Grundlagen der Werbewahrnehmung
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Dialog-Marketing
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenDM
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit
Die Umwelt bietet einer Person eine Vielfalt von Informationen an. Ein Mensch hat aber nur zu einem Bruchteil dieser Informationen tatsächlich Kontakt. In anderen Worten: Im Marketing muss das Medium erst einmal die Zielgruppe tatsächlich erreichen. Hinsichtlich seiner Werbewirkung muss es also zunächst den „Medienfilter“ überwinden. Nur ein Teil dieser potenziell wahrnehmbaren Informationen werden von den Sinnesorganen aufgenommen, dort für eine sehr kurze Zeit zwischengespeichert und physiologisch verarbeitet. Zu diesem Zeitpunkt wird die Information aber noch nicht wahrgenommen.
Wiederum nur wenige dieser kurz zwischengespeicherten Informationen verlassen den Ultrakurzeitspeicher und kommen in den Arbeits- oder Kurzzeitspeicher. Diesen Sprung schaffen vor allem Informationen, die gestalterisch besonders prägnant sind beziehungsweise die in einem besonders engen Zusammenhang zum Wissen, zu den Gefühlen und zu den Motiven einer Zielperson stehen.
Wie nimmt nun die ausgewählte Zielgruppe das Werbemittel wahr?
Das menschliche Auge kann beim Aufnehmen von Informationen nicht alles gleichzeitig anschauen und aufnehmen. Die Wahrnehmung ist vielmehr selektiv: Manche Elemente des Mailings werden länger, andere kürzer fixiert. Ein Teil dieser selektierten Elemente verlässt den Ultrakurzzeitspeicher und wird nun im Kurzzeitspeicher verarbeitet – und zwar im idealen Fall in analoger Reihenfolge zum Verkaufsgespräch (vergleiche Beitrag Vögele in diesem Buch).
Wie vorher bereits kurz beschrieben, werden diejenigen Informationen am ehesten beachtet, die gestalterisch besonders prägnant sind, und solche, die in einem besonders engen Zusammenhang zum Wissen, zu den Gefühlen und zu den Motiven einer Zielperson stehen. Themen und Gegenstände, die werblich besonders betont werden sollen, sollten vom Hintergrund möglichst stark kontrastiert werden. Headlines, Bilder, Hervorhebungen wie Fettdruck, Unterstreichungen sollten sich also generell sehr stark vom Hintergrund abheben. Unruhige Hintergründe können dabei die Lesbarkeit und die Wirkung von Headlines massiv einschränken.
Geschlossene, regelmäßige und einfache Formen wie Kreis, Quadrat oder Rechteck werden generell als prägnanter wahrgenommen als andersartige Formen. Die meisten Bilder, aber auch eingerahmte Texte oder runde Qualitätssiegel werden daher in der Regel frühzeitig vom Leser registriert.
Leuchtende, warme Farben wie Rot, Orange, oder Gelb fallen schneller auf als gedeckte Farben und können vorsichtig und gezielt als spezielle Hervorhebungen eingesetzt werden.
Nach Aussagen verschiedener Experten beginnt der Blickverlauf in der Regel bei den größten Bildern und geht dann zu den Headlines und anderen Hervorhebungen. Voraussetzung ist hierfür stets eine starke Kontrastierung des Bildes, der Headlines zum jeweiligen Hintergrund (siehe oben).
Der Leser-Nutzen als zentrales Element
Das prägnante Element, das zuerst beachtet wird, muss auch inhaltlich bedeutsame Informationen liefern – also den bereits mehrfach aufgeführten Leser-Nutzen in den Vordergrund stellen oder mindestens andeuten. Für den Gestalter stellt sich also die Frage, wie er herausfinden kann, was für die Zielgruppe inhaltlich bedeutsam ist. Denn die Antwort auf diese Frage gibt ihm wertvolle Hinweise für die Wahl seiner Bilder, Headlines und Texte.
Eine geeignete Möglichkeit, solche Inhalte zu erfassen, sind marktpsychologische Untersuchungen. Diese sind häufig sehr teuer oder für eine einzelne Mailing-Aktion wirtschaftlich unrentabel. Eine günstige Alternative ist die Sammlunng aller möglichen Leserfragen, die bei einem bestimmten Angebot entstehen können.
Berücksichtigung „stummer“ Leserfragen
Der Gestalter entwickelt im Anschluss Antworten auf diese Fragen, zum Beispiel als Bild oder Headline. Diese Antworten sollten, wenn irgendwie möglich, von der Zielgruppe positiv bewertet werden (Neumann, 2000, S. 70ff.). Anschließend werden die verschiedenen Antworten in eine optisch und formal prägnante Form gebracht. Denn nur dann haben die Antworten die Chance auf eine Verwertung im Kurzzeitspeicher der Zielperson, wo diese auch bewertet werden.
Diese Bewertung der Informationen geschieht sehr rasch. „Die Entscheidung „positiv“ oder „negativ“ fällt innerhalb von 200 msec, nachdem wir mit einem Menschen, einem Objekt, einem Geruch oder auch einem Ton konfrontiert werden“ (Bargh 1997). Dies ist vergleichbar mit der Dauer, in welcher das menschliche Auge einen bestimmten Punkt anschaut (Fixation). Pro Sekunde kommt es folglich zu circa fünf Augenhaltepunkten. Das sind je nach Umfeld, Schriftgröße und Bekanntheit der Wörter drei bis fünf Silben. Um eine Briefzeile zu lesen, muss das Auge also durchschnittlich etwa fünf Mal für mindestens 200 msec anhalten.
Erfassung von Blickverläufen
Fixationen werden mit Hilfe von Blickregistrierungsgeräten aufgezeichnet. Vögele hat viele seiner Erkenntnisse mithilfe einer „Augenkamera“ gewonnen. Die Wirkungsweise der „Augenkamera“ kann in Kapitel 4 nachgelesen werden.
Bei Mailings lässt sich nun ein weit verbreitetes Blickverhaltens-Muster feststellen, das man am besten mit den Worten „der erste Eindruck ist entscheidend“ umschreibt. Genauso wie beim Verarbeiten anderer Erst-Informationen, sind beim Flirt die ersten dreißig Sekunden (Doermer-Tramitz 1990) ausschlaggebend. Dabei werden nur einige wenige Informationen aufgenommen und bereits hier fällt die Entscheidung über Zu- oder Abwendung.
Der erste Eindruck ist entscheidend
Für das Öffnen, Entfalten und Überfliegen eines Mailings stellen etwa die ersten zwanzig Sekunden eine wichtige Grenze dar: Ab hier sind alle Seiten dieses einfachen Mailings (zwanzig Gramm) ein erstes Mal angeschaut. Der „erste Eindruck“ hat sich spätestens hier gebildet, und zwar in der Regel aufgrund gesehener Bilder, Grafiken und Headlines. Text wird erst gelesen, wenn der erste Eindruck zum Lesen motiviert.
Generell sind zwanzig Sekunden wenig Zeit, um Vorteile zu erkennen. Allerdings sind zwanzig Sekunden circa das Zehnfache der Zeit, die der Mensch für die durchschnittliche Beachtung einer klassischen Anzeige aufbringt. Während dieser zwanzig Sekunden hält das Auge fünfzig- bis einhundertmal an. Alle diese Fixationen enthalten Chancen und Gefahren für das Weiterlesen. Eine negative Prädisposition führt dazu, dass auch nachfolgende positive Informationen subjektiv falsch verstanden werden. Leicht zu testen ist dieses Phänomen beispielsweise, wenn man negative Headlines über positive Textblöcke setzt.
Gestaltungsregeln für dialogische Werbemittel
Das Wissen um die Aufnahme und Verarbeitung werblicher Information ist eine der Grundlagen für die Beurteilung und die Entwicklung von dialogischen Werbemitteln: Der Gestalter muss wissen, in welcher Reihenfolge welche Elemente entdeckt, betrachtet und gelesen werden. Mit diesen Grundregeln über das Leseverhalten kann er ein solches Werbe-Mittel analog zum persönlichen Verkaufsgespräch gestalten (siehe Kapitel 1 in diesem Buch). Um dies zu leisten, braucht der Gestalter konkretere Regeln, die aufzeigen, welche Elemente in welcher Reihenfolge betrachtet werden:
Beherrscht man diese Regeln, so kann man zumindest grob den Blickverlauf auf einem Printwerbemittel vorhersagen, und zwar für die maximal ersten zwanzig Sekunden in einem Mailing. Auf der Basis von Blickverlaufs-Untersuchungen wurde die folgende Liste für das Beurteilen und Gestalten von Mailings zusammengestellt.
Sie zeigt auf, wie der Blick des Lesers verlaufen könnte, wenn er die Wahl zwischen dem jeweiligen Gegensatz-Paar hätte. Alle diese Aussagen sind kombinatorisch.
Die Reihenfolge der Headlines
- Große Headlines vor kleinen.
- Kurze Headlines vor langen.
- Einzeilige Headlines vor mehrzeiligen.
- Positive Schrift (schwarz auf weiß) vor negativer.
- Groß-klein-Schreibweise vor Versalien.
- Unterstrichene Textstellen vor nicht unterstrichenen.
- Kurze Wörter in den Headlines vor langen.
- Einfache Wörter in den Headlines vor komplizierten Fachwörtern.
(Vögele/Bidmon 2002, S. 451)
Die Reihenfolge der Bilder
- Große Bilder vor kleinen Bildern.
- Farbige Bilder vor schwarz-weiß.
- Warme Farbtöne vor kalten Farbtönen.
- Grelle oder sehr dunkle Farbtöne vor mittleren.
- Bild-Sequenzen vor Einzelbildern.
- Menschen vor Produkten.
- Kinder vor Erwachsenen.
- Viele Menschen vor wenigen Menschen.
- Aktion vor Ruhe.
- Porträt vor Ganz-Aufnahmen.
- Auge vor Porträt.
- Tiere vor Pflanzen.
- Senkrechte Flächen vor waagrechten Flächen.
- Diagonale Flächen vor senkrechten Flächen.
- Kreisflächen vor rechteckigen Flächen.
(Vögele/Bidmon 2002, S. 450)
Das Leseverhalten ist unbelehrbar
Man sollte den gestalterischen Faktor allerdings nicht überbewerten. Die Gestaltung eines Mailings ist nicht die größte Erfolgsursache für die Reaktion. Das richtige Produkt, die Angebotsform, die richtige Zielgruppe, das Ziel – das alles sind größere Erfolgs-Voraussetzungen für die endgültige Reaktion.
Allerdings ist die Gestaltung entscheidend für das Leseverhalten. Denn auch wenn die restlichen Voraussetzungen erfüllt sind, nutzt dies wenig, wenn die Botschaft zum Produkt durch eine irritierende Gestaltung dem Leser verborgen bleibt. Denn im Zeitalter der Informationsüberflutung hat kaum jemand mehr die Zeit, über den eigentlichen Sinn einer unverständlichen Werbe-Information lange nachzudenken.
Zieht man ein Resümee aus dem bisher Gesagten, so bedeutet dies zusammenfassend für die Werbe-Praxis:
Der Empfänger von Mailings, Response-Anzeigen, Werbe-E-Mails und allen anderen Dialogmarketing-Medien sucht vor seiner Reaktion ständig Vorteile und Antworten auf seine Fragen. Seine Augen folgen dabei aber einer „unbelehrbaren“ Spur. Dieser Blickverlauf muss identisch sein mit der Reihenfolge der gesuchten Vorteile und Antworten. Der sicherste erste Blickpunkt sind ein Bild, ein Foto oder bildähnliche Elemente. Der zweite sind deutliche Headlines. Der dritte sind Hervorhebungen in Textstellen. Dieses Wissen bringt zwei Chancen: erstens für das Beurteilen bisheriger dialogischer Werbemittel, zweitens für das Gestalten neuer Dialog-Werbemittel.
Vorgehen zum Beurteilen von Mailings
Das Vorgehen zum Beurteilen bisheriger Mailings ist recht simpel. Zuerst werden die vermutlichen zehn Blickpunkte pro Seite gekennzeichnet. Ein Blickpunkt hat die maximale Größe eines 2-Euro-Stückes. Dann werden die Blickpunkte nach der jetzt bekannten Reihenfolge nummeriert. Danach werden alle Punkte mit einer Linie verbunden. Nun notiert man den Informationsgehalt dieser Punkte in der gefundenen Reihenfolge. Für Bilder formuliert man deren Inhalt, für Headlines notiert man die bis zu drei wichtigsten Wörter. Nun wird jede Kurz-Information mit einem „ja“ oder „nein“ bewertet. Jetzt sollten die positiven Fixationen entlang der Blickverlaufslinie immer überwiegen. Das ist die Chance für das Überschreiten der Leseschwelle und der erst danach folgenden Reaktionsschwelle.
Ähnlich verfährt man auch beim Entwickeln und Gestalten neuer Dialog- Werbemittel. Zuerst legt man den Soll-Dialog fest. Danach verteilt man diese Vorteile als Haltepunkte in der richtigen Reihenfolge auf der Prospektseite und belegt diese Haltepunkte mit Bild-Elementen und Headlines. Das ergibt den Kurz-Dialog. Der Rest sind Textblöcke. Sie werden erst gelesen, wenn die ersten Fixationen den Empfänger zum Weiterlesen motivieren können.
Vom Leser zum Reagierer
Werbetreibende Unternehmen, die Reagierer suchen, brauchen zunächst Leser. Der Mensch liest Werbung aber nur, wenn er Vorteile ahnt. Aber er sucht nicht lange. Deshalb müssen die Vorteile in den Bildern und in zuerst fixierten Headlines erscheinen. Ist beim Empfänger die Entscheidung gefallen, sich intensiver mit dem Werbemittel zu beschäftigen, tritt nun die Gestaltung des Textes in den Vordergrund. Zwei Faktoren sollten hier beachtet werden:
Ein gut verständlicher Text erleichtert die schnelle Aufnahme der werblichen Information.
Die werblichen Informationen führen den Leser idealerweise in Richtung der erwünschten Reaktionen.
Der Text soll durch eine spezifische Aktivierung des Lesers diesen schließlich in die letzte „Phase“, die Reaktion (Response) führen. Denn erst nach dem Lesen wird reagiert.
In Anbetracht der genannten Tatsachen wird deutlich, dass Dialogmarketing für nahezu jede Branche ein wirkungsvolles Werbeinstrument darstellt. Vorausgesetzt, das Produkt bietet dem Leser tatsächlich die von ihm gesuchten Vorteile.
Literatur
Bargh J. A.: The automaticity of everyday life. – In: Wyer Jr. R. S. (Hrsg.): The automaticity of everyday life: Advances in social cognition (Vol. 10, pp. 1-61), Mahwah, 1997.
Dallmer H. (Hrsg.): Handbuch des Direct-Marketing & More. – Wiesbaden, 8. völlig überarb. Aufl., 2002.
Doermer-Tramitz C.: Auf den ersten Blick: über die ersten dreißig Sekunden einer Begegnung von Mann und Frau. – Opladen, 1990.
Holland H.: Direktmarketing. – 2. Aufl., München, 2004.
Vögele S.: Dialogmethode. Das Verkaufsgespräch per Brief und Antwortkarte. – Landsberg am Lech, 2002.
Vögele S.: 99 Erfolgsregeln für Direktmarketing. – Landsberg am Lech, 1997.
Vögele S., Bidmon K.: Psychologische Aspekte der Dialogmethode. – In: Dallmer H. (Hrsg.): Handbuch des Direct-Marketing & More. – Wiesbaden, S. 436-457, 8. völlig überarb. Aufl., 2002.
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenDM
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit
Die Umwelt bietet einer Person eine Vielfalt von Informationen an. Ein Mensch hat aber nur zu einem Bruchteil dieser Informationen tatsächlich Kontakt. In anderen Worten: Im Marketing muss das Medium erst einmal die Zielgruppe tatsächlich erreichen. Hinsichtlich seiner Werbewirkung muss es also zunächst den „Medienfilter“ überwinden. Nur ein Teil dieser potenziell wahrnehmbaren Informationen werden von den Sinnesorganen aufgenommen, dort für eine sehr kurze Zeit zwischengespeichert und physiologisch verarbeitet. Zu diesem Zeitpunkt wird die Information aber noch nicht wahrgenommen.
Wiederum nur wenige dieser kurz zwischengespeicherten Informationen verlassen den Ultrakurzeitspeicher und kommen in den Arbeits- oder Kurzzeitspeicher. Diesen Sprung schaffen vor allem Informationen, die gestalterisch besonders prägnant sind beziehungsweise die in einem besonders engen Zusammenhang zum Wissen, zu den Gefühlen und zu den Motiven einer Zielperson stehen.
Wie nimmt nun die ausgewählte Zielgruppe das Werbemittel wahr?
Das menschliche Auge kann beim Aufnehmen von Informationen nicht alles gleichzeitig anschauen und aufnehmen. Die Wahrnehmung ist vielmehr selektiv: Manche Elemente des Mailings werden länger, andere kürzer fixiert. Ein Teil dieser selektierten Elemente verlässt den Ultrakurzzeitspeicher und wird nun im Kurzzeitspeicher verarbeitet – und zwar im idealen Fall in analoger Reihenfolge zum Verkaufsgespräch (vergleiche Beitrag Vögele in diesem Buch).
Wie vorher bereits kurz beschrieben, werden diejenigen Informationen am ehesten beachtet, die gestalterisch besonders prägnant sind, und solche, die in einem besonders engen Zusammenhang zum Wissen, zu den Gefühlen und zu den Motiven einer Zielperson stehen. Themen und Gegenstände, die werblich besonders betont werden sollen, sollten vom Hintergrund möglichst stark kontrastiert werden. Headlines, Bilder, Hervorhebungen wie Fettdruck, Unterstreichungen sollten sich also generell sehr stark vom Hintergrund abheben. Unruhige Hintergründe können dabei die Lesbarkeit und die Wirkung von Headlines massiv einschränken.
Geschlossene, regelmäßige und einfache Formen wie Kreis, Quadrat oder Rechteck werden generell als prägnanter wahrgenommen als andersartige Formen. Die meisten Bilder, aber auch eingerahmte Texte oder runde Qualitätssiegel werden daher in der Regel frühzeitig vom Leser registriert.
Leuchtende, warme Farben wie Rot, Orange, oder Gelb fallen schneller auf als gedeckte Farben und können vorsichtig und gezielt als spezielle Hervorhebungen eingesetzt werden.
Nach Aussagen verschiedener Experten beginnt der Blickverlauf in der Regel bei den größten Bildern und geht dann zu den Headlines und anderen Hervorhebungen. Voraussetzung ist hierfür stets eine starke Kontrastierung des Bildes, der Headlines zum jeweiligen Hintergrund (siehe oben).
Der Leser-Nutzen als zentrales Element
Das prägnante Element, das zuerst beachtet wird, muss auch inhaltlich bedeutsame Informationen liefern – also den bereits mehrfach aufgeführten Leser-Nutzen in den Vordergrund stellen oder mindestens andeuten. Für den Gestalter stellt sich also die Frage, wie er herausfinden kann, was für die Zielgruppe inhaltlich bedeutsam ist. Denn die Antwort auf diese Frage gibt ihm wertvolle Hinweise für die Wahl seiner Bilder, Headlines und Texte.
Eine geeignete Möglichkeit, solche Inhalte zu erfassen, sind marktpsychologische Untersuchungen. Diese sind häufig sehr teuer oder für eine einzelne Mailing-Aktion wirtschaftlich unrentabel. Eine günstige Alternative ist die Sammlunng aller möglichen Leserfragen, die bei einem bestimmten Angebot entstehen können.
Berücksichtigung „stummer“ Leserfragen
Der Gestalter entwickelt im Anschluss Antworten auf diese Fragen, zum Beispiel als Bild oder Headline. Diese Antworten sollten, wenn irgendwie möglich, von der Zielgruppe positiv bewertet werden (Neumann, 2000, S. 70ff.). Anschließend werden die verschiedenen Antworten in eine optisch und formal prägnante Form gebracht. Denn nur dann haben die Antworten die Chance auf eine Verwertung im Kurzzeitspeicher der Zielperson, wo diese auch bewertet werden.
Diese Bewertung der Informationen geschieht sehr rasch. „Die Entscheidung „positiv“ oder „negativ“ fällt innerhalb von 200 msec, nachdem wir mit einem Menschen, einem Objekt, einem Geruch oder auch einem Ton konfrontiert werden“ (Bargh 1997). Dies ist vergleichbar mit der Dauer, in welcher das menschliche Auge einen bestimmten Punkt anschaut (Fixation). Pro Sekunde kommt es folglich zu circa fünf Augenhaltepunkten. Das sind je nach Umfeld, Schriftgröße und Bekanntheit der Wörter drei bis fünf Silben. Um eine Briefzeile zu lesen, muss das Auge also durchschnittlich etwa fünf Mal für mindestens 200 msec anhalten.
Erfassung von Blickverläufen
Fixationen werden mit Hilfe von Blickregistrierungsgeräten aufgezeichnet. Vögele hat viele seiner Erkenntnisse mithilfe einer „Augenkamera“ gewonnen. Die Wirkungsweise der „Augenkamera“ kann in Kapitel 4 nachgelesen werden.
Bei Mailings lässt sich nun ein weit verbreitetes Blickverhaltens-Muster feststellen, das man am besten mit den Worten „der erste Eindruck ist entscheidend“ umschreibt. Genauso wie beim Verarbeiten anderer Erst-Informationen, sind beim Flirt die ersten dreißig Sekunden (Doermer-Tramitz 1990) ausschlaggebend. Dabei werden nur einige wenige Informationen aufgenommen und bereits hier fällt die Entscheidung über Zu- oder Abwendung.
Der erste Eindruck ist entscheidend
Für das Öffnen, Entfalten und Überfliegen eines Mailings stellen etwa die ersten zwanzig Sekunden eine wichtige Grenze dar: Ab hier sind alle Seiten dieses einfachen Mailings (zwanzig Gramm) ein erstes Mal angeschaut. Der „erste Eindruck“ hat sich spätestens hier gebildet, und zwar in der Regel aufgrund gesehener Bilder, Grafiken und Headlines. Text wird erst gelesen, wenn der erste Eindruck zum Lesen motiviert.
Generell sind zwanzig Sekunden wenig Zeit, um Vorteile zu erkennen. Allerdings sind zwanzig Sekunden circa das Zehnfache der Zeit, die der Mensch für die durchschnittliche Beachtung einer klassischen Anzeige aufbringt. Während dieser zwanzig Sekunden hält das Auge fünfzig- bis einhundertmal an. Alle diese Fixationen enthalten Chancen und Gefahren für das Weiterlesen. Eine negative Prädisposition führt dazu, dass auch nachfolgende positive Informationen subjektiv falsch verstanden werden. Leicht zu testen ist dieses Phänomen beispielsweise, wenn man negative Headlines über positive Textblöcke setzt.
Gestaltungsregeln für dialogische Werbemittel
Das Wissen um die Aufnahme und Verarbeitung werblicher Information ist eine der Grundlagen für die Beurteilung und die Entwicklung von dialogischen Werbemitteln: Der Gestalter muss wissen, in welcher Reihenfolge welche Elemente entdeckt, betrachtet und gelesen werden. Mit diesen Grundregeln über das Leseverhalten kann er ein solches Werbe-Mittel analog zum persönlichen Verkaufsgespräch gestalten (siehe Kapitel 1 in diesem Buch). Um dies zu leisten, braucht der Gestalter konkretere Regeln, die aufzeigen, welche Elemente in welcher Reihenfolge betrachtet werden:
Beherrscht man diese Regeln, so kann man zumindest grob den Blickverlauf auf einem Printwerbemittel vorhersagen, und zwar für die maximal ersten zwanzig Sekunden in einem Mailing. Auf der Basis von Blickverlaufs-Untersuchungen wurde die folgende Liste für das Beurteilen und Gestalten von Mailings zusammengestellt.
Sie zeigt auf, wie der Blick des Lesers verlaufen könnte, wenn er die Wahl zwischen dem jeweiligen Gegensatz-Paar hätte. Alle diese Aussagen sind kombinatorisch.
Die Reihenfolge der Headlines
- Große Headlines vor kleinen.
- Kurze Headlines vor langen.
- Einzeilige Headlines vor mehrzeiligen.
- Positive Schrift (schwarz auf weiß) vor negativer.
- Groß-klein-Schreibweise vor Versalien.
- Unterstrichene Textstellen vor nicht unterstrichenen.
- Kurze Wörter in den Headlines vor langen.
- Einfache Wörter in den Headlines vor komplizierten Fachwörtern.
(Vögele/Bidmon 2002, S. 451)
Die Reihenfolge der Bilder
- Große Bilder vor kleinen Bildern.
- Farbige Bilder vor schwarz-weiß.
- Warme Farbtöne vor kalten Farbtönen.
- Grelle oder sehr dunkle Farbtöne vor mittleren.
- Bild-Sequenzen vor Einzelbildern.
- Menschen vor Produkten.
- Kinder vor Erwachsenen.
- Viele Menschen vor wenigen Menschen.
- Aktion vor Ruhe.
- Porträt vor Ganz-Aufnahmen.
- Auge vor Porträt.
- Tiere vor Pflanzen.
- Senkrechte Flächen vor waagrechten Flächen.
- Diagonale Flächen vor senkrechten Flächen.
- Kreisflächen vor rechteckigen Flächen.
(Vögele/Bidmon 2002, S. 450)
Das Leseverhalten ist unbelehrbar
Man sollte den gestalterischen Faktor allerdings nicht überbewerten. Die Gestaltung eines Mailings ist nicht die größte Erfolgsursache für die Reaktion. Das richtige Produkt, die Angebotsform, die richtige Zielgruppe, das Ziel – das alles sind größere Erfolgs-Voraussetzungen für die endgültige Reaktion.
Allerdings ist die Gestaltung entscheidend für das Leseverhalten. Denn auch wenn die restlichen Voraussetzungen erfüllt sind, nutzt dies wenig, wenn die Botschaft zum Produkt durch eine irritierende Gestaltung dem Leser verborgen bleibt. Denn im Zeitalter der Informationsüberflutung hat kaum jemand mehr die Zeit, über den eigentlichen Sinn einer unverständlichen Werbe-Information lange nachzudenken.
Zieht man ein Resümee aus dem bisher Gesagten, so bedeutet dies zusammenfassend für die Werbe-Praxis:
Der Empfänger von Mailings, Response-Anzeigen, Werbe-E-Mails und allen anderen Dialogmarketing-Medien sucht vor seiner Reaktion ständig Vorteile und Antworten auf seine Fragen. Seine Augen folgen dabei aber einer „unbelehrbaren“ Spur. Dieser Blickverlauf muss identisch sein mit der Reihenfolge der gesuchten Vorteile und Antworten. Der sicherste erste Blickpunkt sind ein Bild, ein Foto oder bildähnliche Elemente. Der zweite sind deutliche Headlines. Der dritte sind Hervorhebungen in Textstellen. Dieses Wissen bringt zwei Chancen: erstens für das Beurteilen bisheriger dialogischer Werbemittel, zweitens für das Gestalten neuer Dialog-Werbemittel.
Vorgehen zum Beurteilen von Mailings
Das Vorgehen zum Beurteilen bisheriger Mailings ist recht simpel. Zuerst werden die vermutlichen zehn Blickpunkte pro Seite gekennzeichnet. Ein Blickpunkt hat die maximale Größe eines 2-Euro-Stückes. Dann werden die Blickpunkte nach der jetzt bekannten Reihenfolge nummeriert. Danach werden alle Punkte mit einer Linie verbunden. Nun notiert man den Informationsgehalt dieser Punkte in der gefundenen Reihenfolge. Für Bilder formuliert man deren Inhalt, für Headlines notiert man die bis zu drei wichtigsten Wörter. Nun wird jede Kurz-Information mit einem „ja“ oder „nein“ bewertet. Jetzt sollten die positiven Fixationen entlang der Blickverlaufslinie immer überwiegen. Das ist die Chance für das Überschreiten der Leseschwelle und der erst danach folgenden Reaktionsschwelle.
Ähnlich verfährt man auch beim Entwickeln und Gestalten neuer Dialog- Werbemittel. Zuerst legt man den Soll-Dialog fest. Danach verteilt man diese Vorteile als Haltepunkte in der richtigen Reihenfolge auf der Prospektseite und belegt diese Haltepunkte mit Bild-Elementen und Headlines. Das ergibt den Kurz-Dialog. Der Rest sind Textblöcke. Sie werden erst gelesen, wenn die ersten Fixationen den Empfänger zum Weiterlesen motivieren können.
Vom Leser zum Reagierer
Werbetreibende Unternehmen, die Reagierer suchen, brauchen zunächst Leser. Der Mensch liest Werbung aber nur, wenn er Vorteile ahnt. Aber er sucht nicht lange. Deshalb müssen die Vorteile in den Bildern und in zuerst fixierten Headlines erscheinen. Ist beim Empfänger die Entscheidung gefallen, sich intensiver mit dem Werbemittel zu beschäftigen, tritt nun die Gestaltung des Textes in den Vordergrund. Zwei Faktoren sollten hier beachtet werden:
Ein gut verständlicher Text erleichtert die schnelle Aufnahme der werblichen Information.
Die werblichen Informationen führen den Leser idealerweise in Richtung der erwünschten Reaktionen.
Der Text soll durch eine spezifische Aktivierung des Lesers diesen schließlich in die letzte „Phase“, die Reaktion (Response) führen. Denn erst nach dem Lesen wird reagiert.
In Anbetracht der genannten Tatsachen wird deutlich, dass Dialogmarketing für nahezu jede Branche ein wirkungsvolles Werbeinstrument darstellt. Vorausgesetzt, das Produkt bietet dem Leser tatsächlich die von ihm gesuchten Vorteile.
Literatur
Bargh J. A.: The automaticity of everyday life. – In: Wyer Jr. R. S. (Hrsg.): The automaticity of everyday life: Advances in social cognition (Vol. 10, pp. 1-61), Mahwah, 1997.
Dallmer H. (Hrsg.): Handbuch des Direct-Marketing & More. – Wiesbaden, 8. völlig überarb. Aufl., 2002.
Doermer-Tramitz C.: Auf den ersten Blick: über die ersten dreißig Sekunden einer Begegnung von Mann und Frau. – Opladen, 1990.
Holland H.: Direktmarketing. – 2. Aufl., München, 2004.
Vögele S.: Dialogmethode. Das Verkaufsgespräch per Brief und Antwortkarte. – Landsberg am Lech, 2002.
Vögele S.: 99 Erfolgsregeln für Direktmarketing. – Landsberg am Lech, 1997.
Vögele S., Bidmon K.: Psychologische Aspekte der Dialogmethode. – In: Dallmer H. (Hrsg.): Handbuch des Direct-Marketing & More. – Wiesbaden, S. 436-457, 8. völlig überarb. Aufl., 2002.