Politischer Dialog in Zeiten des Web 2.0
Das US-Magazin „Time“ hat die Internetnutzer zur „Person des Jahres 2006“ gekürt. Damit setzte sich die Internetgemeinde gegen eine äußerst illustre Konkurrenz durch, unter anderem gegen einen Diktator, einen umstrittenen Präsidenten und den Papst. Die Wahl zur Person des Jahres begründete Lev Grossmann, Redakteur von „Time“, damit, dass es der Gemeinschaft der User gelungen sei, „als Vielen den Wenigen die Macht abzuringen“. Erst zum dritten Mal in der 79-jährigen Geschichte des Titels, wurde somit ein Kollektiv zum bestimmenden Einfluss des Jahres gekürt. Zuvor waren es im Jahre 1966 die Generation der unter 25-Jährigen und im Jahre 1975 die amerikanischen Frauen. Das zeigt bereits, welch hohen gesellschaftlich-politischen Stellenwert diese Auszeichnung besitzt, und es zeigt sich auch, dass es sich lohnt, mit hoher Aufmerksamkeit die Entwicklung und Möglichkeiten des Internet, bzw. des Web 2.0 zu beobachten.
Tatsächlich ist die Internetgemeinde in den letzten Jahren zu einer ernstzunehmenden politischen Macht geworden. Zuletzt bekam dies George Allen zu spüren, republikanischer Senator aus Virginia und ursprünglich aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2008. Die Wahlen zum amerikanischen Kongress vom 7. November 2006 sollten gemäß seiner Karriereplanung eigentlich nur eine Durchgangsstation auf dem Weg ins Weiße Haus sein. Seine Wiederwahl schien reine Formsache, bis seine Karriere im August 2006 einen jähen Rückschlag erlitt. Was war passiert? Bei Youtube war ein Video aufgetaucht, in dem Allen einen Studenten indischer Abstammung als Makakenaffe beleidigt und in den USA „willkommen“ geheißen hatte. Allein auf Youtube wurde das Video mehr als 30.000 Mal abgerufen. Auch eine öffentliche Entschuldigung Allens konnte seine Niederlage gegen den demokratischen Herausforderer Jim Webb nicht mehr verhindern. Das Internet ist zum omnipräsenten, reichweitenstarken, blitzschnellen und teils sehr bewusst genutzten Auge der Weltöffentlichkeit geworden. Das gilt für Politik und Wirtschaft gleichermaßen.
Aber nicht nur im Wahlkampf haben die so genannten „Blogger“ als Träger von politischer Kommunikation ein stärkeres Gewicht denn je. Die jüngste Vergangenheit etwa zeigt, dass die Bloggergemeinde auch das Zeug hat, einen politischen Skandal zu vereiteln: Einige US-Konservative beschuldigten jüngst Al Gore, der es mit seinem Film „Eine unbequeme Wahrheit“ zu einem Oskar gebracht hat, der „Umwelt-Heuchelei“. Mehr als zwanzigmal soviel Gas und Energie wie der durchschnittliche US-Amerikaner verbrauche der Demokrat nach Angaben des konservativen Tennessee Center for Policy Research (TCPR). Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Ende Februar dieses Jahres berichtete eine Vielzahl von US-Regionalzeitungen über Al Gores angeblichen Energiedurst. Fernsehsender wie Fox und ABC nahmen sich des Themas ebenso an wie das Radioprogramm des Wirtschaftsnachrichtendienstes Bloomberg. Der Skandal schien perfekt allerdings hatte man die Rechnung ohne die Bloggergemeinde gemacht. Hier hagelte es heftige Kritik. Die umtriebigen Blogger fanden rasch heraus, dass TCPR von den Steuerbehörden des Bundesstaates Tennessee nicht als „gesetzliche Organisation“ anerkannt ist. Schnell machte es die Runde, dass TCPR zu unrecht als Umweltschutzgruppe bezeichnet wurde und die von ihr verbreiteten Fakten nicht der Wahrheit entsprachen.
Durch das Web 2.0, und insbesondere durch Blogs und Online-Communities, bekommt das Internet ganz ohne Zweifel eine neue Qualität und einen neuen Stellenwert in der politischen Kommunikation. Treibender Faktor dabei ist nicht nur die (noch) hohe Glaubwürdigkeit innerhalb der Communities, sondern auch die Möglichkeit, selber gestaltende Hand anzulegen. Nicht umsonst wird das Web 2.0 auch Mitmach-Web genannt, nicht mehr weit entfernt scheint die Zeit, bis Parteien auch hierzulande im Web dazu aufrufen, Spots zu gestalten oder Plakate zu entwickeln. Bei der web-basierten gemeinsamen Diskussion und Gestaltung von Parteiprogrammen sind einige Parteien jetzt schon angekommen.
Den nachhaltigsten Einfluss auf Wahlkampfstrategien hat diese Entwicklung aber bislang in den Vereinigten Staaten. Schon im Vorfeld des anstehenden Kampfes um das höchste amerikanische Amt beispielsweise haben sich die Kandidaten im Internet aufgestellt. Blogs – in diesem Zusammenhang vor wenigen Jahren noch völlig unbekannt – sind jenseits des Atlantiks längst Standard und entwickeln sich zum einflussreichen Medium der Gegenwart.
Viele Kandidaten nutzen deshalb inzwischen neben den Wahlkampfmedien Brief und Telefon auch so genannte „Social Websites“, um so vornehmlich junge Menschen zu erreichen, die sich sonst vermutlich wenig für die Wahlen interessieren würden. Auch in Online-Gemeinschaften wie My Space oder Facebook, auf denen sich User für gewöhnlich mit Freunden austauschen, finden sich daher neben Verweisen auf Film und Musik auch sehr persönliche Meinungen über die Kandidaten.
Wie wichtig das Instrument Internet im Wahlkampf wird, zeigt sich besonders an den aktuellen Kampagnen von Hillary Clinton und ihrem Widersacher Obama in USA sowie Ségolène Royal in Frankreich. Alle setzen gewissermaßen auf „Politik 2.0“. So machte Hillary Clinton ihre Absicht, für das Amt des US-Präsidenten zu kandidieren, nicht etwa auf einer Veranstaltung oder über das traditionelle Medium Fernsehen bekannt, sondern verkündete stattdessen in einem (übrigens sehr positiv von breiten Bevölkerungsschichten beurteilten) Videoclip auf ihrer Homepage: „I’m in“ – „Ich bin drin.“ Im Folgenden eröffnet sie, dass sie vielmehr eine Diskussion als einen Wahlkampf führe und lud das Wahlvolk zum Dialog mit ihr ein. Auf ihrer Website registrierten sich rasch 150.000 Besucher und Unterstützer der Wahlkämpferin. Clinton absolviert den Internetwahlkampf wie eine souveräne 2.0-Politikerin. Sie chattet mit den Wählerinnen und Wählern, ist online und offline präsent und fordert die Wähler zu konstruktiven Vorschlägen zu Sachthemen auf, bzw. gibt selbst Stellungnahmen ab. Ségolène geht noch einen Schritt weiter und lässt sich auch die politischen Themen stark via Internet von der Bevölkerung in ihren politischen Taskblock diktieren, so lange bis die Kritiker laut werden, dass ihr eine eigene Meinung und Ausrichtung fehlt.
Wie auch immer Einzelaktionen zu bewerten sind, eines wird von Washington bis Paris deutlich. Das Internet und das Web 2.0 sind schon lange aus der Ecke der computerbegeisterten Freaks herausgetreten und eröffnen gänzlich neue Wege für Staat und Politik. Da sind die Communities und Online-Wahlkämpfe von heute erst der Anfang. Der Dialog ist überall auf dem Vormarsch und bedient sich aller Medien, um richtig erfolgreich zu werden. Das Erfolgsrezept? Crossmedialität, Authentizität und Mobilisierung.
Tatsächlich ist die Internetgemeinde in den letzten Jahren zu einer ernstzunehmenden politischen Macht geworden. Zuletzt bekam dies George Allen zu spüren, republikanischer Senator aus Virginia und ursprünglich aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2008. Die Wahlen zum amerikanischen Kongress vom 7. November 2006 sollten gemäß seiner Karriereplanung eigentlich nur eine Durchgangsstation auf dem Weg ins Weiße Haus sein. Seine Wiederwahl schien reine Formsache, bis seine Karriere im August 2006 einen jähen Rückschlag erlitt. Was war passiert? Bei Youtube war ein Video aufgetaucht, in dem Allen einen Studenten indischer Abstammung als Makakenaffe beleidigt und in den USA „willkommen“ geheißen hatte. Allein auf Youtube wurde das Video mehr als 30.000 Mal abgerufen. Auch eine öffentliche Entschuldigung Allens konnte seine Niederlage gegen den demokratischen Herausforderer Jim Webb nicht mehr verhindern. Das Internet ist zum omnipräsenten, reichweitenstarken, blitzschnellen und teils sehr bewusst genutzten Auge der Weltöffentlichkeit geworden. Das gilt für Politik und Wirtschaft gleichermaßen.
Aber nicht nur im Wahlkampf haben die so genannten „Blogger“ als Träger von politischer Kommunikation ein stärkeres Gewicht denn je. Die jüngste Vergangenheit etwa zeigt, dass die Bloggergemeinde auch das Zeug hat, einen politischen Skandal zu vereiteln: Einige US-Konservative beschuldigten jüngst Al Gore, der es mit seinem Film „Eine unbequeme Wahrheit“ zu einem Oskar gebracht hat, der „Umwelt-Heuchelei“. Mehr als zwanzigmal soviel Gas und Energie wie der durchschnittliche US-Amerikaner verbrauche der Demokrat nach Angaben des konservativen Tennessee Center for Policy Research (TCPR). Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Ende Februar dieses Jahres berichtete eine Vielzahl von US-Regionalzeitungen über Al Gores angeblichen Energiedurst. Fernsehsender wie Fox und ABC nahmen sich des Themas ebenso an wie das Radioprogramm des Wirtschaftsnachrichtendienstes Bloomberg. Der Skandal schien perfekt allerdings hatte man die Rechnung ohne die Bloggergemeinde gemacht. Hier hagelte es heftige Kritik. Die umtriebigen Blogger fanden rasch heraus, dass TCPR von den Steuerbehörden des Bundesstaates Tennessee nicht als „gesetzliche Organisation“ anerkannt ist. Schnell machte es die Runde, dass TCPR zu unrecht als Umweltschutzgruppe bezeichnet wurde und die von ihr verbreiteten Fakten nicht der Wahrheit entsprachen.
Durch das Web 2.0, und insbesondere durch Blogs und Online-Communities, bekommt das Internet ganz ohne Zweifel eine neue Qualität und einen neuen Stellenwert in der politischen Kommunikation. Treibender Faktor dabei ist nicht nur die (noch) hohe Glaubwürdigkeit innerhalb der Communities, sondern auch die Möglichkeit, selber gestaltende Hand anzulegen. Nicht umsonst wird das Web 2.0 auch Mitmach-Web genannt, nicht mehr weit entfernt scheint die Zeit, bis Parteien auch hierzulande im Web dazu aufrufen, Spots zu gestalten oder Plakate zu entwickeln. Bei der web-basierten gemeinsamen Diskussion und Gestaltung von Parteiprogrammen sind einige Parteien jetzt schon angekommen.
Den nachhaltigsten Einfluss auf Wahlkampfstrategien hat diese Entwicklung aber bislang in den Vereinigten Staaten. Schon im Vorfeld des anstehenden Kampfes um das höchste amerikanische Amt beispielsweise haben sich die Kandidaten im Internet aufgestellt. Blogs – in diesem Zusammenhang vor wenigen Jahren noch völlig unbekannt – sind jenseits des Atlantiks längst Standard und entwickeln sich zum einflussreichen Medium der Gegenwart.
Viele Kandidaten nutzen deshalb inzwischen neben den Wahlkampfmedien Brief und Telefon auch so genannte „Social Websites“, um so vornehmlich junge Menschen zu erreichen, die sich sonst vermutlich wenig für die Wahlen interessieren würden. Auch in Online-Gemeinschaften wie My Space oder Facebook, auf denen sich User für gewöhnlich mit Freunden austauschen, finden sich daher neben Verweisen auf Film und Musik auch sehr persönliche Meinungen über die Kandidaten.
Wie wichtig das Instrument Internet im Wahlkampf wird, zeigt sich besonders an den aktuellen Kampagnen von Hillary Clinton und ihrem Widersacher Obama in USA sowie Ségolène Royal in Frankreich. Alle setzen gewissermaßen auf „Politik 2.0“. So machte Hillary Clinton ihre Absicht, für das Amt des US-Präsidenten zu kandidieren, nicht etwa auf einer Veranstaltung oder über das traditionelle Medium Fernsehen bekannt, sondern verkündete stattdessen in einem (übrigens sehr positiv von breiten Bevölkerungsschichten beurteilten) Videoclip auf ihrer Homepage: „I’m in“ – „Ich bin drin.“ Im Folgenden eröffnet sie, dass sie vielmehr eine Diskussion als einen Wahlkampf führe und lud das Wahlvolk zum Dialog mit ihr ein. Auf ihrer Website registrierten sich rasch 150.000 Besucher und Unterstützer der Wahlkämpferin. Clinton absolviert den Internetwahlkampf wie eine souveräne 2.0-Politikerin. Sie chattet mit den Wählerinnen und Wählern, ist online und offline präsent und fordert die Wähler zu konstruktiven Vorschlägen zu Sachthemen auf, bzw. gibt selbst Stellungnahmen ab. Ségolène geht noch einen Schritt weiter und lässt sich auch die politischen Themen stark via Internet von der Bevölkerung in ihren politischen Taskblock diktieren, so lange bis die Kritiker laut werden, dass ihr eine eigene Meinung und Ausrichtung fehlt.
Wie auch immer Einzelaktionen zu bewerten sind, eines wird von Washington bis Paris deutlich. Das Internet und das Web 2.0 sind schon lange aus der Ecke der computerbegeisterten Freaks herausgetreten und eröffnen gänzlich neue Wege für Staat und Politik. Da sind die Communities und Online-Wahlkämpfe von heute erst der Anfang. Der Dialog ist überall auf dem Vormarsch und bedient sich aller Medien, um richtig erfolgreich zu werden. Das Erfolgsrezept? Crossmedialität, Authentizität und Mobilisierung.