen, auch wenn sich im Laufe der Zeit dort durchaus Know-how konzentriert hat. Wenn PR die Markenführung übernimmt, geht sie wieder auf Abstand zur Agentur. Als Dienstleister und Unternehmensberater können Agenturen weiterhin wertvolle Arbeit leisten. Unternehmen, die strategische Markenentscheidungen nicht selbst treffen können, haben ohnehin ein schwerwiegendes Problem. Das kann allein auch PR nicht lösen.

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