Online werben: Zwischen Effizienz und Chaos
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing
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Es gibt ein wunderschönes Zitat von John Cage: „Keine Ahnung, warum Menschen Angst vor neuen Ideen haben. Ich jedenfalls fürchte mich vor den alten.“ Mit dieser Aussage im Kopf macht es sicher Sinn, sich die alten Zeiten kurz noch einmal vor Augen zu führen.
Viele Marketingfachleute, ob Brand-Manager der Industrie oder Berater auf der Dienstleistungsseite, haben den Aufstieg und Fall der New Economy noch in guter – oder besser: in schlechter – Erinnerung. Der Hype, der sich damals äußerlich in spektakulären Schlagzeilen, in Prognosezahlen unglaublichen Ausmaßes und vor allem in schwindelerregenden Börsenbewertungen dokumentierte, steckt allen noch etwas in den Knochen. Deshalb ist die leicht zögerliche Hinwendung der letzten Jahre, mit Werbung im Internet aufzutreten, nur allzu verständlich. Erst in den letzten 24 Monaten jagt ein Geheimtipp den anderen. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ wird hier in Anlehnung an den berühmten historischen Satz hinter vorgehaltener Hand getuschelt und sanfter Druck auf alle die erzeugt, die an die Kraft des „First Movers“ im Marketing glauben.
Mehr noch: Werbe- und Marketingfachpresse stürzen sich mit Inbrunst auf alles, was nur im Entferntesten mit Internet zu tun hat: von Web 1.0 zu Web 2.0 und neuerdings sogar Web 3.0 – was immer sich dahinter verbergen mag. Die etwas bedächtigere Wirtschaftspresse registriert diesen Überschwang des Interesses mit kühlen, sachgerichteten Fragen nach Fakten, Zahlen, Wirkungsnachweisen und Zielgruppenanalysen.
Die Financial Times überschrieb einen Artikel (Abb. 1) dazu mit „Bubble 2.0 – A Silicon Valley investment boom heads for a shake out“ und behandelte die nüchterne Frage, welche rechenbaren Elemente sowohl im Web 1.0 als auch im Web 2.0 einen seriösen Return on Investment (ROI) realisierbar machen. Nicht zuletzt die vielen hektischen Mergers & Acquisitions in der Internet-Branche entziehen sich wieder einmal – wie damals Ende der 1990er-Jahre – den üblichen Bewertungssätzen der traditionellen Weltwirtschaft. Damals wurde die „old economy” mit dem schicken Begriff „Brick and mortar“ disqualifiziert. Heute kommt eine neue Dimension dazu. Man spürt im eigenen täglichen Leben, wie sehr Internet und digitale Welten tatsächlich in unser berufliches und privates Dasein eingreifen. Langsam wird der Satz des Leiters einer großen Staatsbibliothek immer wahrer: „Für die junge Generation gilt: Was nicht im Internet zu finden ist, existiert überhaupt nicht!“
Was will der Autor mit dieser Vorbemerkung zum Thema „Effizient werben“ zum Ausdruck bringen?
Ja, wir haben aus dem Dilemma der New Economy gelernt. Ja, wir spüren, dass das Internet eine wachsende Komponente unseres Alltags geworden ist. Und ja, das Zeitbudget, das Menschen heute für den Umgang mit dem Internet aufwenden, ist im Wesentlichen auf Kosten anderer Medien gegangen. Das ist für Marketing und Werbung die Schlüsselerkenntnis: Diese Wanderungsbewegung, die die Menschen vollzogen haben, hat noch nicht ihre Entsprechung in der Verlagerung der Kommunikationsbudgets gefunden.
Mehr noch: Das Internet wird noch kaum für Markenaufbau und Markenpflege eingesetzt. Es ist noch kein strategischer Baustein der Markenarchitektur geworden, sondern hält sich noch im taktischen Bereich von Direktmarketing, Aktionsmarketing und von Response-Denken auf. Onlinewerbung muss ins Zentrum der Markenführung rücken – vom „Kinderzimmer“ ins „Wohnzimmer“ des Markenhauses. Wer das verstanden hat und praktiziert, schafft sich damit schon heute einen Wettbewerbsvorteil.
Damit nähern wir uns dem entscheidenden Punkt. Hat die zögerliche Budget-verschiebung gute Gründe? Oder hat hier jemand etwas übersehen? Ist die Explosion der Internetnutzung so rasch erfolgt, dass die Media-Agenturen und vor allem deren Werbewirkungskontrolle nicht Schritt halten konnten? Oder hat der Schock der New Economy heilsam gewirkt und verhindert, dass Milliardenbeträge nur deshalb flugs in Onlinewerbung investiert wurden, um ja nichts zu verpassen?
Effizient werben - Fragezeichen oder Ausrufezeichen
Nein – dies ist kein Aufsatz, der endlich Antwort gibt, wie online am effektivsten zu werben ist. Ja – es ist der Versuch, sich dem Thema so zu nähern, dass sich der Grad der Ungenauigkeiten verringert. Der Herausgeber dieses Buches hat seine Autoren aufgefordert, praktische Arbeitshilfen an den Leser zu geben und sich nicht in Theorien zu verlieren. Also dann:
Die schlechte Nachricht zu effizienter Werbung im Internet ist, dass weder theoretisch noch praktisch genügend klare Fakten und Wirkungsmessdaten vorliegen, die die Effizienz nachweisbar lesbar machen. Die gute Nachricht ist, dass dies für jeden Marketing-Direktor die Chance produziert, für seine Marke einen Wettbewerbsvorsprung herauszuarbeiten. Wenn er sich tapfer den Weg durch den Dschungel der Halbwissenden schlägt, um endlich bei den wenigen Spezialisten zu landen, die qualitativ befriedigende Orientierung geben können. Und warum eigentlich nicht? New Media insgesamt ist ein Schauplatz der Ungenauigkeit, der aber gleichzeitig den Mutigen und Intelligenten viele neue Chancen bietet.
Erlauben Sie mir deshalb, Ihnen die folgenden Gedanken anzudienen. Und lesen Sie sie bitte mit der Gewissheit, dass der Verfasser niemandem etwas verkaufen will. Er tut es aus der Distanz des kritischen Beobachters einer Branche, die permanent faszinierend neue Medienformate herausbringt und selbstsicher einzuschätzen versucht, was Top oder Flop ist.
Lassen Sie mich mit einem Beispiel beginnen, das durch die ganze Weltpresse gegangen ist: Google kauft YouTube. Alle Welt rätselt noch heute, wie man 1,6 Milliarden US-Dollar für ein YouTube-Geschäft bezahlen konnte, das zur Zeit nur etwa 17 Millionen US-Dollar Umsatz macht. Also ein Multiple von circa 100 – in Worten: Hundert!! Und plötzlich – wenige Wochen später, konnte man die erstaunliche Meldung lesen, dass Google in einer Art Rückwärtsintegration eine Menge Radiostationen in den USA für einige hundert Millionen US-Dollar gekauft hat. Was will uns diese vermeintlich widersprüchliche Akquisitionspolitik zwischen New Media und Old Media sagen? Eine plausible Erklärung könnte sein: Die Zukunft wird die Vernetzung aller Medien bringen. Mit Betonung auf „aller“! Kein „entweder oder”, sondern ein „sowohl als auch”.
Und weiter kann man folgern: „Content is King“ und nicht „The Medium is the Message“. Content wird das Wettbewerbsinstrument Nummer eins, denn: Egal, wie sich die neuen Internet-Suchmaschinen aufstellen werden - aus Sicht des Nutzers gewinnt derjenige, der den umfassendsten und aktuellsten Content hat. Der Blick auf die fast wöchentlichen Bewegungen von Yahoo, Microsoft, Google, Wikipedia, aber auch WPP, Publicis und anderen zeigt, wie sich die zukünftigen Marktgrößen in Stellung bringen. Und das ist die wichtigste Erkenntnis für den gestressten Marketing-Direktor, der über die Investition von Budgets im Internet zu entscheiden hat: Wer den besten Content anzubieten hat, ist der effizienteste Werbeplatz. Aber:
Wie kann der Marketingexperte – während das Rennen noch läuft – Sicherheit gewinnen, mit seinen Werbebudgets an diesen besten Plätzen zu landen?
The answer is Yes. What was the question?
Die Zahl verbindlicher und für die Finanzplanung abgesicherter Antworten auf die Effizienz der Onlinewerbung ist zur Zeit noch kleiner als die Menge der noch offenen Fragen. Die Wirkungsnachweise und deren Kriterien werden derzeit noch mehr von „soft facts“ diktiert als von „hard facts“. Die Planungs- und Optimierungswerkzeuge sind nur teilweise geeignet, einen gesicherten Return on Investment zu garantieren. Noch herrscht Pionierstimmung vor. Noch ist gesunder Menschenverstand hilfreicher als so manche Analyse. So gesehen muss man sich im Moment mit kritischen Fragen begnügen, weil konkrete Antworten nur selten geliefert werden können. Hier sind zehn solcher Fragen, über die es sich vielleicht nachzudenken lohnt.
Frage 1:
Welche Rolle kann Onlinewerbung im Media-Mix qualitativ besser und wirtschaftlich effizienter als andere Medien übernehmen? Wie sieht eine kritische Gegenüberstellung, die auf harten Werten, Fakten und Zahlen basiert, präzise aus?
Frage 2:
Welcher Prozentsatz des Werbebudgets sollte in die jeweilige Phase des Lebens-zyklus einer Marke für Onlinewerbung investiert werden? Welchen Job übernimmt Onlinewerbung, zum Beispiel beim Aufbau einer Marke oder bei ihrer Etablierung im Massenmarkt oder bei ihrer Verteidigung gegen den Wettbewerb?
Frage 3:
Welche Signale und Botschaften der Marke passen besser ins Internet als in andere Medien? Welche Markenwerte können im Internet besser vermittelt werden? Und welche nicht?
Frage 4:
Deckt sich die Kernzielgruppe, die die Marke ansprechen will, mit den Internet-nutzern, die man über die Onlinewerbung erreicht? Oder ist man noch zu sehr auf die Reichweitendaten der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF) angewiesen und muss man auf die detaillierte demographische oder psychographische Qualifizierung der Zielgruppe noch lange verzichten? Und stellt sich hier die Frage, ob das Gießkannen-Prinzip solange angewendet werden sollte, bis endlich ausreichende qualitative Daten zur Focussierung auf spezielle Zielgruppen vorliegen? Solange es noch heiße Diskussionen zwischen SZM (Skalierbare Zentrale Messverfahren und den Internetfakten der AGOF gibt, wird der nächste Schritt wohl auf sich warten lassen.
Frage 5:
Welche Messinstrumente stehen bereits verlässlich für die Wirkungsnachweise zur Verfügung? Wie lassen sie sich mit den Messmethoden anderer Medien vergleichen? Noch hat fast jedes Medium seine eigene Methode für die Wirkungsmessung. Und die daraus sichtbare „Währung” ist noch schwer im Media-Mix miteinander zu vergleichen. Ist Targeting teurer als die Steigerung an Effizienz, die man damit erreicht? Natürlich ist das Profil der Nutzer, das in einem Cookie aufgezeichnet wird, der erhoffte Schritt vorwärts: Nicht mehr das thematische Umfeld, sondern der Nutzer selbst ist die „Währung“, mit der geplant wird. Aber um welchen Preis? Und die Frage drängt sich auf: Wie weit erlaubt der Datenschutz überhaupt, das User- Tracking als Basis eines verlässlichen „Behavioural Targeting“ voranzutreiben?
Frage 6:
Welche anderen Medien lassen sich durch Onlinewerbung am qualifiziertesten ersetzen? Oder welche ergänzende Aufgabe kann Onlinewerbung übernehmen, die mit anderen Medien überhaupt nicht zu erledigen ist? Welche Auswirkungen hat das auf den Media-Mix? Und wie viel Geld ist das wirklich wert - on top oder zu Lasten anderer Medien?
Frage 7:
Welche emotionalen Elemente der Markenwelten lassen sich im Internet bei gegebener Technologie heute schon vermitteln? Welche Gefühle können im Internet überhaupt ausgelöst und vertieft werden bei einer Zielgruppe, deren Absicht es ist, möglichst schnell an die gesuchten Informationen zu kommen? Oder ist Onlinewerbung die Domäne zur Steigerung des Bekanntheitsgrades und der eher rationalen Markenwerte - und hat dort ihre Grenzen?
Frage 8:
Sichern die vorhandenen Such-Programme – egal, ob nach Search-Engine- Marketing (SEM), Search-Engine-Optimization (SEO) oder Affiliate-Marketing - deren sich die Kunden direkt oder die Media-Agenturen heute schon teilweise bedienen, die Effizienz des Budgeteinsatzes oder bleibt der Internetnutzer ein schwer zu ortender „Vagabund“, der sich schneller bewegt, als man ihm folgen kann? Diese Dynamik ist ein Phänomen des Mediums Internet, das uns täglich mit neuen Inhalten, neuen Anreizen und neuen Anlässen überrascht und kaum feste Content-Strukturen offeriert. Und wird deshalb SEO zwangsläufig langfristig eine höhere Investitionssicherheit erreichen?
Frage 9:
Wieviel Werbung lässt sich der Internetnutzer gefallen, ohne sich in seiner auf maximal schnelle Informationssuche ausgerichteten Absicht behindert oder besser „ausgebremst“ zu sehen? Wann schlägt das in „Behinderung“ um? Oder umgekehrt: Wieviele Inhalte und Zeit darf Internetwerbung dem Nutzer „zumuten”, um nicht Verärgerung statt Begeisterung zu erzeugen? Und: Welche Kreativen haben das schon verinnerlicht und wenden es richtig an? Hier ist „learning by doing” die einzige Möglichkeit, die Reaktion der Nutzer sorgfältig einschätzen zu lernen. Interessant wird die Frage: Welche Media-Agenturen und welche Werbeagenturen verfügen bereits über Know-how, das mit diesem sensiblen Thema umgehen kann und daraus einen Vorsprung im Markt schafft?
Frage 10:
Welche neuen Spielregeln bringt Web 2.0 für den Umgang mit Marken und die neue „Mitbestimmung“ durch die Konsumenten? Es gibt das ominöse Stichwort „Brand Wikization“. Auf deutsch heißt das: Wie sehr beeinflusst der Konsument in Zukunft die Gestalt der Marke? Wir müssen noch lernen, was davon Kontrollverlust über die Marke ist und was Kontrollgewinn? Die bestehende Marke permanent auf die Verbraucherwünsche synchronisieren zu können, wäre ja eine wunderbare Form des zukünftigen „Customizing”, wenn auch unter ganz neuen Vorzeichen. Aber heute muss nüchtern festgehalten werden, dass nur ganz wenige Internetnutzer Web 2.0-Aktivisten sind. In USA bisher nur acht Prozent! Wussten Sie das? Und im Blick auf Second Life tummeln sich dort schlappe 1,28 Millionen Menschen weltweit, das sind etwa 0,1 Prozent der globalen Internetnutzer. Kürzlich gab es plötzlich Zahlen, die von 6,68 Millionen Nutzern sprachen. Aber auch dann redeten wir nur von 0,6 Prozent der Internet Freunde. Also Vorsicht!
I’m still confused, but on a higher level
Für Ihre tägliche Arbeit mag auch die Beschäftigung mit der mittel- bis langfristigen Entwicklung des Internetmarktes generell von Interesse sein. Bob Garfield hat dazu in „Advertising Age” eine wunderbare Serie unter dem Titel „The Chaos Scenario“ verfasst. Unabhängig davon bietet der Autor hier zehn Trends an, die in Zukunft für jeden Marketing Direktor von Bedeutung sein werden:
Trend 1 - Die Brand Communities
Ist die Community-Bildung der effektivste und effizienteste Weg, Kundenbindung zu erreichen und gleichzeitig Servicenutzen für die Kunden ergänzend zum Produkt anzubieten? Bildet sich daraus die „Fan“-Gruppe für die Marke und welche Meinungsbildnerfunktion lässt sich daraus ableiten und anwenden? Oder ist es nur eine Ergänzungsstrategie, bei der der Zufall die Planbarkeit überholt? Die Stärke ist zweifellos der hohe Loyalitätswert bei Community-Sites, den das Marktforschungsunternehmen Nielsen mit 56 Prozent ermittelt hat. Wenn diese Werte Bestand haben, sind eigene Communities langfristig der absolut sicherste Weg, sein Werbegeld effizient zu bewirtschaften.
Trend 2 - Web 2.0
Sind Web 2.0-Produkte wie Blogs, YouTube, Second Life, MySpace oder andere Foren Anlaufstationen von Selbstdarstellern, ewig Unzufriedenen und Besserwissern – oder sind es Meinungsbildner, Trendsetter, Peer Groups und damit entscheidende Minderheiten, die - wie John Naisbitt das in seinem Buch „Megatrends“ beschrieben hat – Mehrheiten dominieren und damit eine Vorreiterrolle in der Gesellschaft übernehmen, die ernsthaft und kalkulierbar wird? Wie die Media-Beobachter berichten, stieg die Zahl der Nutzer, die sogenannte „Unique Audience“, auf Web 2.0-Sites zwischen Februar 2006 und Februar 2007 um 32 Prozent. Die Seitenbesuche, neudeutsch „Page Views“, kletterten im selben Zeitraum um 77 Prozent. Und die auf diesen Seiten verbrachte monatliche Zeit stieg um 48 Prozent auf 45 Minuten. In Deutschland ist Wikipedia die bevorzugte Internetseite mit einer Reichweite von 33 Prozent.
Die meist diskutierte Frage für die Zukunft ist: Wann ebbt der Run auf die immer neuen Angebote im Web 2.0 ab und führt nur noch bei den „Star-Sites“ zu eindrucksvollen Volumina?
Trend 3 - User generated content
Ist das unbestritten Authentische im Web 2.0 auch ausreichend repräsentativ, um es auf die eigenen Zielgruppen hochrechnen zu können? Und wenn nicht, welche Funktion bei der Führung der Marke lässt sich „user generated“ delegieren? Wird es zur neuen Quelle für Motiv- und Marktforschung, die schneller aktuellere Reaktionen der Konsumenten an den Brand-Manager liefert? Oder umgekehrt: Ist es für den Brand-Manager in Zukunft wichtig, die Konsumenten systematisch zu ermutigen, auf seine Marke und ihr Angebot zu reagieren? Und wie einfach muss es dem Konsumenten gemacht werden, damit er sich einbringt? Wichtig dabei ist, die Meinungsbildner und diejenigen, die sich als Experten sehen, als Erste zu ermutigen.
Trend 4 - Pareto-Prinzip
Wenn es wahr ist, dass alles in dieser Welt dem Pareto-Prinzip unterliegt, gilt das dann nicht auch für den Content des Internets? Und wenn dieses 20:80-Prinzip für Online auch zutrifft, wie unterscheidet man die 20 Prozent von den 80 Prozent - vor allem im Hinblick auf die „Heavy User“-Zielgruppen, die für die Effizienz der eingesetzten Werbegelder so wichtig sind? Welche der Optimierungsmodelle beantworten das bereits? Geben zum Beispiel die neuen Angebote von Google mit „Analytics“ oder noch aktueller, mit „Universal Search“ darauf eine Antwort?
Die hektische Akquisition neuer Partner von allen Anbietern wie Doubleclick bei Google oder Aquantive durch Microsoft, Right Media von Yahoo oder auch die Expansion von WPP auf 24/7 Real Media und AOL mit Adtech zeigen, dass wir noch lange nicht mit ausgewogenen und in ihrer Effizienz unbestrittenen Angeboten im Onlinemarkt rechnen können.
Trend 5 - Mobiles Internet
Wenn das Internet durch i-phone und andere „Multichannel Computer“ zum mobilen Internet wird, welche Bedeutung bleibt dann noch für Onlinewerbung im „stationären“ Bereich? Ist Onlinewerbung über PC, Laptop oder TV-Gerät dann die alte Generation und Mobile Marketing wird zur neuen Generation, die total individuell auf den Mobile-Nutzer maßgeschneidert wird? Das Mobile ist das persönlichste Medium – eng verbunden wie ein Körperteil - und deshalb gilt es noch intensiver als je zuvor, vom Absenderdenken auf Empfängerdenken auch werblich umzuschalten. Und es gilt vor allem, sich vom reinen Verkaufs-Direktmarketing hin zum Herzen-Gewinnungs-Marketing zu bewegen und sich mit besonderer Sensibilität auf die Situation eines Unterwegskonsums gestalterisch und inhaltlich einzustellen. Das wird eine Herausforderung der besonderen Art an die Kreativen. Hier zählt jede Sekunde, wie man es heute ja beim Schreiben und Lesen der SMS mit ihren geradezu skurrilen Abkürzungen, Formeln und Icons täglich erlebt. Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass manches einfach nicht geht und auf andere Medien auszuweichen ist.
Trend 6 - Generation 50plus
Unter dem Motto „Die Jungen treiben die Alten“ wächst der Anteil der 50plus-Internetnutzer schneller als je zuvor. Seit dem zweiten Quartal 2007 ist die absolute Zahl der 50plus-Internetnutzer größer als die der Jüngeren bis 49 Jahre. Die Wertesysteme und Kaufmotive, das Verständnis und die Lerngeschwindigkeit dieser kaufkräftigen Generation sind aber deutlich anders. Es wird höchste Zeit, deren Mentalität präziser als in den Marken- und Marketingstrategien und in den kommunikativen Taktiken auch in Zukunft zu reflektieren. Denn es ist schon erstaunlich, dass die größten Zuwächse in der Internetnutzung in Altersklassen stattfinden, denen sich bisher noch keiner zugewandt hat, obwohl dort das meiste freie Geld und die meiste freie Zeit verfügbar ist.
Trend 7 - Konvergenz
Der höchste Effizienzgewinn wird durch eine enge Vernetzung von Off- und Online zu erzielen sein. Im Onlinebereich dominieren zwangsläufig die Aspekte Convenience und Preisbetonung. Offline sind es Beratung und Qualität. Die zentrale Aufgabe besteht darin, einen Media-Mix zu suchen, der innerhalb der Wertschöpfungskette ermittelt, welches Geld in welchem Medium gegenüber welcher Zielgruppe am sinnvollsten eingesetzt wird und wie eine Vernetzung dieser Medien zusätzliche Effizienz erreichen kann. Das Thema Vernetzung wird immer akzeptieren müssen, dass es keine hundertprozentige Lösung gibt. Aber je geringer die Ungenauigkeit bei der Kombination der Medien wird, um so geringer wird der Streuverlust. Man hat sich in den vergangenen Jahrzehnten schon bei den klassischen Medien daran gewöhnen müssen, „relative Effizienzen“ zu erzielen, und das wird auch in Zukunft in der Erweiterung auf die Off-/Online-Kombination nicht anders werden. Wichtig ist, sorgfältig zu beobachten, wer von den Media-Agenturen oder Spezialisten mit neuen Methoden und Modellen die nachrechenbar besten Ergebnisse garantieren kann.
Trend 8 - Psychographie und Demographie
Die gigantische Veränderung der Altersstrukturen in den hoch entwickelten Märkten verschiebt die Zielgruppen von der Abteilung „Jugendwahn“ in eine viel breitere Bevölkerungsschicht. Bisher wurden Konsumenten weitgehend durch ihre demographische Struktur definiert und in Zielgruppen zusammengefasst. Heute und vor allem morgen, wird die Psychographie zur Leitwährung. Wo sind die Analysemodelle im Internet, die darauf eine Antwort geben? Die klassischen Medien haben seit Jahrzehnten in diesen Forschungsbereich investiert und offerieren vergleichsweise brauchbare Planungshilfen. Für das Internet fehlt noch eine Menge. Oder muss das Prinzip der „kalkulierten Ungenauigkeit“ noch akzeptiert werden und als Investition eines jeden Werbetreibenden für eine präzisere Erkenntnis in Zukunft hingenommen werden? Das war in der Klassik so, warum soll es im Internet anders sein?
Trend 9 - Die neue Welt
Ist der asiatische Raum, der den Sprung vom Briefeschreiben direkt zu Internet und zu Mobile Phones vollzieht, ein Szenario, das eine vollkommen neue Startposition für das Marketing nahelegt? Und welche Konsequenzen für die Einführung und Pflege von Marken über Kommunikation ergeben sich daraus? Entstehen Marken als „Talk of the Town“ erst im Internet oder durch „Word of Mouth“ – ohne klassische Werbung, wie das früher Dell und jetzt Zara und Starbucks gelungen ist? Ist die Konsum-Kernzielgruppe zum Beispiel in China die typische Internet-Nutzergruppe - und erst viel später kann man an den Massenmarkt herantreten? Macht das deshalb Sinn, weil die User auch die Meinungsbildner sind, die auf alle anderen weniger Konsumkräftigen abstrahlen? Besonders wichtig wird es werden, die durch die Regierungen wie der in China limitierte Präsenz der Internetplattformen auf anderen Wegen auszugleichen, zum Beispiel durch den Einsatz der Mobile Phones, die dort eine überproportionale Anwendung und Verbreitung haben.
Für die Kreation wird es wichtig zu lernen, dass Chinesen – aber auch andere asiatische Bürger – stärker visuell als verbal angesprochen werden müssen. Die Bild-Kultur mit ausgeprägter Ästhetik herrscht dort vor. Und Markeninszenierungen, die auf kulturelle Archetypen sowie Mythen und Rituale aufbauen, wirken besonders gut.
Trend 10 - Primat der Marketing-Controller
Wenn Zielgruppenermittlung und Budgetallokation darüber entscheiden, ob die ROI-Ziele für Markeneinführung, Markenexpansion und Markenführung erreicht werden, dann werden die Media-Fachleute zu Investitionsberatern. Sie rücken an die erste Stelle und die Werbegestalter folgen nach. Das ordnet die Planungsprozesse neu, und gibt den Marketing-Controllern das letzte Wort, vor allem wenn der Markenwert in den kommenden Jahren bilanzfähig wird. Die Kommunikation für die Marke rückt dann aus dem Bereich der Kosten in die Kategorie der Investitionen. Das wird die Methodik und die Effizienzberechnung im Marketing in ein neues Licht stellen. Für die Kategorie Onlinewerbung gegenüber klassischer Werbung besteht dann ein enormer Nachholbedarf für Werbeerfolgskontrolle und Messbarkeit der eingesetzten Mittel. Der vermeintliche Vorteil, direkter mit dem Konsumenten zu kommunizieren, muss mit absolut verlässlichen Zahlen in Sachen Effizienz hinterlegt werden. Wenn dazu heute noch mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen bestehen, wird der Druck auf die objektiven Berater in den Agenturen zunehmen. Sie werden eigene unabhängige Modelle zu entwickeln haben, um die zwangsläufig subjektiven Planungsdaten zu objektivieren. Auf der anderen Seite werden die Agenturgruppen sehr vorsichtig damit umgehen müssen, nicht plötzlich auch eigene „Medien” anzubieten. Die Neutralität bleibt die Basis der Glaubwürdigkeit. Jede Expansion darüber hinaus könnte kontraproduktiv sein. Die Agentur-Branche tut gut daran, in Methoden und Systeme zu investieren, die den Wert der On- und Offline-Medien messbar machen. „The key to success is getting what is right for the client. It is about delivering flexibility and innovation”, sagte Nick Theakstone, der COO von GroupM, in einem am 13.10.2006 mit Campaign geführten Interview. Wenn man sich das Aegis-Planungsmodell heute ansieht, mit dem eine auf zwei Stunden limitierte Buchungs- beziehungsweise Änderungsfrist für Onlinewerbung eingeräumt wird, kann man sich gut vorstellen, welch intensiven Wettbewerb wir vor uns haben.
Wie aus Verwirrung Orientierung werden kann.
Der aktuelle Onlinewerbemarkt ist gekennzeichnet von einem hohen Grad an Verwirrung. Die Ratschläge der Experten sind – um es höflich auszudrücken – uneinheitlich. Weder die Media-Agenturen, geschweige denn die Werbeagenturen haben rechtzeitig in Forschung und Entwicklung zur Effizienzmessung und Erfolgs-kontrolle investiert, um zu medienunabhängigen – also neutralen – Ergebnissen als Planungsgrundlage zu kommen.
Google hat sich mit dem Kauf von Doubleclick auch gutes Forschungs-Know-how über die Messbarkeit von Onlinewerbung erworben und dient dies seinen Kunden an. Google bietet sogar eigene Außendienstmitarbeiter an, die die werbetreibende Industrie direkt beraten. Wie objektiv dieser Service ausfallen kann, mag jeder selbst beurteilen. Aber es zeigt, wie dringend notwendig es wird, durch neutrale und unabhängige Media-Agenturen valide Auskünfte und harte Fakten angeboten zu bekommen.
Der Spätstart, den diese Branche in Sachen Online-Media-Know-how hingelegt hat, ist eigentlich überraschend. Die großen Akquisitionen von Herrn Levy mit Digitas und Herrn Sorrell jüngst mit 24/7 Real Media machen deutlich, dass das Schlachtfeld nicht mehr nur den Medien überlassen bleiben darf. Und Herrn Sorrells Klagen über das Verhalten von Google kommt zwar reichlich spät – aber es kommt wenigstens. Die übrigen Agenturen, und schlimmer noch ihre Verbände, haben bis heute nicht realisiert – oder wollen es nicht – dass die Online-Media-Anbieter gerade dabei sind, das traditionelle Dreiecksverhältnis Kunde/Media/Agentur in eine Direktbeziehung Medien/werbetreibende Kunden umzupolen. Übrigens, bei genauerem Hinsehen führt das zu einem Nachteil für alle drei Beteiligten. Und zwar aus ganz plausiblen Gründen:
1. Weil der werbetreibende Kunde den objektiven, neutralen Berater verliert.
2. Weil die Agenturen ihre Beratungsrolle verlieren - vom Verlust des Beratungshonorars einmal ganz abgesehen.
3. Weil langfristig die Onlinemedien selbst durch erhöhte eigene Vertriebsaufwendungen in Personal und Forschung an Profitabilität einbüßen.
Diese Trilogie der Nachteile ergibt sich aus dem wachsenden Verdrängungs-wettbewerb, in den die Onlinewerbung über die Jahre hineinwachsen wird.
Was heißt das alles für die Marketingchefs?
1. Die Onlinespezialisten, die seit mehr als zehn Jahren mit Internet und einige auch schon mit Mobile Marketing umgehen, scheinen noch über einen klaren Wissensvorsprung zu verfügen. Vor allem haben sie enorme Erfahrung in den Dingen gesammelt, die nicht funktionieren. Und das ist mindestens so viel Wert wie das Know-how aus den Erfolgen. Zur Zeit ist der Rat dieser Spezialisten noch die sicherste Quelle.
2. Mittelfristig werden die Mediaagenturen die kompetenten Ansprechpartner. Sie rüsten zur Zeit heftig auf, kaufen Spezialisten oder kooperieren mit ihnen. Und sie bilden selbst Experten heran. Der harte Verdrängungwettbewerb der fünf großen Mediaeinkäufer weltweit, die für etwa 80 Prozent des Marktes stehen, wird diese Entwicklung beschleunigen. Damit kann das Marketing der Industrie schneller auf geeignete Mess- und Effizienzmodelle zurückgreifen, die heute noch im Dschungel der Onlinewerbung fehlen.
3. Die Kreativen in den Onlineagenturen haben heute noch einen klaren Vorsprung im Umgang und in der Anwendung der technologischen Varianten im Internet. Sie sind mit ihnen aufgewachsen, sie leben mit ihnen, sie können ihre Ideen direkt auf Online übersetzen, ohne sich erst mit der neuen Technologie im handwerklichen Sinne herumschlagen zu müssen. Mittelfristig werden die klassischen Kreativen in den Werbeagenturen aufholen, wenn sie merken, dass sie bald nur noch Teilzeit-Talente in Sachen ganzheitlicher Kommunikation zu werden drohen. Dieses Umdenken und Lernen wird eine neue Generation von Kreativen hervorbringen.
4. Der „Aktivste Lerner“ ist zur Zeit die werbetreibende Industrie selbst. Wer Mr. Stengel von P&G und dessen CEO Mr. A. G. Lafley in den letzen Jahren zugehört hat, der weiß, dass dort eine breite Spielwiese praktizierenden Lernens in allen New Media-Bereichen vorhanden ist. Und es ist ratsam, alles mitzulesen und sorg-fältig anzuhören, was dort an Erkenntnissen und Ergebnissen veröffentlicht wird. Erfreulicherweise haben sich inzwischen auch andere Weltkonzerne auf dieses Experimentierfeld begeben. Es wird interessant sein zu beobachten, zu welchen gesicherten Erkenntnissen diese Erfahrungen führen. Wer ungeduldig ist und nicht abwarten will, muss in den sauren Apfel beißen und eigene Projekte aufsetzen und seine eigenen Erfahrungen sammeln. „First come – first serve“ heißt die hier etwas gnadenlose Devise.
Die Prognose ersetzt den Zufall durch den Irrtum
Die Kernidee der Marke muss kreativ nach wie vor im Vordergrund stehen und erst dann folgt der Transport zum Verbraucher. Diese Reihenfolge sollte man sich immer wieder vor Augen führen, sonst wedelt - wie man so schön sagt – der Schwanz mit dem Hund. Wenn schon in der Vergangenheit die klassischen Medien schwer mit verbindlicher Wirkungskontrolle zu optimieren waren, dann ist das im Kontext der neuen Medien erst recht ein langer, mühsamer Lernweg. Der Vorteil der New Media-Alternativen mag darin liegen, dass sie nicht nur anonyme Massenzielgruppen erreichen, sondern Wege entstehen, die personalisierte und individuelle Interaktion ermöglichen. Die Gretchen-Frage bleibt, ob das unter Economy of Scale-Gesichtspunkten Sinn macht. Zuerst ist das richtige Transportmittel für die Markenbotschaft festzulegen. Aber dann muss alle Kraft darauf verwendet werden, kreative Ausdrucksformen für Onlinewerbung zu finden, die die Mentalität der Internetnutzer wirklich trifft. Die Methoden aus dem klassischen Bereich – soviel ist sicher – sind es nicht mehr!
Der nächste strategische Schritt, den der Autor dem Marketing-Management empfiehlt, ist, Vernetzung zu praktizieren und die Konvergenz zwischen allen Medien immer neu zu prüfen. In jeder Lebensphase einer Marke heißt das, zunächst eine klare Aufgabenbeschreibung für jedes einzelne Medium festzulegen, und dann in der Kombination der Medien, wie in einem Mosaik oder wie in einem Schachspiel zu lernen, wie die größte Wirkung erzielt werden kann. Aus dieser Praxis werden sich immer mehr Fehler vermeiden lassen und die Planungssicherheit wird folglich zunehmen. Effizienz entsteht durch das Vermeiden von Umwegen und Fehlern, und sie verlangt einen demutsvollen Weg. Aber wer nur Dinge anfasst, die hundertprozentig sicher sind, hat die Dynamik unternehmerischen Handels nicht verstanden. Die Zeiten des Media „Mensch ärgere Dich nicht“ sind vorbei. Hochkarätiges Schach ist angesagt!
„Effizient werben“ war die Überschrift und die Antwort lautet: „Hoffentlich bald.”
Noch sind die neuen Medien, einschließlich Internet, zu jung, um vor dem strengen Blick der Marketing Controller in allen Belangen „proven successful“ als Merkmal vorweisen zu können. Noch gilt der Spruch: Die Prognose ersetzt den Zufall durch den Irrtum. Aber wer sich nicht traut, neue Wege zu erproben, eignet sich selten für das Marketing. Auch hier ist unternehmerisches Gespür gefragt und auch hier ist Mut und Initiative Pflicht. Das Beruhigende ist, dass alle gemeinsam im „Sandkasten der frühen Jahre“ experimentieren. Das macht dann schon wieder im sportlichen Sinne Spaß, weil Geschick und eine Portion Glück das Spiel bestimmen, wie im richtigen Leben.
Literatur
[1] Nielsen//NetRatings
John Naisbitt: 8 Megatrends, die unsere Welt verändern. - 447 Seiten, ISBN: 978-3854361794, Signum, 1995.
Bernd M. Michael: Werkbuch M wie Marke, ISBN: 978-3791022185, Schäffer-Poeschel, 2003.
Campaign Magazine, 13.10.2006.
Campaign Magazine, 12.05.2006.
Financial Times, 01.05.2007.
http://buchblog.marketing-boerse.de
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenOM
Es gibt ein wunderschönes Zitat von John Cage: „Keine Ahnung, warum Menschen Angst vor neuen Ideen haben. Ich jedenfalls fürchte mich vor den alten.“ Mit dieser Aussage im Kopf macht es sicher Sinn, sich die alten Zeiten kurz noch einmal vor Augen zu führen.
Viele Marketingfachleute, ob Brand-Manager der Industrie oder Berater auf der Dienstleistungsseite, haben den Aufstieg und Fall der New Economy noch in guter – oder besser: in schlechter – Erinnerung. Der Hype, der sich damals äußerlich in spektakulären Schlagzeilen, in Prognosezahlen unglaublichen Ausmaßes und vor allem in schwindelerregenden Börsenbewertungen dokumentierte, steckt allen noch etwas in den Knochen. Deshalb ist die leicht zögerliche Hinwendung der letzten Jahre, mit Werbung im Internet aufzutreten, nur allzu verständlich. Erst in den letzten 24 Monaten jagt ein Geheimtipp den anderen. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ wird hier in Anlehnung an den berühmten historischen Satz hinter vorgehaltener Hand getuschelt und sanfter Druck auf alle die erzeugt, die an die Kraft des „First Movers“ im Marketing glauben.
Mehr noch: Werbe- und Marketingfachpresse stürzen sich mit Inbrunst auf alles, was nur im Entferntesten mit Internet zu tun hat: von Web 1.0 zu Web 2.0 und neuerdings sogar Web 3.0 – was immer sich dahinter verbergen mag. Die etwas bedächtigere Wirtschaftspresse registriert diesen Überschwang des Interesses mit kühlen, sachgerichteten Fragen nach Fakten, Zahlen, Wirkungsnachweisen und Zielgruppenanalysen.
Die Financial Times überschrieb einen Artikel (Abb. 1) dazu mit „Bubble 2.0 – A Silicon Valley investment boom heads for a shake out“ und behandelte die nüchterne Frage, welche rechenbaren Elemente sowohl im Web 1.0 als auch im Web 2.0 einen seriösen Return on Investment (ROI) realisierbar machen. Nicht zuletzt die vielen hektischen Mergers & Acquisitions in der Internet-Branche entziehen sich wieder einmal – wie damals Ende der 1990er-Jahre – den üblichen Bewertungssätzen der traditionellen Weltwirtschaft. Damals wurde die „old economy” mit dem schicken Begriff „Brick and mortar“ disqualifiziert. Heute kommt eine neue Dimension dazu. Man spürt im eigenen täglichen Leben, wie sehr Internet und digitale Welten tatsächlich in unser berufliches und privates Dasein eingreifen. Langsam wird der Satz des Leiters einer großen Staatsbibliothek immer wahrer: „Für die junge Generation gilt: Was nicht im Internet zu finden ist, existiert überhaupt nicht!“
Was will der Autor mit dieser Vorbemerkung zum Thema „Effizient werben“ zum Ausdruck bringen?
Ja, wir haben aus dem Dilemma der New Economy gelernt. Ja, wir spüren, dass das Internet eine wachsende Komponente unseres Alltags geworden ist. Und ja, das Zeitbudget, das Menschen heute für den Umgang mit dem Internet aufwenden, ist im Wesentlichen auf Kosten anderer Medien gegangen. Das ist für Marketing und Werbung die Schlüsselerkenntnis: Diese Wanderungsbewegung, die die Menschen vollzogen haben, hat noch nicht ihre Entsprechung in der Verlagerung der Kommunikationsbudgets gefunden.
Mehr noch: Das Internet wird noch kaum für Markenaufbau und Markenpflege eingesetzt. Es ist noch kein strategischer Baustein der Markenarchitektur geworden, sondern hält sich noch im taktischen Bereich von Direktmarketing, Aktionsmarketing und von Response-Denken auf. Onlinewerbung muss ins Zentrum der Markenführung rücken – vom „Kinderzimmer“ ins „Wohnzimmer“ des Markenhauses. Wer das verstanden hat und praktiziert, schafft sich damit schon heute einen Wettbewerbsvorteil.
Damit nähern wir uns dem entscheidenden Punkt. Hat die zögerliche Budget-verschiebung gute Gründe? Oder hat hier jemand etwas übersehen? Ist die Explosion der Internetnutzung so rasch erfolgt, dass die Media-Agenturen und vor allem deren Werbewirkungskontrolle nicht Schritt halten konnten? Oder hat der Schock der New Economy heilsam gewirkt und verhindert, dass Milliardenbeträge nur deshalb flugs in Onlinewerbung investiert wurden, um ja nichts zu verpassen?
Effizient werben - Fragezeichen oder Ausrufezeichen
Nein – dies ist kein Aufsatz, der endlich Antwort gibt, wie online am effektivsten zu werben ist. Ja – es ist der Versuch, sich dem Thema so zu nähern, dass sich der Grad der Ungenauigkeiten verringert. Der Herausgeber dieses Buches hat seine Autoren aufgefordert, praktische Arbeitshilfen an den Leser zu geben und sich nicht in Theorien zu verlieren. Also dann:
Die schlechte Nachricht zu effizienter Werbung im Internet ist, dass weder theoretisch noch praktisch genügend klare Fakten und Wirkungsmessdaten vorliegen, die die Effizienz nachweisbar lesbar machen. Die gute Nachricht ist, dass dies für jeden Marketing-Direktor die Chance produziert, für seine Marke einen Wettbewerbsvorsprung herauszuarbeiten. Wenn er sich tapfer den Weg durch den Dschungel der Halbwissenden schlägt, um endlich bei den wenigen Spezialisten zu landen, die qualitativ befriedigende Orientierung geben können. Und warum eigentlich nicht? New Media insgesamt ist ein Schauplatz der Ungenauigkeit, der aber gleichzeitig den Mutigen und Intelligenten viele neue Chancen bietet.
Erlauben Sie mir deshalb, Ihnen die folgenden Gedanken anzudienen. Und lesen Sie sie bitte mit der Gewissheit, dass der Verfasser niemandem etwas verkaufen will. Er tut es aus der Distanz des kritischen Beobachters einer Branche, die permanent faszinierend neue Medienformate herausbringt und selbstsicher einzuschätzen versucht, was Top oder Flop ist.
Lassen Sie mich mit einem Beispiel beginnen, das durch die ganze Weltpresse gegangen ist: Google kauft YouTube. Alle Welt rätselt noch heute, wie man 1,6 Milliarden US-Dollar für ein YouTube-Geschäft bezahlen konnte, das zur Zeit nur etwa 17 Millionen US-Dollar Umsatz macht. Also ein Multiple von circa 100 – in Worten: Hundert!! Und plötzlich – wenige Wochen später, konnte man die erstaunliche Meldung lesen, dass Google in einer Art Rückwärtsintegration eine Menge Radiostationen in den USA für einige hundert Millionen US-Dollar gekauft hat. Was will uns diese vermeintlich widersprüchliche Akquisitionspolitik zwischen New Media und Old Media sagen? Eine plausible Erklärung könnte sein: Die Zukunft wird die Vernetzung aller Medien bringen. Mit Betonung auf „aller“! Kein „entweder oder”, sondern ein „sowohl als auch”.
Und weiter kann man folgern: „Content is King“ und nicht „The Medium is the Message“. Content wird das Wettbewerbsinstrument Nummer eins, denn: Egal, wie sich die neuen Internet-Suchmaschinen aufstellen werden - aus Sicht des Nutzers gewinnt derjenige, der den umfassendsten und aktuellsten Content hat. Der Blick auf die fast wöchentlichen Bewegungen von Yahoo, Microsoft, Google, Wikipedia, aber auch WPP, Publicis und anderen zeigt, wie sich die zukünftigen Marktgrößen in Stellung bringen. Und das ist die wichtigste Erkenntnis für den gestressten Marketing-Direktor, der über die Investition von Budgets im Internet zu entscheiden hat: Wer den besten Content anzubieten hat, ist der effizienteste Werbeplatz. Aber:
Wie kann der Marketingexperte – während das Rennen noch läuft – Sicherheit gewinnen, mit seinen Werbebudgets an diesen besten Plätzen zu landen?
The answer is Yes. What was the question?
Die Zahl verbindlicher und für die Finanzplanung abgesicherter Antworten auf die Effizienz der Onlinewerbung ist zur Zeit noch kleiner als die Menge der noch offenen Fragen. Die Wirkungsnachweise und deren Kriterien werden derzeit noch mehr von „soft facts“ diktiert als von „hard facts“. Die Planungs- und Optimierungswerkzeuge sind nur teilweise geeignet, einen gesicherten Return on Investment zu garantieren. Noch herrscht Pionierstimmung vor. Noch ist gesunder Menschenverstand hilfreicher als so manche Analyse. So gesehen muss man sich im Moment mit kritischen Fragen begnügen, weil konkrete Antworten nur selten geliefert werden können. Hier sind zehn solcher Fragen, über die es sich vielleicht nachzudenken lohnt.
Frage 1:
Welche Rolle kann Onlinewerbung im Media-Mix qualitativ besser und wirtschaftlich effizienter als andere Medien übernehmen? Wie sieht eine kritische Gegenüberstellung, die auf harten Werten, Fakten und Zahlen basiert, präzise aus?
Frage 2:
Welcher Prozentsatz des Werbebudgets sollte in die jeweilige Phase des Lebens-zyklus einer Marke für Onlinewerbung investiert werden? Welchen Job übernimmt Onlinewerbung, zum Beispiel beim Aufbau einer Marke oder bei ihrer Etablierung im Massenmarkt oder bei ihrer Verteidigung gegen den Wettbewerb?
Frage 3:
Welche Signale und Botschaften der Marke passen besser ins Internet als in andere Medien? Welche Markenwerte können im Internet besser vermittelt werden? Und welche nicht?
Frage 4:
Deckt sich die Kernzielgruppe, die die Marke ansprechen will, mit den Internet-nutzern, die man über die Onlinewerbung erreicht? Oder ist man noch zu sehr auf die Reichweitendaten der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF) angewiesen und muss man auf die detaillierte demographische oder psychographische Qualifizierung der Zielgruppe noch lange verzichten? Und stellt sich hier die Frage, ob das Gießkannen-Prinzip solange angewendet werden sollte, bis endlich ausreichende qualitative Daten zur Focussierung auf spezielle Zielgruppen vorliegen? Solange es noch heiße Diskussionen zwischen SZM (Skalierbare Zentrale Messverfahren und den Internetfakten der AGOF gibt, wird der nächste Schritt wohl auf sich warten lassen.
Frage 5:
Welche Messinstrumente stehen bereits verlässlich für die Wirkungsnachweise zur Verfügung? Wie lassen sie sich mit den Messmethoden anderer Medien vergleichen? Noch hat fast jedes Medium seine eigene Methode für die Wirkungsmessung. Und die daraus sichtbare „Währung” ist noch schwer im Media-Mix miteinander zu vergleichen. Ist Targeting teurer als die Steigerung an Effizienz, die man damit erreicht? Natürlich ist das Profil der Nutzer, das in einem Cookie aufgezeichnet wird, der erhoffte Schritt vorwärts: Nicht mehr das thematische Umfeld, sondern der Nutzer selbst ist die „Währung“, mit der geplant wird. Aber um welchen Preis? Und die Frage drängt sich auf: Wie weit erlaubt der Datenschutz überhaupt, das User- Tracking als Basis eines verlässlichen „Behavioural Targeting“ voranzutreiben?
Frage 6:
Welche anderen Medien lassen sich durch Onlinewerbung am qualifiziertesten ersetzen? Oder welche ergänzende Aufgabe kann Onlinewerbung übernehmen, die mit anderen Medien überhaupt nicht zu erledigen ist? Welche Auswirkungen hat das auf den Media-Mix? Und wie viel Geld ist das wirklich wert - on top oder zu Lasten anderer Medien?
Frage 7:
Welche emotionalen Elemente der Markenwelten lassen sich im Internet bei gegebener Technologie heute schon vermitteln? Welche Gefühle können im Internet überhaupt ausgelöst und vertieft werden bei einer Zielgruppe, deren Absicht es ist, möglichst schnell an die gesuchten Informationen zu kommen? Oder ist Onlinewerbung die Domäne zur Steigerung des Bekanntheitsgrades und der eher rationalen Markenwerte - und hat dort ihre Grenzen?
Frage 8:
Sichern die vorhandenen Such-Programme – egal, ob nach Search-Engine- Marketing (SEM), Search-Engine-Optimization (SEO) oder Affiliate-Marketing - deren sich die Kunden direkt oder die Media-Agenturen heute schon teilweise bedienen, die Effizienz des Budgeteinsatzes oder bleibt der Internetnutzer ein schwer zu ortender „Vagabund“, der sich schneller bewegt, als man ihm folgen kann? Diese Dynamik ist ein Phänomen des Mediums Internet, das uns täglich mit neuen Inhalten, neuen Anreizen und neuen Anlässen überrascht und kaum feste Content-Strukturen offeriert. Und wird deshalb SEO zwangsläufig langfristig eine höhere Investitionssicherheit erreichen?
Frage 9:
Wieviel Werbung lässt sich der Internetnutzer gefallen, ohne sich in seiner auf maximal schnelle Informationssuche ausgerichteten Absicht behindert oder besser „ausgebremst“ zu sehen? Wann schlägt das in „Behinderung“ um? Oder umgekehrt: Wieviele Inhalte und Zeit darf Internetwerbung dem Nutzer „zumuten”, um nicht Verärgerung statt Begeisterung zu erzeugen? Und: Welche Kreativen haben das schon verinnerlicht und wenden es richtig an? Hier ist „learning by doing” die einzige Möglichkeit, die Reaktion der Nutzer sorgfältig einschätzen zu lernen. Interessant wird die Frage: Welche Media-Agenturen und welche Werbeagenturen verfügen bereits über Know-how, das mit diesem sensiblen Thema umgehen kann und daraus einen Vorsprung im Markt schafft?
Frage 10:
Welche neuen Spielregeln bringt Web 2.0 für den Umgang mit Marken und die neue „Mitbestimmung“ durch die Konsumenten? Es gibt das ominöse Stichwort „Brand Wikization“. Auf deutsch heißt das: Wie sehr beeinflusst der Konsument in Zukunft die Gestalt der Marke? Wir müssen noch lernen, was davon Kontrollverlust über die Marke ist und was Kontrollgewinn? Die bestehende Marke permanent auf die Verbraucherwünsche synchronisieren zu können, wäre ja eine wunderbare Form des zukünftigen „Customizing”, wenn auch unter ganz neuen Vorzeichen. Aber heute muss nüchtern festgehalten werden, dass nur ganz wenige Internetnutzer Web 2.0-Aktivisten sind. In USA bisher nur acht Prozent! Wussten Sie das? Und im Blick auf Second Life tummeln sich dort schlappe 1,28 Millionen Menschen weltweit, das sind etwa 0,1 Prozent der globalen Internetnutzer. Kürzlich gab es plötzlich Zahlen, die von 6,68 Millionen Nutzern sprachen. Aber auch dann redeten wir nur von 0,6 Prozent der Internet Freunde. Also Vorsicht!
I’m still confused, but on a higher level
Für Ihre tägliche Arbeit mag auch die Beschäftigung mit der mittel- bis langfristigen Entwicklung des Internetmarktes generell von Interesse sein. Bob Garfield hat dazu in „Advertising Age” eine wunderbare Serie unter dem Titel „The Chaos Scenario“ verfasst. Unabhängig davon bietet der Autor hier zehn Trends an, die in Zukunft für jeden Marketing Direktor von Bedeutung sein werden:
Trend 1 - Die Brand Communities
Ist die Community-Bildung der effektivste und effizienteste Weg, Kundenbindung zu erreichen und gleichzeitig Servicenutzen für die Kunden ergänzend zum Produkt anzubieten? Bildet sich daraus die „Fan“-Gruppe für die Marke und welche Meinungsbildnerfunktion lässt sich daraus ableiten und anwenden? Oder ist es nur eine Ergänzungsstrategie, bei der der Zufall die Planbarkeit überholt? Die Stärke ist zweifellos der hohe Loyalitätswert bei Community-Sites, den das Marktforschungsunternehmen Nielsen mit 56 Prozent ermittelt hat. Wenn diese Werte Bestand haben, sind eigene Communities langfristig der absolut sicherste Weg, sein Werbegeld effizient zu bewirtschaften.
Trend 2 - Web 2.0
Sind Web 2.0-Produkte wie Blogs, YouTube, Second Life, MySpace oder andere Foren Anlaufstationen von Selbstdarstellern, ewig Unzufriedenen und Besserwissern – oder sind es Meinungsbildner, Trendsetter, Peer Groups und damit entscheidende Minderheiten, die - wie John Naisbitt das in seinem Buch „Megatrends“ beschrieben hat – Mehrheiten dominieren und damit eine Vorreiterrolle in der Gesellschaft übernehmen, die ernsthaft und kalkulierbar wird? Wie die Media-Beobachter berichten, stieg die Zahl der Nutzer, die sogenannte „Unique Audience“, auf Web 2.0-Sites zwischen Februar 2006 und Februar 2007 um 32 Prozent. Die Seitenbesuche, neudeutsch „Page Views“, kletterten im selben Zeitraum um 77 Prozent. Und die auf diesen Seiten verbrachte monatliche Zeit stieg um 48 Prozent auf 45 Minuten. In Deutschland ist Wikipedia die bevorzugte Internetseite mit einer Reichweite von 33 Prozent.
Die meist diskutierte Frage für die Zukunft ist: Wann ebbt der Run auf die immer neuen Angebote im Web 2.0 ab und führt nur noch bei den „Star-Sites“ zu eindrucksvollen Volumina?
Trend 3 - User generated content
Ist das unbestritten Authentische im Web 2.0 auch ausreichend repräsentativ, um es auf die eigenen Zielgruppen hochrechnen zu können? Und wenn nicht, welche Funktion bei der Führung der Marke lässt sich „user generated“ delegieren? Wird es zur neuen Quelle für Motiv- und Marktforschung, die schneller aktuellere Reaktionen der Konsumenten an den Brand-Manager liefert? Oder umgekehrt: Ist es für den Brand-Manager in Zukunft wichtig, die Konsumenten systematisch zu ermutigen, auf seine Marke und ihr Angebot zu reagieren? Und wie einfach muss es dem Konsumenten gemacht werden, damit er sich einbringt? Wichtig dabei ist, die Meinungsbildner und diejenigen, die sich als Experten sehen, als Erste zu ermutigen.
Trend 4 - Pareto-Prinzip
Wenn es wahr ist, dass alles in dieser Welt dem Pareto-Prinzip unterliegt, gilt das dann nicht auch für den Content des Internets? Und wenn dieses 20:80-Prinzip für Online auch zutrifft, wie unterscheidet man die 20 Prozent von den 80 Prozent - vor allem im Hinblick auf die „Heavy User“-Zielgruppen, die für die Effizienz der eingesetzten Werbegelder so wichtig sind? Welche der Optimierungsmodelle beantworten das bereits? Geben zum Beispiel die neuen Angebote von Google mit „Analytics“ oder noch aktueller, mit „Universal Search“ darauf eine Antwort?
Die hektische Akquisition neuer Partner von allen Anbietern wie Doubleclick bei Google oder Aquantive durch Microsoft, Right Media von Yahoo oder auch die Expansion von WPP auf 24/7 Real Media und AOL mit Adtech zeigen, dass wir noch lange nicht mit ausgewogenen und in ihrer Effizienz unbestrittenen Angeboten im Onlinemarkt rechnen können.
Trend 5 - Mobiles Internet
Wenn das Internet durch i-phone und andere „Multichannel Computer“ zum mobilen Internet wird, welche Bedeutung bleibt dann noch für Onlinewerbung im „stationären“ Bereich? Ist Onlinewerbung über PC, Laptop oder TV-Gerät dann die alte Generation und Mobile Marketing wird zur neuen Generation, die total individuell auf den Mobile-Nutzer maßgeschneidert wird? Das Mobile ist das persönlichste Medium – eng verbunden wie ein Körperteil - und deshalb gilt es noch intensiver als je zuvor, vom Absenderdenken auf Empfängerdenken auch werblich umzuschalten. Und es gilt vor allem, sich vom reinen Verkaufs-Direktmarketing hin zum Herzen-Gewinnungs-Marketing zu bewegen und sich mit besonderer Sensibilität auf die Situation eines Unterwegskonsums gestalterisch und inhaltlich einzustellen. Das wird eine Herausforderung der besonderen Art an die Kreativen. Hier zählt jede Sekunde, wie man es heute ja beim Schreiben und Lesen der SMS mit ihren geradezu skurrilen Abkürzungen, Formeln und Icons täglich erlebt. Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass manches einfach nicht geht und auf andere Medien auszuweichen ist.
Trend 6 - Generation 50plus
Unter dem Motto „Die Jungen treiben die Alten“ wächst der Anteil der 50plus-Internetnutzer schneller als je zuvor. Seit dem zweiten Quartal 2007 ist die absolute Zahl der 50plus-Internetnutzer größer als die der Jüngeren bis 49 Jahre. Die Wertesysteme und Kaufmotive, das Verständnis und die Lerngeschwindigkeit dieser kaufkräftigen Generation sind aber deutlich anders. Es wird höchste Zeit, deren Mentalität präziser als in den Marken- und Marketingstrategien und in den kommunikativen Taktiken auch in Zukunft zu reflektieren. Denn es ist schon erstaunlich, dass die größten Zuwächse in der Internetnutzung in Altersklassen stattfinden, denen sich bisher noch keiner zugewandt hat, obwohl dort das meiste freie Geld und die meiste freie Zeit verfügbar ist.
Trend 7 - Konvergenz
Der höchste Effizienzgewinn wird durch eine enge Vernetzung von Off- und Online zu erzielen sein. Im Onlinebereich dominieren zwangsläufig die Aspekte Convenience und Preisbetonung. Offline sind es Beratung und Qualität. Die zentrale Aufgabe besteht darin, einen Media-Mix zu suchen, der innerhalb der Wertschöpfungskette ermittelt, welches Geld in welchem Medium gegenüber welcher Zielgruppe am sinnvollsten eingesetzt wird und wie eine Vernetzung dieser Medien zusätzliche Effizienz erreichen kann. Das Thema Vernetzung wird immer akzeptieren müssen, dass es keine hundertprozentige Lösung gibt. Aber je geringer die Ungenauigkeit bei der Kombination der Medien wird, um so geringer wird der Streuverlust. Man hat sich in den vergangenen Jahrzehnten schon bei den klassischen Medien daran gewöhnen müssen, „relative Effizienzen“ zu erzielen, und das wird auch in Zukunft in der Erweiterung auf die Off-/Online-Kombination nicht anders werden. Wichtig ist, sorgfältig zu beobachten, wer von den Media-Agenturen oder Spezialisten mit neuen Methoden und Modellen die nachrechenbar besten Ergebnisse garantieren kann.
Trend 8 - Psychographie und Demographie
Die gigantische Veränderung der Altersstrukturen in den hoch entwickelten Märkten verschiebt die Zielgruppen von der Abteilung „Jugendwahn“ in eine viel breitere Bevölkerungsschicht. Bisher wurden Konsumenten weitgehend durch ihre demographische Struktur definiert und in Zielgruppen zusammengefasst. Heute und vor allem morgen, wird die Psychographie zur Leitwährung. Wo sind die Analysemodelle im Internet, die darauf eine Antwort geben? Die klassischen Medien haben seit Jahrzehnten in diesen Forschungsbereich investiert und offerieren vergleichsweise brauchbare Planungshilfen. Für das Internet fehlt noch eine Menge. Oder muss das Prinzip der „kalkulierten Ungenauigkeit“ noch akzeptiert werden und als Investition eines jeden Werbetreibenden für eine präzisere Erkenntnis in Zukunft hingenommen werden? Das war in der Klassik so, warum soll es im Internet anders sein?
Trend 9 - Die neue Welt
Ist der asiatische Raum, der den Sprung vom Briefeschreiben direkt zu Internet und zu Mobile Phones vollzieht, ein Szenario, das eine vollkommen neue Startposition für das Marketing nahelegt? Und welche Konsequenzen für die Einführung und Pflege von Marken über Kommunikation ergeben sich daraus? Entstehen Marken als „Talk of the Town“ erst im Internet oder durch „Word of Mouth“ – ohne klassische Werbung, wie das früher Dell und jetzt Zara und Starbucks gelungen ist? Ist die Konsum-Kernzielgruppe zum Beispiel in China die typische Internet-Nutzergruppe - und erst viel später kann man an den Massenmarkt herantreten? Macht das deshalb Sinn, weil die User auch die Meinungsbildner sind, die auf alle anderen weniger Konsumkräftigen abstrahlen? Besonders wichtig wird es werden, die durch die Regierungen wie der in China limitierte Präsenz der Internetplattformen auf anderen Wegen auszugleichen, zum Beispiel durch den Einsatz der Mobile Phones, die dort eine überproportionale Anwendung und Verbreitung haben.
Für die Kreation wird es wichtig zu lernen, dass Chinesen – aber auch andere asiatische Bürger – stärker visuell als verbal angesprochen werden müssen. Die Bild-Kultur mit ausgeprägter Ästhetik herrscht dort vor. Und Markeninszenierungen, die auf kulturelle Archetypen sowie Mythen und Rituale aufbauen, wirken besonders gut.
Trend 10 - Primat der Marketing-Controller
Wenn Zielgruppenermittlung und Budgetallokation darüber entscheiden, ob die ROI-Ziele für Markeneinführung, Markenexpansion und Markenführung erreicht werden, dann werden die Media-Fachleute zu Investitionsberatern. Sie rücken an die erste Stelle und die Werbegestalter folgen nach. Das ordnet die Planungsprozesse neu, und gibt den Marketing-Controllern das letzte Wort, vor allem wenn der Markenwert in den kommenden Jahren bilanzfähig wird. Die Kommunikation für die Marke rückt dann aus dem Bereich der Kosten in die Kategorie der Investitionen. Das wird die Methodik und die Effizienzberechnung im Marketing in ein neues Licht stellen. Für die Kategorie Onlinewerbung gegenüber klassischer Werbung besteht dann ein enormer Nachholbedarf für Werbeerfolgskontrolle und Messbarkeit der eingesetzten Mittel. Der vermeintliche Vorteil, direkter mit dem Konsumenten zu kommunizieren, muss mit absolut verlässlichen Zahlen in Sachen Effizienz hinterlegt werden. Wenn dazu heute noch mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen bestehen, wird der Druck auf die objektiven Berater in den Agenturen zunehmen. Sie werden eigene unabhängige Modelle zu entwickeln haben, um die zwangsläufig subjektiven Planungsdaten zu objektivieren. Auf der anderen Seite werden die Agenturgruppen sehr vorsichtig damit umgehen müssen, nicht plötzlich auch eigene „Medien” anzubieten. Die Neutralität bleibt die Basis der Glaubwürdigkeit. Jede Expansion darüber hinaus könnte kontraproduktiv sein. Die Agentur-Branche tut gut daran, in Methoden und Systeme zu investieren, die den Wert der On- und Offline-Medien messbar machen. „The key to success is getting what is right for the client. It is about delivering flexibility and innovation”, sagte Nick Theakstone, der COO von GroupM, in einem am 13.10.2006 mit Campaign geführten Interview. Wenn man sich das Aegis-Planungsmodell heute ansieht, mit dem eine auf zwei Stunden limitierte Buchungs- beziehungsweise Änderungsfrist für Onlinewerbung eingeräumt wird, kann man sich gut vorstellen, welch intensiven Wettbewerb wir vor uns haben.
Wie aus Verwirrung Orientierung werden kann.
Der aktuelle Onlinewerbemarkt ist gekennzeichnet von einem hohen Grad an Verwirrung. Die Ratschläge der Experten sind – um es höflich auszudrücken – uneinheitlich. Weder die Media-Agenturen, geschweige denn die Werbeagenturen haben rechtzeitig in Forschung und Entwicklung zur Effizienzmessung und Erfolgs-kontrolle investiert, um zu medienunabhängigen – also neutralen – Ergebnissen als Planungsgrundlage zu kommen.
Google hat sich mit dem Kauf von Doubleclick auch gutes Forschungs-Know-how über die Messbarkeit von Onlinewerbung erworben und dient dies seinen Kunden an. Google bietet sogar eigene Außendienstmitarbeiter an, die die werbetreibende Industrie direkt beraten. Wie objektiv dieser Service ausfallen kann, mag jeder selbst beurteilen. Aber es zeigt, wie dringend notwendig es wird, durch neutrale und unabhängige Media-Agenturen valide Auskünfte und harte Fakten angeboten zu bekommen.
Der Spätstart, den diese Branche in Sachen Online-Media-Know-how hingelegt hat, ist eigentlich überraschend. Die großen Akquisitionen von Herrn Levy mit Digitas und Herrn Sorrell jüngst mit 24/7 Real Media machen deutlich, dass das Schlachtfeld nicht mehr nur den Medien überlassen bleiben darf. Und Herrn Sorrells Klagen über das Verhalten von Google kommt zwar reichlich spät – aber es kommt wenigstens. Die übrigen Agenturen, und schlimmer noch ihre Verbände, haben bis heute nicht realisiert – oder wollen es nicht – dass die Online-Media-Anbieter gerade dabei sind, das traditionelle Dreiecksverhältnis Kunde/Media/Agentur in eine Direktbeziehung Medien/werbetreibende Kunden umzupolen. Übrigens, bei genauerem Hinsehen führt das zu einem Nachteil für alle drei Beteiligten. Und zwar aus ganz plausiblen Gründen:
1. Weil der werbetreibende Kunde den objektiven, neutralen Berater verliert.
2. Weil die Agenturen ihre Beratungsrolle verlieren - vom Verlust des Beratungshonorars einmal ganz abgesehen.
3. Weil langfristig die Onlinemedien selbst durch erhöhte eigene Vertriebsaufwendungen in Personal und Forschung an Profitabilität einbüßen.
Diese Trilogie der Nachteile ergibt sich aus dem wachsenden Verdrängungs-wettbewerb, in den die Onlinewerbung über die Jahre hineinwachsen wird.
Was heißt das alles für die Marketingchefs?
1. Die Onlinespezialisten, die seit mehr als zehn Jahren mit Internet und einige auch schon mit Mobile Marketing umgehen, scheinen noch über einen klaren Wissensvorsprung zu verfügen. Vor allem haben sie enorme Erfahrung in den Dingen gesammelt, die nicht funktionieren. Und das ist mindestens so viel Wert wie das Know-how aus den Erfolgen. Zur Zeit ist der Rat dieser Spezialisten noch die sicherste Quelle.
2. Mittelfristig werden die Mediaagenturen die kompetenten Ansprechpartner. Sie rüsten zur Zeit heftig auf, kaufen Spezialisten oder kooperieren mit ihnen. Und sie bilden selbst Experten heran. Der harte Verdrängungwettbewerb der fünf großen Mediaeinkäufer weltweit, die für etwa 80 Prozent des Marktes stehen, wird diese Entwicklung beschleunigen. Damit kann das Marketing der Industrie schneller auf geeignete Mess- und Effizienzmodelle zurückgreifen, die heute noch im Dschungel der Onlinewerbung fehlen.
3. Die Kreativen in den Onlineagenturen haben heute noch einen klaren Vorsprung im Umgang und in der Anwendung der technologischen Varianten im Internet. Sie sind mit ihnen aufgewachsen, sie leben mit ihnen, sie können ihre Ideen direkt auf Online übersetzen, ohne sich erst mit der neuen Technologie im handwerklichen Sinne herumschlagen zu müssen. Mittelfristig werden die klassischen Kreativen in den Werbeagenturen aufholen, wenn sie merken, dass sie bald nur noch Teilzeit-Talente in Sachen ganzheitlicher Kommunikation zu werden drohen. Dieses Umdenken und Lernen wird eine neue Generation von Kreativen hervorbringen.
4. Der „Aktivste Lerner“ ist zur Zeit die werbetreibende Industrie selbst. Wer Mr. Stengel von P&G und dessen CEO Mr. A. G. Lafley in den letzen Jahren zugehört hat, der weiß, dass dort eine breite Spielwiese praktizierenden Lernens in allen New Media-Bereichen vorhanden ist. Und es ist ratsam, alles mitzulesen und sorg-fältig anzuhören, was dort an Erkenntnissen und Ergebnissen veröffentlicht wird. Erfreulicherweise haben sich inzwischen auch andere Weltkonzerne auf dieses Experimentierfeld begeben. Es wird interessant sein zu beobachten, zu welchen gesicherten Erkenntnissen diese Erfahrungen führen. Wer ungeduldig ist und nicht abwarten will, muss in den sauren Apfel beißen und eigene Projekte aufsetzen und seine eigenen Erfahrungen sammeln. „First come – first serve“ heißt die hier etwas gnadenlose Devise.
Die Prognose ersetzt den Zufall durch den Irrtum
Die Kernidee der Marke muss kreativ nach wie vor im Vordergrund stehen und erst dann folgt der Transport zum Verbraucher. Diese Reihenfolge sollte man sich immer wieder vor Augen führen, sonst wedelt - wie man so schön sagt – der Schwanz mit dem Hund. Wenn schon in der Vergangenheit die klassischen Medien schwer mit verbindlicher Wirkungskontrolle zu optimieren waren, dann ist das im Kontext der neuen Medien erst recht ein langer, mühsamer Lernweg. Der Vorteil der New Media-Alternativen mag darin liegen, dass sie nicht nur anonyme Massenzielgruppen erreichen, sondern Wege entstehen, die personalisierte und individuelle Interaktion ermöglichen. Die Gretchen-Frage bleibt, ob das unter Economy of Scale-Gesichtspunkten Sinn macht. Zuerst ist das richtige Transportmittel für die Markenbotschaft festzulegen. Aber dann muss alle Kraft darauf verwendet werden, kreative Ausdrucksformen für Onlinewerbung zu finden, die die Mentalität der Internetnutzer wirklich trifft. Die Methoden aus dem klassischen Bereich – soviel ist sicher – sind es nicht mehr!
Der nächste strategische Schritt, den der Autor dem Marketing-Management empfiehlt, ist, Vernetzung zu praktizieren und die Konvergenz zwischen allen Medien immer neu zu prüfen. In jeder Lebensphase einer Marke heißt das, zunächst eine klare Aufgabenbeschreibung für jedes einzelne Medium festzulegen, und dann in der Kombination der Medien, wie in einem Mosaik oder wie in einem Schachspiel zu lernen, wie die größte Wirkung erzielt werden kann. Aus dieser Praxis werden sich immer mehr Fehler vermeiden lassen und die Planungssicherheit wird folglich zunehmen. Effizienz entsteht durch das Vermeiden von Umwegen und Fehlern, und sie verlangt einen demutsvollen Weg. Aber wer nur Dinge anfasst, die hundertprozentig sicher sind, hat die Dynamik unternehmerischen Handels nicht verstanden. Die Zeiten des Media „Mensch ärgere Dich nicht“ sind vorbei. Hochkarätiges Schach ist angesagt!
„Effizient werben“ war die Überschrift und die Antwort lautet: „Hoffentlich bald.”
Noch sind die neuen Medien, einschließlich Internet, zu jung, um vor dem strengen Blick der Marketing Controller in allen Belangen „proven successful“ als Merkmal vorweisen zu können. Noch gilt der Spruch: Die Prognose ersetzt den Zufall durch den Irrtum. Aber wer sich nicht traut, neue Wege zu erproben, eignet sich selten für das Marketing. Auch hier ist unternehmerisches Gespür gefragt und auch hier ist Mut und Initiative Pflicht. Das Beruhigende ist, dass alle gemeinsam im „Sandkasten der frühen Jahre“ experimentieren. Das macht dann schon wieder im sportlichen Sinne Spaß, weil Geschick und eine Portion Glück das Spiel bestimmen, wie im richtigen Leben.
Literatur
[1] Nielsen//NetRatings
John Naisbitt: 8 Megatrends, die unsere Welt verändern. - 447 Seiten, ISBN: 978-3854361794, Signum, 1995.
Bernd M. Michael: Werkbuch M wie Marke, ISBN: 978-3791022185, Schäffer-Poeschel, 2003.
Campaign Magazine, 13.10.2006.
Campaign Magazine, 12.05.2006.
Financial Times, 01.05.2007.