print logo

Methodisch top – menschlich Flop

Wolfgang Ronzal | 17.07.2007
Mangelnde und schlechte Führung sind der Produktivitätskiller Nr.1 in der Wirtschaft. Diverse Studien zeigen teils niederschmetternde Ergebnisse hinsichtlich der Führungs-kompetenz auf. Dies führt dazu, dass immer mehr Mitarbeiter „innerlich kündigen“ und sich nicht mehr für ihre Arbeit und ihren Arbeitgeber engagieren. Die Folge sind schwache Mitarbeiterbindung, hohe Fehlzeiten und niedrige Produktivität.

Die meisten Führungskräfte sind zwar meistens sehr gut bezüglich Methodenkompetenz geschult, haben aber hohe Defizite in der Sozialkompetenz. Dies ist künftig auch stärker bei den Fortbildungs-maßnahmen zu berücksichtigen, indem Ressourcen umgeschichtet werden. Führungskräfte müssen vor allem hinsichtlich Führung, Motivation und Persönlichkeit ausgebildet und entwickelt werden.

Deutsche Chefs sind unsozial

Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie, die die Rendsburger Personalberatung Studnitz & Partner erstellt hat (Quelle: managerSeminare, Heft 61, Nov./Dez. 2002).
Rund 1.500 befragte Berufstätige ließen durch ihre Antworten keinen Zweifel daran, dass ihre Vorgesetzten im zwischenmenschlichen Bereich kläglich versagen.

Im Einzelnen wird an den Vorgesetzten bemängelt:

>spenden unausgewogen Anerkennung und Kritik 79 %
>sind selten direkt zu erreichen 71 %
>nehmen Sorgen und Probleme nicht wahr 68 %
>gehen nicht differenziert auf Fähigkeiten des einzelnen ein 60 %
>sprechen Konflikte und Probleme selten oder nie an 59 %
>gestehen Fehlentscheidungen nicht oder ungern ein 59 %
>fällen Entscheidungen oft im Alleingang 57 %

Glänzend sind die Leistungen der Chefs, wenn es darum geht, die gemeinsame Arbeit zu koordinieren, Prioritäten und klare Ziele zu setzen sowie Gruppenbesprechungen effektiv zu gestalten. Konzepte und Präsentationen werden perfekt erstellt.

Produktivitätskiller Führung

Von 220 Arbeitstagen im Jahr verstreichen 78 in deutschen mittel-ständischen Unternehmen unproduktiv. Das hat die Czipin & Partner Produktivitätsberatung in einer Langzeitstudie herausgefunden (Quelle: managerSeminare, Heft 44, September 2000). Mangelnde Planung und Steuerung sowie mangelnde Führung machen einen Großteil der Produktivitätsverluste aus. Fast die Hälfte der Zeit verbringen Manager mit administrativen Tätigkeiten zu, was zu einer unzulänglichen Kommunikation im Betrieb führt.

84 % haben kein Interesse an ihrer Arbeit

>Nur 16 % der Arbeitnehmer in Deutschland haben echtes Interesse
an ihrer Arbeit,
>84 % hingegen gaben an, keine echte Verpflichtung ihrer Arbeit
gegenüber zu verspüren.
>15 Prozent davon wurden sogar als „aktiv unengagiert“ eingestuft.

Dies ergab eine Befragung von 2.000 Arbeitnehmern durch Gallup im August 2001 (Quelle: wirtschaft & weiterbildung, Nov./Dez. 2001).
Als wichtigster Grund für das fehlende Engagement wurde das schlechte Führungsverhalten der Manager angeführt.

Die Wichtigkeit der Führungskraft

1.Viele gängige Strategien berücksichtigen viel zu wenig, daß der
gestaltende Faktor aller wirtschaftlichen Vorgänge der Mensch ist,
daß dieser Mensch auf Reize reagiert und daß diese Reize positive
oder negative Reaktionsketten auslösen, ohne daß er sich dessen
bewusst ist. Durch die bloße Anwesenheit von Führungskräften
entsteht schon eine Beurteilung durch die Mitarbeiter in eine dieser
beiden Richtungen. Noch viel mehr dann durch das jeweilige
Verhalten.

2.In einem Unternehmen gibt es eine Reihe von Dingen, die sich der
Organisierbarkeit schlechthin entziehen und die vielmehr an der
Eigendynamik der Selbstorganisation eines Unternehmens entstehen
müssen. Loyalität, Identifikation, Vertrauen, Motivation, u.v.m.
können nicht durch Rundschreiben oder Appelle herbeigeführt werden.
Führungskräfte müssen die Voraussetzungen für deren Entstehen
und Entwicklung schaffen.

3.Der entscheidende Ansatzpunkt für die packende Menschenführung
liegt im Gefühls- und Erlebens, nicht im Verstandesbereich. Die
Führungskräfte müssen also die Methodenkompetenz beherrschen,
werden aber damit alleine nur wenig erreichen, wenn sie nicht im
zwischenmenschlichen Bereich akzeptiert werden.

Demotivation versus Motivation

Diverse Untersuchungen, zeigen einen eindeutigen Zusammenhang bzw. Abhängigkeit des Verkaufserfolges vom Führungsstil auf. Je besser der Führungsstil, umso mehr wird verkauft.

Philip B. Crosby schrieb in seinem Bestseller „Quality Is Free“:
„Die Mitarbeiter orientieren sich stets an den Standards, die ihre Chefs
vorgeben. Wenn die Chefs das Ziel vorgeben, daß weniger als
Perfektion angestrebt werden soll, dann werden sie genau das
bekommen.“

Ich erinnere mich noch an das Interview mit Dr. Vasella bei einem der vergangenen Club-Kongresse bei einer Frage hinsichtlich der Teilnahme der 2. Ebene bei Fortbildungsmaß-nahmen, auf die er antwortete:
„Wenn der Chef teilnimmt, dann wird es für die anderen schwierig,
nicht teilzunehmen.“

Und wer kennt nicht das Zitat von Dr. Reinhard K. Sprenger aus seinem Bestseller „Mythos Motivation“:

„Wir müssten unsere Mitarbeiter nicht motivieren, wenn wir aufhören
würden, sie ständig zu demotivieren“.

Er führt dabei aus, daß Demotivation meist vor der Motivation kommt, weil Führungskräfte ihren Mitarbeitern nichts zutrauen, sie nicht einbeziehen, sie nicht wirklich ernst nehmen, ihre Leistung nicht bemerken (wollen ?) und anerkennen, nicht mit ihnen reden, usw.

„Nächsten Montag um 15.00 Uhr motiviere ich wieder meine Mitarbeiter!“

Nun so leicht geht das leider nicht. Motivation kann man nicht an einem Termin ansetzen oder über „Knopfdruck ausüben. Wir alle kennen die Zusammenkünfte, wo versucht wird, mit eindringlichen Appellen die Notwendigkeit einer Leistungs- und Ergebnissteigerung zu
argumentieren. Alle hören zu, denken sich ihren Teil, nicken zustimmend oder verhalten sich ruhig. Jeder weiß zwar inhaltlich und sachlich Bescheid, aber so richtig motiviert geht niemand weg.

Motivation ist ein vielschichtiger Prozess. Wenn man von Motivation spricht , so ist dies keine Taktik, die man zum Gebrauch einsetzen kann, sondern in erster Linie ein Ergebnis zwischenmenschlicher Beziehungen. Motivation entsteht durch die Zusammenarbeit
zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. In dieser Zusammenarbeit gibt es eine Reihe von Erwartungen seitens der Mitarbeiter, deren Erfüllung zu Motivation führt.

Beziehungsfähigkeiten sind also bei den Führungskräften gefragt.
Paul Watzlawick sagte schon:
„Der Beziehungsaspekt einer Kommunikation ist dem Inhaltsaspekt
grundsätzlich übergeordnet.“

Führungskräfte: Leitende Sachbearbeiter oder sachkundige Leiter?

Wenn wir uns nun fragen, warum verhalten sich denn die Führungs-kräfte nicht motivierend? Dafür gibt es eine Reihe möglicher Gründe:

>Oft wird der beste Spezialist, der beste Verkäufer, der Mitarbeiter mit
dem höchsten Fachwissen zur Führungskraft befördert.
Diese Fähigkeiten nützen leider wenig für die Führungsaufgabe. Auch
wenn sich diese Personen noch mehr Wissen aneignen, noch härter
und mehr arbeiten, ihre Kapazität wird beschränkt bleiben. Sie sind
dann lediglich „leitende Sachbearbeiter“. Eine Führungskraft sollte
vielmehr „sachkundiger Leiter“ sein, was viele aber aus ihrer
Entwicklung nicht schaffen.

>Wo nehmen wir schnell eine Führungskraft her?
Meistens gibt es bei der Besetzung auch einen Zeitdruck. Es muss
schnell entschieden werden. Dies führt zu Kompromisslösungen
und Fehlentscheidungen. Wie soll man auch in einem einstündigen
Gespräch oder Interview eine fundierte Entscheidung treffen können.
Es fehlen qualitative Auswahlverfahren.

>Mangelnde Ausbildung und Vorbereitung.
In wenigen Unternehmen, und wenn dann meist nur in großen Firmen,
gibt es eine Potenzialanalyse und Potenzialentwicklung für künftige
Führungskräfte. Führungskräfte beginnen unvorbereitet ihre neue
Führungsaufgabe und sind dementsprechend unsicher. Dies ist oft
bei sehr jungen Managern festzustellen.

>Mangelnde Fortbildung.
Ich kenne Führungskräfte, die seit 20 Jahren nicht mehr auf einem
Führungsseminar (in den Feldern Motivation, Kommunikations-
psychologie, Konfliktmanagement, Feedback, etc.) waren. Seminare
zur Persönlichkeitsentwicklung werden nur vereinzelt angeboten.
Führen muss und kann man lernen.

>Kostendruck.
Wenn Unternehmen sparen müssen, dann wird als erstes das Budget
in diesem Bereich gekürzt. Aber gerade in solchen Zeiten werden die
zwischenmenschlichen Fähigkeiten und die Sozialkompetenz benötigt.
Veränderungen können überwiegend nur emotional bewältigt werden.

>Führungskräfte in Angst:
Laut einer Langzeituntersuchung der Fachhochschule Köln (2000),
haben rund 70 % der deutschen Manager Angst um ihren Arbeitsplatz.
Weitere 59 % haben Angst, Fehler zu machen und 56 % fürchten den
Verlust von Wertschätzung und Anerkennung. Und immerhin
44 Prozent haben Angst vor Falschinformationen durch
einen missgünstigen Rivalen im Unternehmen, wobei diese
Befürchtung in den vergangenen 3 Jahren um 12 Prozentpunkte
zugenommen hat.

Also beginnt das Problem eigentlich ganz oben bei der Unternehmensleitung. Einerseits erkennt sie dieses Problem nicht oder stuft es als wenig wichtig ein. Andererseits tun Manager der obersten Etagen selbst nichts in diese Richtung. In dieser Position ist es
vermeintlicher Prestigeverlust, auf ein Führungs- oder Persönlichkeits-seminar zu gehen. Und damit fehlt dann die entsprechende Vorbildwirkung auf die nächste Führungsebene. Die Folge: das oberste Management beschäftigt sich mit Methodenkompetenz und
vernachlässigt die Sozialkompetenz. Der Kreis schließt sich.

Schlussfolgerung:

Investieren Sie in die Entwicklung Ihrer Führungskräfte und intensivieren Sie die Aus- und Fortbildung. Nicht nur die Fach- und Produktschulung, sondern insbesondere die Persönlichkeitsentwicklung. Verbessern Sie die Sozialkompetenz Ihrer Führungskräfte.

Wolfgang Ronzal, Erfolgstrainer, www.ronzal.at
Img of Wolfgang Ronzal

Nach über 30 Jahren als Führungskraft im Vertrieb bin ich nun selbständig als Trainer, Berater, Redner, Moderator und Kabarettist tätig.