Interessenkonflikte bei BlackBerry, Windows Mobile & Co.
Beim großen Schaulaufen der Mobilfunker auf der 3GSM in Barcelona vergangene Woche war Mobile E-Mail zumindest indirekt ein wichtiges Thema: Microsoft stellte seine neue Version von Windows Mobile 6.0 vor, mit der explizit auch die Mobile-Mail-Funktionalitäten für Geschäftsnutzer verbessert werden sollen. Nokia präsentierte sowohl die neue Version der Intellisync Mobile Suite als auch neue Endgeräte für Geschäftskunden, wie den Communicator E90 oder das E61i. Motorola kündigte die Europa-Einführung des Smartphones Q mit integriertem Good Mobile Messaging System ab dem zweiten Quartal 2007 an. Und last but not least stellte RIM in Barcelona seinen neuen BlackBerry 8800 mit zusätzlichen Multimedia-Features vor.
Alle diese Anbieter haben den wachsenden Markt für Mobile-Mail-Lösungen im Visier. Allerdings verfolgen sie dabei teilweise sehr unterschiedliche Zielsetzungen:
RIM, der Marktführer im Bereich Push-E-Mail, ist vor allem daran interessiert, möglichst viele seiner beliebten BlackBerry-Endgeräte zu verkaufen. Denn damit macht RIM schließlich den Löwenanteil seines Umsatzes. Erst in zweiter Linie werden Umsätze mit dem Push-Dienst und dem Verkauf der BlackBerry Enterprise Server Software generiert.
Microsoft dagegen verkauft keine eigenen Endgeräte, sondern lizenziert "lediglich" sein mobiles Betriebssystem. Dabei sind die Mobile-Mail-Funktionalitäten von Windows Mobile im Wesentlichen mit den Funktionalitäten des Exchange Servers in der neuesten Version gekoppelt. Denn neben der Verbreitung von Windows Mobile liegt das zentrale Interesse von Microsoft im Vertrieb von Groupware-Lizenzen.
Dann hätten wir noch Nokia, mit großem Abstand Marktführer in Sachen Smartphones. Ähnlich wie bei RIM sollte man hier als Ziel vor allem den Verkauf von Endgeräten vermuten. Aber Nokia will sich mit seiner Mobile-Mail-Plattform "Intellisync Mobile Suite" vor allem als Lösungsanbieter im Enterprise-Segment etablieren. Diese Middleware ist Endgeräte-unabhängig, unterstützt also sowohl Nokia-Devices, als auch eine sehr große Palette an Endgeräten anderer Hersteller.
Ähnlich kann die Interessenlage bei Motorola eingeschätzt werden, die durch die Übernahme von Good Technology im vergangenen Jahr in den Mobile-Mail-Markt eingestiegen sind. Zwar hat Motorola mit dem Q jetzt sein eigenes, schickes Business-Gerät. Die Push-Lösung "Good Mobile Messaging" ist jedoch, ebenso wie die von Nokia, Endgeräte-unabhängig.
Und dann hätten wir noch iAnywhere als wichtigen Anbieter von Mobile-Mail-Lösungen für Unternehmen, mit einer gänzlich anderen Interessenlage: Endgeräte spielen für die Sybase-Tochter gar keine Rolle, im Zentrum steht der Vertrieb von Mobile Middleware.
Um die Verwirrung komplett zu machen, sind da noch die Mobilfunkbetreiber, die Unternehmen vor allem Mobilfunkverträge verkaufen, manchmal auch als Lösungsanbieter für Unternehmenskunden auftreten wollen, und bei Push-Mail fast ausschließlich auf BlackBerry und Microsoft setzen.
Diese etwas verworrene Interessenlage und die daraus resultierenden unterschiedlichen Marketingansätze der Anbieter erschwert Anwenderunternehmen die Auswahl der für sie geeigneten Lösung.
Hinzu kommt, dass auch auf Anwenderseite die Interessenlage nicht immer eindeutig ist: Die Nutzer im Unternehmen – also die reisenden Manager oder Außendienstmitarbeiter – wollen gut funktionierende und leicht bedienbare Anwendungen, aber vor allem auch schicke Devices. Während beim Desktop die Marke des Endgerätes keine Rolle spielt, und kein Mitarbeiter auf die Idee käme, sich seinen PC oder gar sein Betriebssystem selbst auszusuchen, sieht das bei mobilen Endgeräten ganz anders aus: Design, Hippness und Marke spielen bei mobilen Business-Devices eine große Rolle.
IT-Abteilungen fordern dagegen von einer Mobile-Mail-Lösung vor allem Funktionalitäten für die zentrale Kontrolle und Administration von Endgeräten und Anwendungen, z.B. für die Over-the-Air-Software-Verteilung. Sie wollen dabei hohe Sicherheitsstandards und Möglichkeiten, Sicherheitsregeln zentral durchzusetzen. Für IT-Manager sind nicht schicke Endgeräte entscheidend, sondern eine leistungsfähige Middleware, die gegebenenfalls auch verschiedene Endgeräte unterstützt.
Bisher allerdings finden Mobile-Mail-Lösungen meist noch über die Mitarbeiter oder das Management und nicht über die IT-Abteilung den Weg in die Unternehmen. Eine zentral definierte Mobility- oder Mobile-Mail-Strategie der IT- oder TK-Abteilung ist eher selten. Das häufige Resultat ist, dass entweder das Management auf die Einführung einer BlackBerry-Lösung drängt, um die angesagten Geräte nutzen zu können – auch wenn diese nicht immer unbedingt den Anforderungen im Unternehmen am besten entspricht. Oder die Mitarbeiter nutzen eine Vielzahl unterschiedlicher Endgeräte und Anwendungen, die von der IT-Abteilung nur schwer zu administrieren und kontrollieren sind.
Der Berlecon-Report Mobile E-Mail: Strategien für Unternehmen unterstützt Unternehmen dabei, eine geeignete Mobile-Mail-Strategie zu definieren, die im Einklang mit der längerfristigen Strategie für die gesamte IT- und Kommunikationsinfrastruktur steht.
Für Unternehmen beispielsweise, in denen bereits eine heterogene Landschaft leistungsfähiger Endgeräte existiert, macht es wenig Sinn, einen Anbieter zu wählen, der vor allem neue Endgeräte vertreiben will und seine Mobile-Mail-Lösung darauf ausgerichtet hat. Sie sollten eher eine Endgeräte-unabhängige Middleware wählen, welche die bestehenden Endgeräte unterstützen kann. Das gilt insbesondere dann, wenn auch andere Anwendungen als PIM und E-Mail mobilisiert werden sollen, wofür die Middleware als Grundlage dienen kann.
Unternehmen, deren Groupware auf Exchange basiert, können mit Windows Mobile 6.0 relativ leicht eine Mobile E-Mail-Lösung realisieren. Mit der neuen Version hat Microsoft nun auch die Sicherheitsfeatures für Unternehmen verbessert, z.B. die Datenverschlüsselung auf externen Speichermedien oder die Remote-Datenlöschung bei Verlust des Endgeräts. Allerdings müssen sich Unternehmen dessen bewusst sein, dass Microsofts’ Ziel der Verkauf von Exchange-Lizenzen bzw. -Updates ist, und die meisten Mail-Funktionalitäten von Windows Mobile 6.0 nur mit Exchange 2003 oder Exchange 2007 laufen.
Und wer wählt den Marktführer? Vor allem die Mitarbeiter im Management, die Mobile E-Mail immer noch mit der Marke BlackBerry gleichsetzen, glücklich sind über dessen leichte Nutzbarkeit, die Geräte einfach todschick finden und sowieso gerade ein neues Smartphone brauchen. Der IT-Verantwortliche bekommt mit dem BlackBerry Enterprise Server eine Middleware, die zwar nicht so sexy ist, wie ein BlackBerry 8800, dafür aber viele Security- und Device-Management-Funktionalitäten bietet. Interessenkonflikte können dann auftauchen, wenn eine breitere Masse an Mitarbeitern mit einer Mobility-Lösung ausgestattet werden soll, die auch über E-Mail hinausgeht. Denn dann ist der BlackBerry aus Kostengesichtspunkten und Anwendungsmöglichkeiten vielleicht nicht die erste Wahl.
Interessenkonflikte lassen sich sicher nicht gänzlich vermeiden, aber mit einer gut durchdachten Strategie, die sich in die langfristige ITK-Strategie des Unternehmens einpasst, können viele potenzielle Probleme vermieden werden.
Nicole Dufft (nd@berlecon.de)
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