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Kennzahlen zur Kundenrückgewinnung

Wie Sie den Erfolg von Aktionen zur Kundenrückgewinnung messbar machen
Anne M. Schüller | 08.01.2008
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Nur 13 Prozent aller Unternehmen betreiben ein systematisches Kundenrückgewinnungsmanagement. Dies ist das Ergebnis einer telefonischen Befragung unter 300 Führungskräften der deutschen Wirtschaft im Auftrag der Anne Schüller Marketing Consulting. Mit einer planmäßigen Reaktivierung ihrer verlorenen Kunden haben sich 48 Prozent der befragten Unternehmen nach eigenen Angaben noch nie, 39 Prozent höchstens punktuell befasst. Und nur bei knapp einem Drittel der Befragten wird die Kundenfluktuationsrate regelmäßig gemessen. Offensichtlich zeigen die meisten Unternehmen keinerlei Interesse an ihren abwandernden Kunden und lassen diese ohne jeglichen Rückholversuch einfach ziehen.


Angesichts steigernder Kosten für die Neukundengewinnung und deutlich nachlassender Kundenloyalität ist dieses Ergebnis alarmierend. Untersuchungen und Praxisberichte zeigen immer wieder, dass ein großer Teil der abtrünnigen Kunden bereit wäre, zurückzukehren, würde man sich nur ernsthaft um sie bemühen, etwaige Probleme aus der Welt schaffen und ihnen die Rückkehr ein wenig versüßen. Hierzu benötigen Unternehmen definierte Prozesse, befähigte Mitarbeiter und das notwendige Know-how.


Der 3. Weg zu neuen Kunden

Unternehmen können auf drei Arten Umsatz generieren, und zwar

• durch loyale Kunden, also solche, die dem Unternehmen und seinen Leistungen emotional verbunden sind, die deshalb gerne immer wieder kaufen und zu aktiven Empfehlern werden: Das ist die ergiebigste Art.

• durch neue Kunden, die zum ersten Mal bei einem Unternehmen kaufen: Das ist die aufwendigste und kostenintensivste Art.

• durch abgesprungene, also ehemalige Kunden, die zurück gewonnen werden können: Das ist die am wenigsten beachtete Art.

Im Ex-Kundenkreis schlummert ein beträchtliches Ertragspotenzial. Es ist nicht nur kostengünstiger, sondern häufig auch leichter, abgesprungene Kunden zurückzuholen, als Neukunden zu gewinnen. Die planmäßig betriebene Kundenrückgewinnung kann sich zu einem zentralen Wettbewerbsvorteil entwickeln. Denn die durch systematische Rückgewinnungsaktionen gewonnenen Erkenntnisse helfen ja nicht nur, den Kundenstamm zu vergrößern, sie bringen Unternehmen auch dazu, zukünftig präventiv tätig zu werden, um Kundenverluste von vorne herein zu vermeiden. Wer mehr als einmal Geschäfte mit Kunden macht, für den lohnt es sich immer, Zeit und Geld in die Kundenreaktivierung zu investieren. In vielen Punkten ist sie der Neukunden-Akquise deutlich überlegen.

Jedoch werden Kundenverluste, wenn überhaupt registriert, meist tabuisiert oder als Bagatellschaden abgetan. Ein Computer fehlt beim Inventar: großes Trara! Ein Kunde - und damit ein Vielfaches an Wert - fehlt am Ende des Jahres: Schulterzucken! Da kann man nichts machen, passiert halt, suchen wir uns eben Neue! Über seine abtrünnigen Kunden schweigt man sich besser aus. Sie sind offensichtlich der lebende Beweis für eine Niederlage. Lieber beschäftigt man sich mit zweifelhaften Siegen im Neukunden-Geschäft - selbst wenn diese mit hohen Streuverlusten und beträchtlichem finanziellen Aufwand teuer erkauft werden.


Der Prozess des Kundenrückgewinnungsmanagements

Das Kundenrückgewinnungsmanagement beginnt dort, wo alle Loyalisierungsmaßnahmen erfolglos blieben, wenn also der Kunde die Geschäftsbeziehung offiziell beendet bzw. das Unternehmen stillschweigend verlassen hat. Im Einzelnen geht es darum, zu erkennen, wer aus welchen Gründen abgewandert ist und wen man wie zurückholen kann und will, um es im zweiten Anlauf besser zu machen. Der Prozess des Rückgewinnungsmanagements lässt sich somit in fünf Schritten darstellen:

1. Identifizierung der verlorenen bzw. 'schlafenden' Kunden
2. genaue Analyse der Verlustursachen
3. Planung und Umsetzung von Rückgewinnungsmaßnahmen
4. Erfolgskontrolle und Optimierung
5. Prävention bzw. Aufbau einer ‚2. Loyalität’.

Alle Maßnahmen zielen auf den fünften Schritt: der Prävention von Kundenverlusten. Denn noch besser als verlorene Kunden zu reaktivieren ist es, erst gar keine zu verlieren. Und bei den zurück gewonnenen Kunden gilt es, eine ‚2. Loyalität’ aufzubauen, was bedeutet: Die Gründe (diesmal) zu bleiben sind besser als die Gründe (wieder) zu gehen. Eine dritte Chance gibt es so gut wie nie.


Kennzahlen zur Kundenrückgewinnung

Rückgewinnungsmanagement muss sich rechnen und einen Beitrag zur ökonomischen sowie zur ideellen Wertschöpfung leisten. Es kommt also nicht nur darauf an, dass am Ende der Aktion ein Mehrertrag in der Kasse ist, sondern auch, dass das Unternehmen seinen Ruf am Markt weiter verbessern konnte. So muss selbstverständlich überprüft werden, ob die Ziele, die mit der Rückgewinnungsaktion verbunden waren, auch erreicht wurden. Aber übertreiben Sie nicht! Kundenrückgewinnung ist eine Sache für Menschenversteher – und nicht für Kostenrechner. Überbordende Bürokratie züchtet uninspirierte, angepasste, stromlinienförmige Mitarbeiter, die sich wie die berühmten russischen Puppen lieber im Verborgenen halten. Somit fehlt es hinten und vorne an neuen, frischen Ideen, die gerade bei der Kundenrückgewinnung und anschließenden Reloyalisierung so dringend gebraucht werden.

Kontrolle also ja, aber so wenig wie nötig. Ein paar Kennzahlen machen durchaus Sinn, denn sie bewerten die Rentabilität der durchgeführten Rückgewinnungsprogramme.

Die Ursachenübersicht: Hierzu lassen sich Berichte erstellen, die die Abwanderungs- bzw. Kündigungsgründe mengenmäßig erfassen und optisch aufbereiten. Den einzelnen Gründen kann der entgangene Umsatz bzw. Deckungsbeitrag zugeordnet werden. Auch die Kosten, die für die jeweilige Fehlerbehebung, Nachbesserung, Ersatzlieferung, Wiedergutmachung usw. anfielen, können entsprechend zugeordnet werden. So entsteht eine Prioritätenliste für die anschließenden Präventiv-Maßnahmen.

Die Rückgewinnungsrate: das ist die Anzahl der wieder gewonnenen Kunden geteilt durch die Anzahl der kontaktierten Kunden. Wer die Eingabe in Datenbanken scheut: Hier reicht bereits eine einfache Strichliste. Optisch ansprechend aufbereitete Unterlagen machen mehr her als Excel-Tabellen, vor allem, wenn es gilt, die Geschäftsleitung vom unternehmerischen Nutzen der Aktion zu überzeugen.

Die Veränderung der Verweildauer: das ist die frühere durchschnittliche Verweildauer der Kunden im Verhältnis zur neuen durchschnittlichen Verweildauer. Dies lässt sich nach verschiedenen Kriterien (Branche, Alter, Geschlecht, Berufsgruppe o. ä.) weiter spezifizieren. Jede Verbesserung wirkt sich positiv auf die Erträge aus. Kunden werden in vielen Branchen ja erst im Laufe der Zeit, und zwar von Jahr zu Jahr, immer wertvoller. Bei Versicherungen und Kreditkarten-Instituten zum Beispiel übersteigen die Kunden-Gewinnungskosten die Erträge der ersten zwei bis drei Jahre.

Die Veränderung der Kundenfluktuation: das ist die Fluktuationsrate 1 (vor Beginn der Aktivitäten) verglichen mit der Fluktuationsrate 2 (danach, zu einem festgelegten Zeitpunkt errechnet). Wenn beispielsweise eine Firma pro Jahr im Durchschnitt 25 Prozent ihrer Kunden verliert, heißt das, dass die Kunden im Durchschnitt vier Jahre bleiben, sich also der komplette Kundenstamm alle vier Jahre erneuert. Diese Zahlen lassen sich für einzelne Kundengruppen, für den Gesamtbetrieb, für einzelne Bereiche oder bei Filialisten für die einzelnen Niederlassungen ermitteln und vergleichen.

Die Veränderung des Kundenwerts: das ist der frühere Kundenwert im Vergleich zum zukünftigem Kundenwert. Dieser setzt sich aus dem 'Lifetime Value' und dem 'Recommendation Value' zusammen. Der 'Lifetime Value' ist, vereinfacht ausgedrückt, der kumulierte zukünftige Ertrag (abgezinst) plus Kosteneinsparungen. Hinzugerechnet werden sollte der Referenzwert oder ‚Recommendation Value’ eines Kunden, das heißt, in welchem Maße es gelingt, durch seine Empfehlungen neue Kunden zu gewinnen.

Der Rückgewinnungsgewinn (oder wie man so schön englisch sagt: Return on Customer Recovery): Das sind die Rückgewinnungskosten im Verhältnis zum Rückgewinnungsertrag. Dabei muss der Anteil der erfolgreichen Rückgewinnung die Fehlschläge mitfinanzieren. Im Rückgewinnungsertrag soll nicht nur der zurück gewonnene Umsatz berücksichtigt werden, vielmehr sollen auch ideelle Werte wie Imagezugewinn, positive Mundpropaganda, Lerngewinne etc. mit einbezogen sein.

Die Nachkalkulation der Rückgewinnungskosten: das sind budgetierte Kosten zu tatsächlichen Kosten. Was hierbei manchmal vergessen wird: Das entscheidende Ziel ist nicht, sein Budget einzuhalten, sondern die maximal möglichen Ergebnisse zu erzielen. Sollten die budgetierten Gelder dafür nicht reichen, muss eben nachbudgetiert werden. Und wenn sich herausstellt, dass die Ergebnisse aus der Rückgewinnung deutlich besser sind als die aus der Neukunden-Akquise, sind die Budgets logischerweise umzuschichten.

Die Abwanderungsbewegungen: Hierbei wird aufgezeichnet, zu welchen Wettbewerbern die Kündiger abgewandert sind und welche jeweiligen Wechselgründe dazu angegeben wurden. Ebenso kann erfasst werden, welche Kunden man weshalb von der Konkurrenz (zurück) gewonnen hat. So lassen sich Umverteilungsströme darstellen und nützliche Erkenntnisse gewinnen. Gerade Mitarbeiter im Rückgewinnungsmanagement verfügen aufgrund ihrer tief gehenden Kundengespräche über exzellente Wettbewerbskenntnisse. Dies kann für die interne Marktforschung, für das Quality Management und die Entwicklungsabteilung sehr hilfreich sein.


Das Rückgewinnungswissen managen

Die Beschäftigung mit all diesen Kennzahlen bringt Unternehmen mächtig voran. So können verschiedene Aktionen miteinander verglichen werden. Die Wirksamkeit unterschiedlicher Rückgewinnungsangebote lässt sich überprüfen. Es kann erfasst werden, bei welchen Kundengruppen welche Rückholmaßnahmen anschlagen. Ferner sehen Sie, wie ein mehr oder weniger gutes Timing die Ergebnisse beeinflusst. Und Sie erkennen, welche Betreuer ein besonderes Talent in Sachen Reaktivierung haben. Schließlich können auf diese Weise die Verlustursachen immer besser spezifiziert und (hoffentlich) nahezu völlig eliminiert werden. Und die Tools zur Identifikation der gefährdeten Kunden lassen sich zunehmend verfeinern.

Im Einzelnen geht es also um:

• Maßnahmen zur zukünftigen Fehler-Vermeidung
• Verbesserungsprogramme (Produkte und Services)
• Verfügbarkeit des Wissens (Informationssystem)
• Erkennen gefährdeter Kunden (Frühwarnsystem)

So führt der Managementprozess der Kundenrückgewinnung dazu, dass das gesamte Unternehmen zur lernenden Organisation in Sachen Prävention von Kundenschwund wird.



Über die Autorin:

Anne M. Schüller ist Management-Consultant und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener Dienstleistungsbranchen gearbeitet und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin und siebenfache Buchautorin lehrt an mehreren Hochschulen. Sie gehört zu den besten Trainern und Wirtschafts-Speakern im deutschsprachigen Raum. Zu ihren Kunden zählt die Elite der Wirtschaft.
Kontakt: www.anneschueller.de oder www.kundenrueckgewinnung.com


Das Buch zum Thema:

Anne M. Schüller:
Come back! Wie Sie verlorene Kunden zurückgewinnen
Orell Füssli Verlag, Zürich 2007, 223 Seiten, gebunden, 26,50 Euro
ISBN 978-3-280-05242-6

Hier bestellen: http://www.anneschueller.de/rw_e13v/main.asp?WebID=schueller3&PageID=122