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Erkenntnisse der Gehirnforschung in der Praxis anwenden

Gehirnforscher haben in den vergangenen zehn Jahren Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Kommunikation publiziert. (Buchbeitrag)
Claus Mayer | 09.12.2008
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Dialog-Marketing

http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenDM

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit


Gehirnforscher haben in den vergangenen zehn Jahren Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Kommunikation in Fachreferaten, Fachzeitschriften und Büchern publiziert. Viele dieser Ergebnisse weisen auf teils dramatische Änderungen hin, wie Kommunikation im Kopf stattfindet, wie Werbung tatsächlich wirkt und verarbeitet wird. Von Marketing- und Werbefachleuten, von Konzeptionisten, Textern und Grafikern werden diese neuen Erkenntnisse zur Wahrnehmung von Werbung bisher aber nur teilweise angenommen.


„Alte“ Erfahrungen zur Werbewirkung richtig mit Neuem verbinden

Diese Verweigerung ist unverständlich. Neueste Erkenntnisse zeigen viele Irrtümer der bisherigen Werbewirkungs-„Regeln“ auf. Zum Beispiel „Die alte AIDA auf den Müll“ [1]. Und: neue Erkenntnisse bestätigen und stützen auch vier wichtige Grundlagen erfolgreicher Dialog-Kommunikation.

Erstens: Die Entscheidung, ob überhaupt, und wenn ja, mit welchen Signalen und Bedeutungen Werbung im Gehirn des Betrachters ankommt, wird weitgehend unbewusst getroffen und bewusstes Nachdenken erfolgt erst danach – auf Basis einer schon unbewusst getroffenen Vorentscheidung [2].

Zweitens: Die Beachtungszeiten von Werbung liegen im unteren einstelligen Sekundenbereich. In dieser kurzen Kontaktzeit wird die Entscheidung getroffen sich ausführlicher und länger mit den angebotenen werblichen Inhalten zu befassen.

Drittens: Die Beachtungsbereiche beim Aufnehmen von Werbung sind vom Rezipienten nicht beeinflussbar. Sie weichen aber deutlich von den subjektiven Einschätzungen ab, was, wie lange und in welcher Abfolge betrachtet wird.

Viertens: Nach wie vor zeigen aber auch die über viele Jahre bewährten Praxiserfahrungen Wirkung, wenn sie richtig angewendet werden. Das macht der Vergleich dieser Erfahrungen mit dem neuen Wissen der Gehirnforschung zur Wirkung von Werbung deutlich.

Die meisten der neuen, wegweisenden Erkenntnisse werden in ihrer Anwendbarkeit für die praktische Arbeit eindeutig bestätigt: Durch unzähligen Response-Messungen und -Analysen. Durch das umfangreiche Material aus Blickverlaufs-Aufnahmen und -Analysen, aus Kurzzeit-Belichtungen [3] und aus sogenannten Attention-Tracking Verfahren [4].


Was bei klassischer Werbung greift, hilft auch dem Dialogmarketing

Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse wie Werbung wirkt, basieren vielfach auf Untersuchungen klassischer Werbeträger und klassischer Werbemittel. Sie können jedoch ohne Abstriche auf alle Dialog-Werbemittel übertragen werden. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn Testergebnisse von Dialog-Werbemitteln mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen verglichen werden. Im Testlabor der gkk DialogGroup in Frankfurt, hat der Autor seit 2004 eine Vielzahl solcher Vergleiche durchgeführt. Einen erschwerenden Faktor gibt es allerdings: Dialog-Kommunikation muss fast immer erheblich mehr Informationen pro Betrachtungsfläche als die klassische Werbung transportieren. Dieser Umstand bedingt, die Ergebnisse aus Gehirnforschung und Praxis noch stringenter anzuwenden.


Alle Medien und Werbemittel profitieren vom aktuellen Wissen

Wahrnehmungsvorgänge beginnen unabhängig von Werbemedien und Werbemitteln immer in gleicher Weise. Die Erkenntnisse für die optimale Wirkung von Werbung gelten deshalb für alle Kommunikationskanäle und für alle Formen der Werbung in diesen Kanälen. Also in gleicher Weise für aus dem Briefkasten entnommene personalisierte Mailings wie für Response-Anzeigen und -Beilagen in Zeitungen oder Zeitschriften. Ebenso für Prospekte in Warensendungen und für Takeone-Boxes mit Response-Postkarten. Und natürlich für Internetseiten sowie für Großflächen, die über einen abgebildeten Semacode [5] Interaktion und den Dialog per Handy auslösen sollen.


Die wichtigsten Erkenntnisse als Basis für die Praxis

Zum besseren Verständnis der Anwendung der Ergebnisse in der Praxis sind nachfolgend die in diesem Zusammenhang wichtigen Erkenntnisse nochmals kurz aufgeführt. Entscheidend ist, das die Rezipienten

- die Signale [6] blitzschnell erfassen können,
- die Bedeutung der Signale verstehen und diese positiv bewerten,
- eine Belohnung in den Signalen erkennen,
- die räumliche Betrachtungs-Abfolge der wesentlichen Signale leicht nachvollziehen können,
- die weiterführende Beschäftigung mit den Details der Werbung schrittweise das heißt in gehirngerechten [7] Bild/Text-Einheiten vornehmen können.


Klasse statt Masse – weniger Informationen und mehr Wirkung

Das Problem der Werbemittel in der Dialog-Kommunikation ist die Fülle an Informationen pro Betrachtungsfläche. Also das Informationsangebot auf der Anzeigen-Fläche, auf dem Anschreiben, auf der Prospekt-Titelseite und den Prospekt-Innenseiten, auf der Bildschirmfläche. Nur mit einer Beschränkung auf wichtige Schlüsselelemente ist eine gehirngerechte Positionierung und Gewichtung dieser Signale zu erreichen. Das gilt besonders für vorher erwähnte Betrachtungsflächen, die den ersten Kontakt mit dem Rezipienten herstellen. Da nur äußerst wenig Zeit für diesen ersten Kontakt „vom Gehirn bereitgestellt“ wird, muss diese Beschränkung zwingend und konsequent erfüllt werden.


Bild- und Text-Aussagen präzise auf die Zielgruppen ausrichten

Wer nur wenige Informationen pro Wirkungsfläche geben kann, ist gefordert, in diese wenigen Informationen die für die Zielpersonen entscheidenden Fakten zu packen. Dabei hilft die Erkenntnis, dass das Gehirn die Augen, unbeeinflussbar, in Bruchteilen von Sekunden auf folgende Elemente lenkt:

- Bild(er),
- persönliche Daten, wie zum Beispiel den eigenen Namen oder Namen, die dem Rezipienten bekannt oder geläufig sind,
- Firmen-Logos,
- Headlines,
- Störer und auffällige oder gelernte Symbole,
- dominante grafische Elemente und Farbflächen.


Genaue Kenntnisse über die Zielpersonen sind wichtige Grundlagen

Festzulegen, welche dieser Gestaltungsbereiche die „entscheidenden Fakten“ für den Beginn der Wahrnehmung transportieren sollen, ist eine wichtige Aufgabe vor jeder Umsetzung. Grundlage hierfür sind genaue Kenntnisse über die Zielpersonen. Diese reichen vom Wissen, welche Produktkenntnisse die Personen haben bis zu ihren Fähigkeiten, Wortbedeutungen richtig zu verstehen [8].

Je umfangreicher die Kenntnisse, desto präziser gelingt die Ausrichtung der Bildmotive, vor allem des so genannten Keyvisuals [9] und des Wordings [10] von Überschriften auf die Erwartungen.

Überschrift-Funktion in diesem Sinne haben auch Textzeilen, die zwar keine besondere Schriftgröße aufweisen, aber eine räumlich wichtige Position beim Beginn der Wahrnehmung einnehmen. Dazu zählen Texte auf Umschlägen, die „Betreff“-Zeilen und das „PS“ in Anschreiben (von Mailings), die Überschriften auf Websites und Einstiegszeilen in E-Mails.


Nur schnelles Erkennen garantiert verwertbare Wahrnehmung

Für den Beginn des Wahrnehmungsvorganges ist die ungeteilte Aufmerksamkeit des Rezipienten erforderlich. Die ausgewählten Signale und Gestaltungselemente bekommen diese Aufmerksamkeit jedoch nur, wenn sie äußerst schnell erkannt und aufgenommen werden können. Gutes „Erkennen“ kann am besten durch eine räumlich isolierte, beziehungsweise klar abgesetzte Anordnung dieser Gestaltungselemente erreicht werden. Das heißt, jedes Signal [6] wird auf der verfügbaren Betrachtungsfläche in einem optischen Freiraum platziert. Dabei ist zu beachten: Im natürlichen Blickverlauf wird das Auge vom Gehirn zunächst von oben nach unten gelenkt. Aber verschiedene Gestaltungs-Elemente beeinflussen den Blickverlauf stark:

- die Blickrichtungen abgebildeter Personen
- perspektivische Formen von Gegenständen in Abbildungen
- grafische Linien
- Farbverläufe und andere grafische Elemente,
- optisch auffällig verlaufende Texte.

Dies kann andererseits genutzt werden, um die Reihenfolge der Wahrnehmungspunkte für den Rezipienten zu „programmieren“ [11].


Auf optische Kontraste und wenige Fixationen achten

Grafische Umsetzungen werden gerne mit sich überschneidenden Elementen angelegt. Zum Beispiel die Headline in der Abbildung, die Abbildungen als Hintergrund über die gesamte Betrachtungsfläche. Oder Überschneidungen von Abbildungen. Hier ist besonders auf gute Kontraste zu achten. Jedes Signal muss – durch Farb-, Form- oder Inhaltskontrast entsprechend gestaltet und platziert – für sich alleine eindeutig und gut erkennbar bleiben [12].

Dieses Umsetzungskonzept funktioniert jedoch nur, wenn auch die Gesamtmenge der abgebildeten Einzelelemente vom Rezipienten mit zehn bis fünfzehn Fixationen [13] erfasst werden kann. Mehr Zeit bleibt in der Regel für den ersten Orientierungs-Kontakt nicht [14].


Den Andockflächen ausreichend Raum geben

In der Praxis hat sich bewährt, dem Werbemittelbereich, der den Dialog mit der Zielgruppe „eröffnen“ soll, ausreichend Raum zu geben. Diese Andockflächen [15] müssen den Augen bei den ersten Orientierungs-Kontakten das Erkennen und Aufnehmen der wichtigen Signale so leicht wie irgend möglich machen:

Bei Response-Anzeigen muss mindestens ein Drittel der Gesamtfläche für Keyvisual, Headline und maximal zwei weitere Elemente (zum Beispiel Subline, Logo, Störer) eingesetzt werden. Das gilt für doppelseitige und einseitige Formate; ebenso aber für alle kleineren Anzeigen bis etwa eine Viertel-Seite Zeitschriftenformat und eine Achtel-Seite Zeitungsformat. Noch kleinere Formate sind erfahrungsgemäß als Dialog-Anzeigen (mit Response-Funktion!) nicht geeignet.

Dieses Raumkonzept ist in der Praxis nicht einfach zu realisieren. Response-Anzeigen müssen außer dem Response-Element meist noch umfangreiche Detail-Informationen geben. Die Erfahrung zeigt jedoch: eine deutliche Reduktion der Anzeigen-Inhalte zugunsten größerer Andockflächen ist in jedem Fall die responsestärkere Lösung.

Bei Response-Print-Beilagen [16] müssen vier Fünftel der Titelseite den Signalen für die ersten Orientierungs-Kontakte gegeben werden. Das gilt für alle Formate zwischen DIN A3 und etwa DIN A6. Auf dieser Fläche sollten nicht mehr als drei bis fünf Signale (entsprechend den oben erwähnten zehn bis fünfzehn Fixationen) platziert sein. Das verbleibende Rest-Fünftel kann, als separater optischer Raum, für ergänzende Informationen genutzt werden. Diese werden jedoch meist erst später, also nach den Orientierungs-Kontakten, wahrgenommen.

Für (Mailing-)Prospekte ist im Prinzip das gleiche Titelseiten-Flächen-Konzept wie bei Print-Beilagen anzuwenden. Obwohl hier die Wahrnehmung durch die voran gegangene Beachtung des Umschlages sowie des Anschreibens bereits positiv aktiviert sein kann.

In vielen Fällen wird der durch Format und Farbigkeit meist attraktivere Prospekt vor dem – oft leseunfreundlichen – Anschreiben wahrgenommen.

Das Konzept mit wenigen, aber für den Rezipienten wesentlichen Signalen, hat sich bei allen Print-Werbemitteln bestens bewährt. Dabei gilt: Die Andockfläche muss ausreichend groß sein. Und umso mehr Flächenanteil bekommen, je stärker das Umfeld des Werbemittels, beziehungsweise die Distributions-Situation, die Wahrnehmung erschweren oder stören könnten [17].

Besondere Aufmerksamkeit muss dem Anschreiben gewidmet werden. Als persönlichster Teil eines Mailings, durch den Namen des Rezipienten und eventuell weiterer persönlicher Merkmale, ist eine hohe Andockbereitschaft in der Regel gegeben. Und: die Aufnahme des eigenen Namens aus der Anschrift oder der Anrede ins Gehirn erfolgt besonders schnell und löst eine verstärkte Gehirn-Aktivität aus.

Wichtigstes Signal für den Beginn der Kommunikation ist im Anschreiben zunächst die Gesamt-Optik: Sympathisch? Freundlich? Wenig Lesearbeit? Bekannt – unbekannt? Schon nach diesen Signalen kann unbewusst über „weitermachen“ oder „weglegen“ entschieden sein. Es folgen in der Wahrnehmung auffällige Elemente. Allerdings nicht zwingend in der Reihenfolge der folgenden Aufzählung:

- Die Adresse,
- der Briefkopf, zum Beispiel mit einem Personenfoto,
- das Firmenlogo,
- die einzeilige(!) „Betreff“-Zeile mit der starken Wirkung einer Überschrift,
- die Unterschrift,
- das idealerweise einzeilige(!) „PS“.

Die Möglichkeiten in elektronischen Medien – zum Beispiel im Web – Signale zu setzen, sind ungleich vielfältiger als im Print-Bereich. Das breite Präsentationsspektrum aus Bild, Text, Animation, Video und Ton sowie uneingeschränkten grafischen Gestaltungsformen, Navigationsmöglichkeiten und Hierarchien ist aber „gefährlich“. Gefährlich, weil zu viel Vielfalt in der Darstellung schnell zu Irritation und Unübersichtlichkeit führt. Da sich der Nutzer im Web aber sehr schnell zurechtfinden will, braucht er zunächst einfache Strukturen nach denen er sich orientieren und nach denen er vorgehen kann.

Vergleichende Praxis-Tests von Web Sites [18] im Testlabor der gkk DialogGroup haben gezeigt: Erstens: Auf den Home- und Landing-Pages der ersten Hierarchie ist Übersichtlichkeit mit wenigen, aber Nutzer gerechten Signalen oberstes Gebot. Und mit Sicherheit die bessere Lösung. Hier punkten besonders die Klarheit der Navigation und der verwendeten Begriffe. Analog kann auch eine wichtige Print-Erfahrung auf das Web-Format übertragen werden: Weniger Informationen und weniger Bewegtes und weniger Animation bringen im Effekt mehr Wahrnehmungs-Erfolg.

Zweitens: Es gelten – von einigen technisch bedingten Abweichungen abgesehen – die gleichen Regeln wie im Print. Das gilt für die Wirkung von Abbildungen und für typografische Lösungen. Das gilt für Farben, für das Wording und ebenso für das Verstehen von Wortbedeutungen. Allerdings müssen die Regeln noch stringenter angewendet werden. Bis zu 25 Prozent langsameres Lesen [19], breite, querformatige Seitenflächen, Scroll-Erfordernisse und durch das Medium bedingte Wiedergabe-Einschränkungen erleichtern nicht gerade die Aufnahme.


Zusammenfassung und Praxis-Tipps

Schnelles Erkennen und leichtes Aufnehmen von Bild-, Text- und Bewegt-Informationen sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Dialog-Kommunikation und damit dem Response-Erfolg. Denn nur das Erkennen und Aufnehmen ermöglichen es dem Rezipienten

- die Bedeutung von Signalen zu bewerten,
- Belohnungen in den Signalen aufzuspüren,
- und so einen weiterführenden Beschäftigungswunsch im Gehirn auszulösen.

Wie Bedeutungen im Gehirn entstehen und wie Belohnungen wirken, lesen Sie am besten in den Büchern von Scheier/Held [1] [2].

Viele der folgenden Praxis-Tipps sind seit Jahren bekannt, werden immer wieder publiziert. Neu ist: Gehirnforschung, Blickverlaufs-Analysen und anderen Wahrnehmungs-Verfahren untermauern die Wirksamkeit dieser Praxiserfahrungen. Vielleicht verhilft ihnen dieser Umstand demnächst zu mehr Akzeptanz und stärkeren Berücksichtigung in der Dialog-Praxis.

Die vorrangig von den Augen erfassten Signale sind:

- Bilder.
- Headlines – auch „Betreff“-Zeilen und das„PS“ in Anschreiben.
- Name / Vorname / persönliche Daten.
- Optische Hervorhebungen: Formen, Farbflächen, Symbole.
- Briefköpfe [20].
- Logos [20].
- Bildunterschriften.
- Handschrift und handschriftliche Textteile [21].

Im ersten Orientierungs-Kontakt, mit einer Dauer von Sekunden [14], werden nur drei bis fünf Signale wahrgenommen. Entscheidend für das Erkennen der Signale im Orientierungs-Kontakt ist die Größe der Andockfläche [15] in der sie platziert sind:

- mindestens ein Drittel der Gesamtfläche bei Response-Anzeigen.

- etwa vier Fünftel der Fläche von Titelseiten bei Response-Beilagen, Mailing-Prospekten, Verteil-Prospekten, Flyern, Handzetteln.

- Bei anderen Response-Print-Werbemitteln muss die Andockfläche umso mehr Flächenanteil bekommen, je stärker das Umfeld des Werbemittels, beziehungsweise die Distributions-Situation, die Wahrnehmung erschweren oder stören könnten [17].

Bilder, speziell in Andock-Bereichen, müssen eine klare Aussage übermitteln und in ihrer Bedeutung eindeutig sein für den Rezipienten.

Das Wording in Headlines, also die Bedeutung jedes Wortes, muss mit hundert Prozent verstanden werden. Das gilt auch für die Wortwahl in den „Betreff“-Zeilen und dem „PS“ in Anschreiben. Entscheidend für das Verstehen ist der Wissensstand des Rezipienten. Nicht der des Texters! [22].

Der Blickverlauf in den Andock-Flächen kann durch eine entsprechende Ausrichtung bildhafter oder grafischer Elemente beeinflusst [10] [11] werden. Der Wahrnehmungs-Ablauf für den Rezipienten kann auf diese Weise „vorprogrammiert“ werden.

Die Hintergrund-Gestaltung beeinflusst das Erkennen und das Aufnehmen von Signalen erheblich. Vermieden werden sollten:

- kontrastarme Überschneidungen wichtiger Signale.
- helle Headline-Schriften über Abbildungen.
- in Abbildungen hinein oder aus Abbildungen heraus laufende Headlines.
- kontrastarme Headline-Schriften auf variierendem Farb-Hintergrund und auf gesoftetem Bild-Hintergrund.
- ein Wechsel der Schriftfarbe oder der Schrifttype innerhalb der Headline.

Headlines werden am besten erkannt (Lesbarkeit), wenn sie einzeilig sind, aus ein und zweisilbigen, und nicht aus mehr als circa zehn Wörtern bestehen [22].

Headline-Schriften sollten in einer Schrift-Type gesetzt sein

- mit genügend Buchstabenabstand (Laufweite).
- deutlichem Unterschied zwischen Ober- und Mittellänge.
- genügend Wortabstand.
- bei mehreren Zeilen, mit gutem optischen Zeilenabstand.

Bei normaler Headline-Typografie besteht kein Unterschied in der Lesbarkeit zwischen Serifenschriften und serifenlosen Schriften.

Die Farbe der Headline muss sich deutlich vom Hintergrund abheben. Helle Headlines auf sehr dunklem, gleichmäßigem Grund (negative Schrift), unterstrichene Headlines und Headlines mit Umrandung des ganzen Satzes sind besonders gut lesbar.


Headlines werden am sichersten aufgenommen (Verständlichkeit), wenn sie Bildungsgrad und Wissenstand des Rezipienten (bezogen auf den Textinhalt) berücksichtigen [23].

Ordnung ist in den mit vielen Informationen gefüllten Dialog-Werbemitteln einer der wichtigsten Wirkfaktoren um eine schnelle Wahrnehmung zu gewährleisten. Zahlreiche bewährte Gliederungs- und Ordnungs-Werkzeuge können diese Ordnung optisch signalisieren. Dies ist besonders in den Andock-Bereichen wichtig, aber auch für alle in der Orientierungsphase in die Wahrnehmung mit einbezogenen Flächen.

Perspektivische Darstellungen ziehen die Augen besonders an und fördern ein schnelles Erkennen. Produkte/Gegenstände deshalb plastisch abbilden mit Tiefe und Schatten. Perspektive nicht mit über der Abbildung liegenden „fliegenden Etiketten“ (Störer) verdecken!

Überfüllung – auch „geordneter“ Flächen – hemmt massiv die Lust zur weiteren Beschäftigung. Überfüllung wird in vielen Fällen schon in der Orientierungsphase als negatives Erlebnis (unbewusst) bewertet. Grundsatz: Weniger Informationen erzielen im Endeffekt eine bessere Wahrnehmung und mehr Wirkung beim Rezipienten!

Leselust kann die Beschäftigung mit Werbung deutlich verbessern. Selbst interessante Inhalte werden aber gar nicht oder nur teilweise gelesen, wenn die gewählte Schrift

- zu klein für das Lesevermögen der Zielgruppe ist [24].
- eng laufend ist (Narrow Versionen).
- zu fett ist (Buchstabenabstand „verwischt“).
- farbig ist, ohne ausreichenden Kontrast zum Untergrund.
- negativ gedruckt ist.

Eine Kombination dieser negativen Einflüsse führt in der Regel zur Lese-Verweigerung.


Praxis-Tipps:

- Textspalten anlegen + Spalten mit vertikalen Linien trennen
- 40 bis maximal 60 Anschläge pro Zeile sind optimal lesbar
- keine zu schmalen Spalten (= weniger als 25 Zeichen)
- Textspalten durch Absätze untergliedern
- 5 bis maximal 15 Zeilen pro Absatz
- Absätze mit (einzeiligen) Zwischenüberschriften versehen

Wichtiges deutlich und gezielt hervorheben, aber sehr sparsam einsetzen:

- Störer, Pfeile, Formen, Rahmen, Markierungen
- Farb-Unterlegungen, Bulletpoints, Unterstreichungen
- farbige Schrift.


Literatur

[1] unter anderem in Scheier Ch., Held D.: Was Marken erfolgreich macht. – S. 169, ISBN 978-3-448-08610-2, Haufe, 2007.
[2] Scheier Ch., Held D.: Wie Werbung wirkt. – ISBN 3-448-7251-6, Haufe, 2006.
[3] Bei sogenannten Kurzzeit-Belichtungen werden Werbemittel für Bruchteile von Sekunden den Probanden gezeigt und anschließend wird abgefragt, was wahrgenommen wurde.
[4] Als Attention Tracking (™Media Analyzer) werden Verfahren bezeichnet, die es ermöglichen, mit bestimmten technischen Systemen, Aufmerksamkeits-Messungen an Werbemitteln online durchzuführen.
[5] Ein Semacode beinhaltet eine grafische Darstellung von Daten, die mittels entsprechender Software-Programme in Bild- und Text-Informationen umgewandelt und lesbar gemacht werden können.
[6] Unter Signale werden hier bestimmte Schlüssel-Elemente der Werbung verstanden: Bilder, Headlines, auffällig markierte Texte, Farben, Logos, Störer, farbige oder Bild-Hintergründe.
[7] Das Wort „gehirngerecht“ steht für eine visuelle Umsetzung, die leicht erfasst werden kann und deshalb schnell ins Gehirn gelangt. Der Ausdruck stammt aus V. F. Birkenbiehl, Stroh im Kopf, 43. Auflage, ISBN 3-478-08393-1, S.12, Gabal, 2004, mit Urheberrechtsvermerk ®.
[8] Scheier Ch., Held D.: Was Marken erfolgreich macht. – ISBN 978-3-448-08610-2, Haufe, 2007.
[9] Bezeichnung für das Hauptbildmotiv.
[10] Bezeichnung für eine bestimmte, auf die Zielgruppe abgestimmte Wortwahl in einer Überschrift oder in einem Text.
[11] Blickverlaufstests haben bewiesen: die Reihenfolge der von den Rezipienten aus der Zielgruppe wahrgenommenen Signale kann mit einer Sicherheit von etwa 85 Prozent vorgegeben werden.
[12] Blickverlaufstest haben gezeigt: die Reihenfolge der von den Personen aus der Zielgruppe wahrgenommenen Signale kann hier nur mit einer Sicherheit von unter siebzig Prozent vorbestimmt werden.
[13] Als Fixation wird die Standphase der Augen beim Aufnehmen von Bild oder Schrift bezeichnet. Sie dauert etwa ein Zehntel bis drei Zehntel Sekunden. Nur in dieser Standphase kann das Auge Informationen aufnehmen. Dabei wird nur der scharfe Wahrnehmungsbereich, in der Größe etwa einer Zwei-Euro-Münze im normalen Leseabstand, vom Gehirn verarbeitet. Der subjektiv noch wahrgenommene periphere Bereich wird nicht verarbeitet. Die Bewegungen der Augen von Standphase zu Standphase bezeichnet man als Sakaden.
[14] Forschung (Kröber-Riehl 1993, Ceyp 2003) und Praxis (TestLab der gkk DialogGroup 2007) haben folgende Richtzeiten für den ersten Orientierungskontakt ermittelt: einseitige Anzeige circa zwei Sekunden; sechsseitige Zeitschriften-Beilage fünf bis zehn Sekunden; DIN A4 Anschreiben bis circa zwei Sekunden; Mailing Umschlag ab circa zwei Sekunden.
[15] Wahrnehmungsvorgänge zwischen Rezipienten und Werbemittel sind nur möglich, wenn die Augen mindestens Sekundenbruchteile auf einem Signal verharren (siehe auch [13]). Dieser Vorgang wird hier als Andocken bezeichnet.
[16] Beilagen (mit Response-Funktion!) in Zeitungen, Zeitschriften, Warensendungen, Take-One-Boxes.
[17] Beispiele: Ausgelegte Handzettel oder Flyer, die nur im Vorbeigehen gesehen werden, Take-One-Boxes zum Herausnehmen von Prospekten, Schaufensterplakate. [18] ©gkk DialogGroup/gkk Testlab, durchgeführt vom Autor für verschiedene Kunden aus den Branchen Telekommunikation, Automobil, Verlag, Versicherung in den Jahren 2005-2008.
[19] Manhartsberger M., Musil S., Web Usability. – ISBN 3-89842-187-2, Galileo Press GmbH, 2002 und andere.
[20] Allerdings eingeschränkt; abhängig von der Platzierung, der Größe und dem Bekanntheitsgrad beim Rezipienten.
[21] Nur bei sehr geringem Umfang und guter Lesbarkeit gegeben.
[22] Einfachheit, Kürze und Prägnanz sind wichtige Kriterien für die Verständlichkeit von Texten gemäß dem Modell zur Messung der Verständlichkeit von Langer, Schulz von Thun, Tausch (2002).
[23] Deutscher Direktmarketing Verband, Tagungsband zum 2. wissenschaftlichen interdisziplinären Kongress für Dialogmarketing, ISBN 978-3-9811531-2-5, 2007/2008.
[24] Je weniger Übung die Zielgruppe mit Lesen hat, desto größer sollte die Schrift sein, desto wichtiger werden der Buchstaben-Abstand und genügender Durchschuss (Zeilenabstand). Die Mindestgröße für ungeübte Leser beträgt zwölf Punkt. Für geübte Leser sind schon zehn Punkt Schriften gut lesbar. Bedingung ist aber eine Zeilenbreite von nicht mehr als sechzig Anschlägen.