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IT Services & Outsourcing: Denk ich an Deutschland in der Nacht…

Accenture etwa schätzte das Einsparpotenzial durch BPO (Business Process Outsourcing) hierzulande auf 40 Milliarden Euro
Berlecon Research GmbH | 06.12.2006

Die Deutschlandmanager international aufgestellter Outsourcing-Anbieter sind nicht zu beneiden. Neben schwerem Essen und wenig Sonnenschein müssen sie sich mit der Zurückhaltung deutscher Unternehmen beim Outsourcing insgesamt und speziell mit neuen Themen wie BPO (Business Process Outsourcing) und Offshoring auseinandersetzen. Dabei scheint die Größe des deutschen Auslagerungsmarktes gewaltig. Accenture etwa schätzte das Einsparpotenzial durch BPO hierzulande auf 40 Milliarden Euro und rief bei dieser Gelegenheit gleich die "dritte Revolution der Wertschöpfung in der Praxis" aus.

Nach Fließbandproduktion (Revolution Nr.1) und Reduzierung der Fertigungstiefe (Nr.2) sollen nun unterstützende Prozesse an spezialisierte Provider ausgelagert werden (Nr.3). Die Outsourcing-Spezialisten, so die Idee, können mittels ihrer Expertise, der Ausnutzung von Skaleneffekten und dem Einsatz von Offshore-Ressourcen diese Leistungen wesentlich effizienter anbieten. Schließlich, so Accenture, laufen den Unternehmen im deutschsprachigen Raum die Verwaltungskosten aus dem Ruder. Die Lösung scheint offensichtlich: Alles raus, was nicht Kernkompetenz ist! Die Revolution erfasst Finanz- und Rechnungswesen, Einkauf und Logistik, Personalwesen und IT – alles heiße Kandidaten für die Auslagerung.

Angesichts des bislang ungehobenen Marktpotenzials ist es kein Wunder, dass vermehrt auch Anbieter aus dem Ausland, ob aus den USA, Großbritannien oder Indien, den deutschen Markt entdecken und ihren Deutschlandmanagern mit ambitionierten Zielvorgaben das Leben schwer machen. Die Erschließung des deutschen Marktes dürfte doch nicht so schwer sein, oder? Schließlich – so lernt es jeder Volkswirt – lässt doch kein vernünftig agierendes Unternehmen Geld auf der Straße liegen. Zudem dürfte die Liebe der Deutschen zu klar definierten (wenn auch manchmal umständlichen) Ablaufschemen das Auslagern ganzer Businessprozesse noch erleichtern.

Last but not least scheinen auch die deutschen Unternehmen dem Outsourcing-Paradigma nicht gänzlich abgeneigt – zumindest im IT-Umfeld. Laut Ergebnissen des EU-Projektes e-Business W@tch, in dem Berlecon Partner ist, hatten im Jahr 2005 bereits mehr als drei Viertel der deutschen Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeitern IT-Aufgaben an spezialisierte Provider ausgelagert. Bei Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitern liegt der Prozentsatz sogar schon bei knapp 90 Prozent. Basis der Untersuchung war eine EU-weite Befragung von IT-Verantwortlichen aus Unternehmen in 10 verschiedenen Branchen.

Dass sich viele Anbieter dennoch schwer tun, sich mit neuen Themen wie BPO und Offshoring im deutschen Markt zu etablieren, wird gern mit einer hier verbreiteten Angstkultur und Schwerfälligkeit begründet. So ganz abwegig ist dieses Argument nicht. Die schnelle Ausnutzung von Marktchancen ist durchaus nicht des Deutschen Stärke. Da sind uns Engländer und Amerikaner um Längen voraus. Herr Meier will es eben gaaaanz genau wissen. "Proof of Concept" ist ein geflügelter Begriff unter den Entscheidern in deutschen Unternehmen.

Ist diese deutsche Eigenart aber tatsächlich immer eine Schwäche? So sind deutsche Unternehmen mit ihrer Skepsis und Detailverliebtheit bei den vorherigen Revolutionen in der Wertschöpfung nicht schlecht gefahren. Obwohl sie weder das Fließband erfanden, noch Vorreiter bei der Reduktion der Fertigungstiefen waren, sind sie heute Exportweltmeister. Es dauerte eben alles etwas länger, wurde dann jedoch mit der sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit umgesetzt. So wird der Automatisierungsgrad der deutschen Produktion heute gemeinhin als überdurchschnittlich hoch eingestuft. Die deutliche Reduktion der Fertigungstiefen in der deutschen Industrie während der letzten Jahre veranlasste einen Professor aus München sogar, Deutschland als "Basarökonomie" einzustufen.

Die Erfahrungen im traditionellen IT-Outsourcing-Geschäft zeigen, dass eine gesunde Skepsis durchaus auch bei der „3. Revolution in der Wertschöpfung" angebracht ist. "Alles Commodity!", versprechen viele Provider, Berichte über das Scheitern von Auslagerungsvorhaben und eine weit verbreitete Unzufriedenheit von IT-Outsourcing-Kunden suggerieren das Gegenteil. Überzogene Erwartungshaltungen der Unternehmen spielen bei dieser Unzufriedenheit sicher eine wichtige Rolle. Diese wurden aber nicht zuletzt durch die vollmundigen Versprechen der Anbieter gespeist.

Da ist es durchaus verständlich, dass bei der Bewertung neuartiger BPO-Angebote genau nachgefragt wird, zumal diese typischerweise mit "Global-Delivery-Ansätzen" gekoppelt sind. Globale Liefermodelle sehen gut aus auf den Präsentationsfolien der Provider. Wie aber funktioniert die Umsetzung der Lieferprozesse in der Praxis, wie ist die Kommunikation zwischen den einzelnen Beteiligten und wie eine pünktliche und qualitätsgerechte Belieferung abgesichert? Die Gründung neuer Standorte, ob in Krakau, Budapest oder Mumbai, reicht für ein funktionierendes Offshoring-Modell noch nicht aus.

Wer die Konzentration auf Kernkompetenzen propagiert, muss sich zudem auch fragen lassen, woher er die Kompetenzen für die Realisierung von HR-, Procurement- oder Buchhaltungsprozessen nimmt. Alles Commodity? So spiegelt die Aufstellung vieler Outsourcing-Anbieter beim Thema BPO derzeit eher den Wunsch nach höheren Margen als die eigene Kernkompetenz wieder. Eine klare "Go-To-Market Strategy" im BPO-Umfeld ist dagegen nur bei Wenigen zu erkennen.

Ob nun Revolution oder schleichende Entwicklung, die Tendenz hin zur Auslagerung von unterstützenden Prozessen ist folgerichtig und bietet gewaltiges Einsparpotenzial. Jedoch setzt die Erschließung des BPO-Marktes eine gewisse Reife voraus, und dies nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei den Anbietern. Ein ausgereiftes Konzept, das Herrn Meier überzeugt, dürfte auch die Deutschlandmanager der internationaler Outsourcing-Konzerne zukünftig besser schlafen lassen – trotz schweren Essens und wenig Sonnenschein.

Dr. Andreas Stiehler (as@berlecon.de)
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