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Entwicklung und Evaluation von Markennamen

Bei alle Beteiligten an der Markenentwicklung besteht Einigkeit: Es wird zunehmend schwieriger, verfügbare Namen zu finden.
Horst Möbius | 10.08.2009
Dies stellt neue Anforderungen an Marketing und Research.
Begrifflich untermauerte Namen sind kaum mehr frei verfügbar.
Dies macht es notwendig, auf systematischer Grundlage Verfahren der Namensentwicklung zu
konzipieren und einzusetzen.
Es findet sich dabei aktuell die Tendenz, von der deskriptiven Begriffsebene verstärkt auf
Konnotationen und vom präzisen Ausdruck des Sinngehaltes mehr auf Anmutungen und emotional
fundierte Bedeutungsgehalte abzustellen.
Aus der Namenssuche wird damit ein theoretisch und methodisch angeleiteter Prozess
systematischer Namensentwicklung.
A. Methode der kreativen psychologisch linguistischen Namensentwicklung
1. Voraussetzung/Vorinformationen
Im Rahmen eines Meetings mit dem Auftraggeber sind die wesentlichen Ziel- determinanten der
Namenssuche im einzelnen festzulegen.
Die Marken- und Unternehmenstraditionen, die Positionierung der Marke, ihre Wertigkeit, der
zentrale Client-Benefit und die tragenden Pfeiler der Konzeption des intrinsischen Markenbildes
sind im Rahmen der Vorklärung zu verankern. Festzulegen sind die zentralen Aspekte, die
aufgrund des Markenkonzeptes im Namen zum Ausdruck kommen sollen. Weiterhin wichtig ist die
grundlegende Tonalität und tragende Grundstimmung (Mood), die im Namen übermittelt werden
soll, festzulegen.
Ein so konzipiertes Briefing dient als Bezugsfeld und als Grundlage für die Such-Standards. Im Falle
stark emotional konzipierter Marken sollte das Briefing idealerweise auf der Grundlage der
zentralen psychologischen Gehalte und Wirkmechanismen erfolgen.
2. Untersuchungstechniken
Die Kreativsuche umfasst zwei verfahrenstechnische Vorgänge:
1. kreativ geführte Gruppensitzungen mit sieben bis neun Teilnehmern
2. individuelle Rückkopplung mit den Gruppenteilnehmern nach ca. einer Woche
2.1 Kreative Gruppensitzungen
Die kreativen Gruppensitzungen werden als psychologisch vertiefende Brainstorm-Sitzungen
moderiert und geführt.
2.1.1. Vertiefungsphase
Die psychologische Vertiefung dient dazu, die auf der Oberfläche vorgegebenen Begriffe und
begrifflichen Assoziationen in emotional tiefere Strukturen zu überführen. Durch das Verfahren des
progressiven Ladderings werden dabei die für den Verbraucher seelisch relevanten Tiefenebenen
angesteuert.
Hierzu bedarf es einer eingehenden Einstimmung auf die im Briefing vereinbarten relevanten
Ausdrucks- und Wirkungsdimensionen, die der Name entfalten soll.
2.1.2 Anreicherung des Konzeptes
Beim Erreichen des angestrebten Verständnisses und der intendierten Vertiefungs-ebene ist dann
forschungstechnisch durch Analogie-Ketten eine Ausweitung auf der hergestellten
Vertiefungsebene in die Breite angestrebt. Auf dieser Ebene sollen Zusammenhänge, verwandte
Systeme, Gegenstände, Personen oder Erfahrungsfelder, die dem in Frage stehenden Thema
ähneln, gesammelt werden. Dabei sollte der Analogiebildung zunächst offener Raum gegeben
werden und diese durch stimulierende Techniken (Begriffe, Gegenbegriffe, Abstraktion und
Synthese) gefördert werden.
Im folgenden Schritt sind die erarbeiteten Analogien zu bewerten und im Hinblick auf die
Suchabsicht zu „Konstellationen“ zu verdichten.
Durch das bisherige Verfahren wird sichergestellt, dass die Suche auf der Ebene rational
homologer Begriffe (Ausbreitung auf der Oberfläche) vermieden und durch eine tiefere (über die
emotionalen Valenzen gesteuerte) Ebene ersetzt wird.
2.1.3 Anregung der Produktion von Namen (Ausdrucksgestalten)
Für jede der erarbeiteten Konstellationen sollen nun über das Verfahren der freien Assoziationen
Vorstellungen evoziert werden, die als Wörter, bildliche Beschreibung von Vorstellungen
(Gestalten, Teilgestalten, Komplexen) oder Klangassoziationen ausgedrückt werden können.
Die assoziative Ausbreitung dient der konkreten Veranschaulichung der intendierten Gehalte, die
schließlich in Wörter übersetzt werden, die als Namen Verwendung finden können.
Die möglichst präzise Veranschaulichung der einzelnen Assoziationen soll im gruppendynamischen
Austausch dazu anregen, die Vorstellungen verbal zu präzisieren und in Wörter und Begriffe zu
fassen.
Jeder einzelne Befragte wird schließlich gebeten, individuell zehn Wortfiguren, die ihn in
besonderer Weise bewegen, zu notieren.
In einem weiteren Schritt werden diese zwischen den Befragten ausgetauscht mit der Bitte, diese
um zehn weitere Wörter zu ergänzen bzw. bestehende Worte umzugestalten (Permutation).
Als nächster Schritt werden die Worte im Gruppenprozess gemeinsam erörtert und zur
Veranschaulichung zentral festgehalten (Pinwand).
2.1.4 Phonetische Permutation
Im Rahmen des Gruppenprozesses werden die an der Pinwand verorteten Namen phonetisch
umgestaltet (Silbenaustausch, Silbenumstellung, Veränderung von Namensbestandteilen
untereinander).
Dieser Schritt dient dazu, die phonetische Seite und die sinngestalterische Seite zu vermitteln. Das
phonetische Moment steht dabei im Vordergrund der Übung. Die Namen sind dabei nach
Klanggestalt, Rhythmik, Melodik, Weichheit und Härte, Klangfarbe usw. zu optimieren.
Der gruppendynamische Prozess ist damit abgeschlossen.
2.2 Individuelle Nachbereitung
Jeder der Befragten wird gebeten, die erarbeiteten Materialien für eine Woche mit nach Hause zu
nehmen. Im Rahmen dieser Zeit („Inkubationszeit“) hat der Befragte Gelegenheit, die erarbeiteten
Resultate auch ohne konkrete Handlungsaufforderung auf sich wirken zu lassen. Er wird
aufgefordert, am Ende der Woche, die abschließende Liste mit ergänzenden Einfällen zur
Namensfindung zu versehen und an das Institut zurückzusenden.
3. Ergebnisaufbereitung
Ziel der Ergebnisaufbereitung ist es, fünf Namensvorschläge in priorisierter Folge zu erarbeiten.
Darüber hinausgehende 15 weitere Namen werden als Alternative vorgestellt. Weiterhin werden 50
Namen ausgewählt, die im weiteren Sinne als potentielle Namenskandidaten in Betracht kommen.
Die Präsentationsaufbereitung erfolgt auf der Grundlage einer eingehenden psychologischen
Analyse der im Prozess vollzogenen Entwicklungsschritte und ihrer psychologischen Hintergründe.
Die Namensempfehlung basiert auf der Beurteilung der psychologischen Fundierung und der
Erfüllung der Anforderungen nach Maßgabe des Briefings.
4. Teilnehmerauswahl
Die Teilnehmer am Gruppenprozess und am individuellen Nachbereitungsprozess sind identisch.
Für die Mitwirkung werden spezifische Eignungskriterien unterlegt – nämlich Eloquenz,
linguistische Expertise, geistige Beweglichkeit, Einfallsreichtum – und entsprechende
Berufsgruppen ausgewählt: Sprachwissenschaftler, Alt- und Neusprachler, gestaltende Berufe wie
Texter, Schriftsteller, Grafiker, Maler etc.
B. Evaluation von Markennamen
Bei der Evaluation geht es darum, die im Prozess der Namensentwicklung ausgewählte Namen
quantitativ zu evaluieren.
Beurteilungskriterien für die Valenz der Namen können nicht ausschließlich ihr Verständnis und ihre
inhaltlich begriffliche Passung zum Markenkonzept und den angezielten Ausdrucksschwerpunkten
sein. Zusätzlich ist zu fordern, dass ein Markenname emotional positiv wirkt und eine
interessenanstoßende Motivationswirkung hat.
Zur Beurteilung der emotionalen und motivationalen Wirkung von Markennamen wurde von uns
ein Verfahren entwickelt, das die affektiv-emotionale Primärwirkung, die persönlich emotionalen
Stellungnahmen sowie die motivationale Hinwendungswirkung umfassen.
Hierfür wurden Skalen entwickelt, die diese Dimensionen erfassen können. Diese wurden im
Hinblick auf ihre Prognosekraft für das ausgelöste Markeninteresse methodisch untersucht und
optimiert und erweisen sich – auch nach den statistischen Kennwerten – als hoch relevante
Prädikatoren für die Motivation.
Daneben werden die für das Markenkonzept relevanten copystrategischen Aspekte ermittelt.
Das Verfahren berücksichtigt die primären Wirkungen der Klanggestalt, der Melodik, der Rhythmik
im Sinne der phonetischen Gesamtwirkung sowie die inhaltlichen Ausdrucksgehalte und ihre
Akzeptanz.
Das Verfahren erweist sich in der Praxis als ausgesprochen fruchtbar bei der Evaluation von
Markennamen – gerade auch im Hinblick darauf, dass ansonsten schwer erfassbare nonkognitive
Aspekte Berücksichtigung finden. Während die copy-strategischen Aspekte in der Regel erfüllt sind
erweisen sich die emotionalen Aspekte nicht selten als kritisch und werden dann für die
Auswahlentscheidung maßgeblich.
Wir haben mit diesem Verfahren ein Instrument entwickelt, das den heute schwierigen
Bedingungen der Namensfindung Rechnung trägt und sich sowohl für Marken- und
Produktgruppen mit starkem emotionalen Markenauftritt als auch für solche mit eher rationalem
Markenauftritt eignet.
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Horst Möbius ist Geschhäftsführer von Ifuma Marketing- und Medienforschung in Köln.