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Kundenrückgewinnung in sieben Schritten (Teil 2)

Come back!, das neue Buch der Loyalitätsexpertin Anne M. Schüller zeigt, wie Ex-Kunden Schritt für Schritt reaktiviert werden können.
Anne M. Schüller | 21.02.2007

Hohe Fluktuationsraten haben einen verheerenden Einfluss auf die wirtschaftliche Stabilität eines Unternehmens. Doch vielfach werden Kundenverluste - wenn überhaupt registriert - tabuisiert oder als Bagatellschaden abgetan. Ein Computer fehlt beim Inventar: großes Trara! Ein Kunde - und damit ein Vielfaches an Wert - fehlt am Ende des Jahres: Schulterzucken! Da kann man nichts machen, passiert halt, suchen wir uns eben Neue!

Verlorene Kunden sind die ungeliebten Kinder des Verkaufs. Denn sie haben unangenehme Wahrheiten parat. Sie führen uns Niederlagen und persönliches Versagen vor Augen. Sie können der Karriereplanung im Weg stehen. Oder einen Schatten auf die eigene Herrlichkeit werfen. Vor allem aber: Den Abtrünnigen nachzulaufen hat einen entwürdigenden Beigeschmack.


Die Erfolgsfaktoren im Kundenrückgewinnungsmanagement

Das Wiedergewinnen verlorener Kunden, im englischen als Customer Recovery bezeichnet, ist eine ergiebige Quelle zusätzlicher Erträge. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren des Kundenrückgewinnungsmanagement sind:

• ein kundenfokussiertes Management
• engagierte Mitarbeiter, die Kunden ‚lieben’
• die Selektion der ‚richtigen’ Kunden
• ein zielführender Dialog
• emotionale und materielle ‚Köder’
• ein schnelles Timing.

Diese werden hier in aller Kürze und im Buch sehr detailliert erläutert.


Das kundenfokussierte Management

Die einzigen, die das Überleben eines Unternehmens auf Dauer sichern, sind die Kunden. Und zwar begeisterte, ja geradezu glückliche, dem Unternehmen durch und durch verbundene treue Immer-wieder-Kunden, die zudem als aktive positive Empfehler das Neugeschäft sichern.

Management und Marketing, so sage ich, heißt: Menschen glücklich machen.

>>> Das bedeutet im BtoB-Geschäft: den Kunden helfen, erfolgreicher zu sein.
>>> Und das bedeutet im BtoC-Geschäft: den Kunden helfen, besser zu leben.

Grundvoraussetzung für den Erfolg eines jeden Rückgewinnungsprogramms ist die kompromisslos kundenfokussierte Einstellung des Managements. Dies müssen alle Führungskräfte – und nicht nur die Vertriebs- und Marketingleute - jedem Mitarbeiter deutlich sichtbar vorleben. Denn wie ein Domino-Effekt kaskadiert positives wie negatives Verhalten der Führungsspitze über alle Hierarchie-Stufen nach unten – und schwappt dann zum Kunden rüber.

Hat also das Rückgewinnungsmanagement die volle Unterstützung der Führungsetage? Nur wenn diese ein lebhaftes Interesse an verlorenen und vor allem an wieder gewonnenen Kunden zeigt, dann wird sich Jeder im Unternehmen dafür mächtig ins Zeug legen.


Engagierte Mitarbeiter, die Kunden ‚lieben’

Verlorene Kunden sind unglücklich gemachte Kunden. Man hat ihnen keine Wertschätzung entgegengebracht, in ihnen keine Begeisterung entfacht, man hat sie nicht wirklich verstanden, man hat sie gelangweilt, verärgert oder ganz einfach vergessen. Nun suchen sie ihr Glück bei einem Anderen. „Wer seine Kunden mag, dem muss es doch leid tun, wenn sie sauer sind“, so Karl Born, ehemaliges Vorstandsmitglied der TUI.

Jedes Kundenrückgewinnungsprogramm ist nur so gut wie die Mitarbeiter, die dieses umsetzen. Also brauchen wir einfühlsame Mitarbeiter, die überzeugungsstark und frustrationsresistent agieren sowie unternehmerisch denken und handeln. Kurz: Mitarbeiter, die ihre Arbeit und die Kunden lieben. Sie entfalten sich am besten in einem fehlerfreundlichen, lernwilligen Umfeld und in einer ‚lachenden’ Unternehmenskultur.

‚Lachende’ Unternehmen sind kein Schlaraffenland. Sie bieten vielmehr den Mitarbeitern ständig neue Herausforderungen - im Kern ihrer Talente und auf hohem Niveau. Lachende Unternehmen schwingen positiv und verfolgen Gewinner-Strategien. Dort finden sich ein gut gelauntes Miteinander, offene und ehrliche Hin-und-Her-Kommunikation, Respekt und Anerkennung, Vertrauen, Sinn und Flow. In solchen Wohlfühl-Firmen herrscht ein 'kollektives Sprudeln', die pulsierende Energie gemeinsamer Begeisterung, ein Treibhausklima für Spitzenleistungen, ein Biotop für gute Ideen.

In ‚lachenden’ Unternehmen sind – und da ist eine Menge Neuro-Psychologie im Spiel - nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Kunden gern. Lachende Unternehmen verlieren wenig Kunden – und viele kommen geläutert zurück.


Die Selektion der ‚richtigen’ Kunden

Nicht jeden Kunden wollen Sie zurück. Und nicht jeder Kunde will zu Ihnen zurück. Zu den erfolgskritischen Faktoren gehört daher auch die Vorauswahl solcher Kunden, die rentabel waren bzw. sein werden und zurückholbar sind.

Um sich optimal auf die zu reaktivierenden Kunden einstellen zu können, braucht es eine funktionstüchtige Datenbank. Die Betonung liegt auf eine. Denn Kundenwissen ist in vielen Unternehmen auch heute noch verstreut in verschiedenen Abteilungen, versteckt in vergessenen Aktenschränken, verborgen in untersten Schubladen, in vielen Köpfen und auf vollen Festplatten. Graben Sie es aus, werfen Sie es in einen Topf, strukturieren und ordnen Sie es, füllen Sie Lücken auf und ergänzen Sie laufend!

Kundeninformationen sind strategisches Kapital. Um dem Rückgewinnungsmanagement dienlich zu sein, sollten bereits bei der Konfigurierung der Datenbank bzw. des CRM-Systems die folgenden Fragen mit einfließen:

• Welche Informationen benötigen wir schon jetzt, um die Kunden zurück gewinnen zu können, die möglicherweise später einmal abwandern?
• Wie kann uns das System rechtzeitig vor absprungbereiten Kunden warnen? Welche Prognosemodelle lassen sich erstellen? Welche Kunden sind besonders gefährdet? Können wir Muster und typische Profile potentieller Abwanderer erarbeiten? Mit welcher Genauigkeit lässt sich das bevorstehende Ende eines Geschäftsverhältnisses vorhersagen?
• Wie kennzeichnen wir Kunden, die wir wieder zurück gewonnen haben? Und wie sorgfältig wollen wir in Zukunft mit ihnen umgehen?

Aber Achtung! Bei allem Respekt vor der Bedeutung einer funktionsfähigen Software: Kunden sind keine Daten. Nur Menschen gelingt es durch das, was sie wie tun, verlorene Kunden zurückzuholen. Datenbanken sind adäquate Hilfsmittel auf dem Weg zum Ziel – mehr nicht.


Der zielführende Dialog

Kundenrückgewinnungsgespräche sind die letzte Chance, um hohe Investitionen in die zukünftige Neukunden-Gewinnung zu vermeiden. Und es sind die vielleicht diffizilsten Gespräche in der Laufbahn eines vertriebsorientierten Mitarbeiters. Ziel ist es, die Wiederaufnahme der unterbrochenen Geschäftsbeziehung zu besprechen, um in einem zweiten Anlauf doch noch Loyalität aufzubauen. Oft geht es ebenfalls darum, in Erfahrung zu bringen, weshalb Kunden kündigen bzw. warum sie sich zurückziehen und was mit welchen Mitteln getan werden kann, um Kündigungen abzuwehren.

Die Reaktivierung absprungwilliger oder bereits verlorener Kunden ist also etwas für Kommunikationsprofis. Persönliche bzw. telefonische Kontakte führen dabei am ehesten zum Erfolg. Denn da kann sich der Mitarbeiter ganz individuell und höchst einfühlsam um die Belange des Kunden kümmern. Dies vermittelt Wertschätzung, gibt Sicherheit und stellt Vertrauen wieder her. Es gilt, deutlich zu machen, dass das Unternehmen an einer zukünftig dauerhaften Geschäftsbeziehung wirklich interessiert ist und aufgetretene Probleme aufs Beste beheben wird.

Hierbei kommt es nicht darauf an, was das Unternehmen tut, sondern: Wie der Kunde dies wahrnimmt. Und das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Eine Menge Verkaufspsychologie ist vonnöten, um sich auf die individuelle Gesprächssituation und den jeweiligen Kundentyp optimal einzustellen. Die Mitarbeiter brauchen dazu fachliche und kommunikative Fähigkeiten – und ein hohes Maß an Identifikation mit ihrem Unternehmen.

Ferner brauchen sie beträchtliche Entscheidungskompetenzen. Denn die für den jeweiligen Fall passende Reaktion muss flexibel und schnell erfolgen. Langwierige bürokratische Prozesse verärgern den Kunden nur noch mehr. Schließlich muss der Mitarbeiter Kosten und Nutzen seiner Zugeständnisse betriebswirtschaftlich abwägen können. Blockt er zu stark ab, werden die Reaktivierungserfolge mager ausfallen. Ein sensibles Entgegenkommen ist deutlich zielführender. Und das muss gar nicht teuer sein.


Emotionale und materielle Köder

Untersuchungen zeigen immer wieder, dass im Rückgewinnungsmanagement die emotionalen und immateriellen Aspekte vielfach Vorrang haben vor den finanziellen. Wie es dazu kommt? Den meisten Menschen fehlt die Zuwendung Dritter. Jeder ist vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die Verstädterung, die Vereinzelung sowie die Flucht ins Internet tragen zum Zuwendungsmanko bei.

Evolutionär sind und bleiben wir allerdings Herdentiere. Unsere größte Furcht ist Liebesentzug. Allein in der Wüste – das wäre der sichere Tod. „Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste aller Drogen“, schreibt Georg Franck in seinem Buch Ökonomie der Aufmerksamkeit, und weiter:„Ihr Bezug sticht jedes andere Einkommen aus. Darum steht der Ruhm über der Macht, darum verblasst der Reichtum neben der Prominenz.“

Aufmerksamkeit und Wertschätzung, Fairness und Hilfsbereitschaft, eine offene und ehrliche Kommunikation sowie eine einfühlsame und freundliche Behandlung: Das ist für viele Kunden das größte Geschenk. Daneben sind eine effiziente Problemlösung sowie eine angemessene Wiedergutmachung wirkungsvolle Anreize zur Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung


Das schnelle Timing

Egal, ob das Abwandern still und leise erfolgt oder mit einer lautstarken Kündigung verbunden ist: Reagieren Sie auf Warnhinweise sofort. Wenn die Verträge mit dem neuen Anbieter unter Dach und Fach und die ersten Transaktionen prima gelaufen sind, ist es zu spät. Dann können Sie sich erst wieder bei der nächsten Vertragsrunde in Position bringen.

Je schneller die Reaktion, desto höher ist die Rückgewinnungsrate. Diese Erfahrung haben alle Unternehmen gemacht, die bereits Reaktivierungsaktionen durchgeführt haben. Praktiker berichten von Rückgewinnungsquoten von über 60 Prozent bei optimalem Timing.

Denn nicht immer hat sich der Abtrünnige bereits für einen neuen Anbieter entschieden, wenn er den alten verlässt. Zwar ist eine Trennung meist mit einem emotionalen Aufgewühltsein verbunden: Wut, Trauer, Ärger, Enttäuschung, Rache – je nachdem. Dennoch hatte man sich früher ja auch einmal gut vertragen. Daran lässt sich anknüpfen. Eine Restloyalität und damit auch Gesprächsbereitschaft ist oft noch vorhanden.

Sind erst einmal die emotionalen Verbindungslinien gekappt, wird das Zurückgewinnen schwieriger. Man hat sich nun einem neuen Partner zugewandt, hofft auf das Beste und rückt die positiven Seiten der neuen Beziehung in den Vordergrund. All das ist subjektiv eingefärbt – wird aber rational präsentiert. Auf solche kleinen ‚Tricks’ unseres Denkhirns fallen geübte Verkäufer allerdings nicht herein.


Das ultimative Ziel

Ganz klar: Die Reaktivierung ehemaliger Kunden kann immer nur ein Zwischenschritt sein. Was wir vor allem daraus lernen sollten: Prävention. Sämtliche Erkenntnisse, die sich aus den Begleitumständen der Kundenverluste ergeben, können helfen, es in Zukunft besser zu machen. So lassen sich die Leistungen des Unternehmens derart optimieren, das zukünftig weniger Kunden das Weite suchen. All dies zielt darauf, seine Bestandskunden länger als branchenüblich zu halten, sich ihre freiwillige Treue auf Dauer zu sichern und sie gegen jegliche Abwerbeversuche der Konkurrenz zu immunisieren.

Je länger ein Unternehmen einen rentablen Kunden hält, umso mehr Gewinn kann es durch ihn erzielen. Oberstes Ziel sollte es daher sein, möglichst keinen einzigen profitablen Kunden zu verlieren, den man behalten will. Hohe Kundenloyalität und niedrige Abwanderungsraten sichern den dauerhaften Geschäftserfolg. Das Kundenrückgewinnungsmanagement ist ein äußerst wirkungsvoller Baustein auf dem Weg zu diesem Ziel.


Buchtipp

Anne M. Schüller:
Come back! Wie Sie verlorene Kunden zurückgewinnen
Orell Füssli Verlag, Zürich 2007
223 Seiten, gebunden, CHF 44.00 / € 26.50
ISBN 978-3-280-05242-6

Hier bestellen: http://www.anneschueller.de/rw_e13v/main.asp?WebID=schueller3&PageID=122


Die Autorin

Anne M. Schüller ist Management-Consultant und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener Dienstleistungsbranchen gearbeitet und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin und siebenfache Buchautorin lehrt an mehreren Hochschulen. Sie gehört zu den besten Wirtschafts-Speakern im deutschsprachigen Raum und lebt in München.
Kontakt: www.anneschueller.de oder info@anneschueller.de.