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Ein neuer Führungsstil: Die kundenfokussierte Mitarbeiterführung

Nicht länger Produkte, sondern ein loyalitätsbasiertes Marketing und eine kundenfokussierte Mitarbeiterführung sind die Erfolgstreiber der Zukunft.
Anne M. Schüller | 01.11.2006

Wie geht man eigentlich bei Ihnen mit den Kunden um? Die meisten Unternehmen überschätzen sich maßlos in punkto Kundenorientierung. Das ‚Feindbild Kunde’ („Die Kunden sind nicht nett zu mir!“) steckt nach wie vor in vielen Mitarbeiter-Köpfen. ‚Kunde-stört-bei-der-Arbeit-Botschaften’ hängen an unzähligen Schwarzen Brettern.

Selbstzentriert wie eh und je wird dem Kunden vorgeschrieben, wie die Dinge zu laufen haben. Als Sprachcomputer getarnte Kundenvergraulungsprogramme, Warenbewacher im Handel und die ‚Lektionen der Lieblosigkeit’ so genannter Dienstleister machen uns Verbraucher fertig. Und oft genug finden wir uns in der entwürdigenden Bittsteller-Rolle wieder.

Nur: Die Zeiten ändern sich dramatisch – und zwar rasend schnell! Es gibt von Allem viel zu viel, wir haben Käufermärkte. Das bedeutet: Der Kunde hat heute die Macht - und damit das Sagen! Nicht länger das Unternehmen, sondern der Kunde bestimmt nun die Spielregeln, nach denen 'verkaufen' gespielt wird! Er stellt die Anforderungen und die Unternehmen führen sie aus – und zwar bitte möglichst sofort! Und wenn uns Kunden was nicht passt, bleibt unser Portemonnaie eben zu. Basta!

Nicht länger Produkte, Standorte und Anlagen sondern ein loyalitätsbasiertes Marketing und eine kundenfokussierte Mitarbeiterführung sind die Erfolgstreiber der Zukunft. Denn schon heute müssen alle Versuche scheitern, etwa per Technik, Logistik oder Prozess-Optimierung einen dauerhaften Wettbewerbsvorsprung erreichen zu wollen, da dies komplett und rasend schnell kopiert werden kann. Viel schwieriger ist es, eine kundenfokussierte Einstellung, wahrhaft kundenfokussiertes Verhalten sowie Investitionen in Mitarbeiter-Loyalität zu kopieren.

Das kundenfokussierte Management

Der Begriff der Kundenorientierung beseelt bereits seit Anfang der 90er Jahre die Wirtschaft. Kaum ein Geschäftsbericht, der ihn auslässt. In keinem Unternehmensleitbild darf er fehlen. In den Sonntagsreden der Manager wird er gerne strapaziert. Doch trotz aller Willenserklärungen regieren Shareholder Value- und Kosten-Denke, Produktverliebtheit und Selbstzentriertheit die Führungsetagen. Man lese nur aufmerksam den Wirtschaftsteil seiner Tageszeitung.

In Orientieren steckt Orient, also der Osten, da wo die Sonne aufgeht. Viele Manager scheinen allerdings vergessen zu haben, dass die Sonne dort am kräftigsten scheint, wo die Kunden glücklich sind. Womöglich fehlt dem Begriff der Kundenorientierung auch Klarheit und Präzision. Denn Orientierung hat etwas Vages, deutet eher in eine grobe Richtung als auf ein bestimmtes Ziel. „Ich muss mich erst mal orientieren“, sagen wir, wenn wir nicht so ganz genau wissen, wo wir sind und wo es langgeht.

Verabschieden wir uns also von dem offensichtlich zu vagen Begriff der Kundenorientierung. Reden wir zukünftig über die viel präzisere Kundenfokussierung. Fokus heißt Brennpunkt. Wenn also Jeder im Unternehmen für die Sache des Kunden brennt und darauf seine ganze Aufmerksamkeit lenkt, dann ist der Erfolg zu schaffen.

Die einzigen, die das Überleben eines Unternehmens auf Dauer sichern, sind die Kunden. Und zwar begeisterte, ja gerade zu glückliche, dem Unternehmen durch und durch verbundene treue Immer-wieder-Kunden und aktive positive Empfehler.

Management und Marketing, so sage ich, heißt:
Menschen glücklich machen

Wer Kundenfokussierung wirklich will, braucht Marketingleute in der Führungsspitze. Denn in Zukunft werden nur solche Unternehmen eine Chance am Markt haben, die sich als Marketing-Company verstehen, die also voll und ganz vom Markt und damit vom Kunden her denken und handeln.

Was Kundenfokussierung bedeutet

Kundenfokussierung heißt, die Perspektive zu wechseln, alles aus Sicht des Kunden zu betrachten, sich auf seinen Stuhl zu setzen, sich in seine Schuhe zu stellen. Und dies ist nicht nur eine Frage von ‚wissen’ und ‚können’, sondern vor allem von ‚wollen’. Gefragt sind:

• eine kundenfokussierte Einstellung (= was der Kunde spürt): der Umgang mit Kunden macht echt Spaß, man ist tolerant und verständnisvoll, man wertschätzt die Kunden, man fühlt sich persönlich verantwortlich für deren Wohlergehen, man kann sich gut in ihre Lage versetzen und tut das alles auch wirklich liebevoll, achtsam und gerne. Im Vordergrund steht das 'wollen wollen'.

• kundenfokussiertes Verhalten (= was man tut, also der Kunde auch sieht): Man ist sicher im Umgang mit Kunden, bereitet sich gut auf den Kunden vor, man spricht eine kundenfokussierte Sprache, man denkt für den Kunden mit, man unterstützt ihn aktiv und partnerschaftlich im Erreichen seiner Ziele, man befragt ihn über seine Bedürfnisse, man versucht, jeden machbaren Wunsch zu erfüllen oder, was noch viel hochwertiger ist, gar zu antizipieren.

Die kundenfokussierte Einstellung ist dabei der vorrangige Aspekt. Fehlt die Einstellung, wirkt das Verhalten schnell aufgesetzt und andressiert. Vertriebs- und Service-Trainings beschäftigen sich immer noch viel zu sehr mit einer Vielzahl von Verkaufstechniken. Selbst, wenn diese gut beherrscht werden: Sie bewirken nichts, wenn die Einstellung nicht stimmt. Ob einem der Kaffee liebevoll oder lieblos serviert wird, wird man als Gast garantiert spüren. Und jedes 'Muss-Lächeln' wird als solches enttarnt.

Mitarbeiter kundenfokussiert führen

Die kundenfokussierte Führung richtet die Mitarbeiter voll und ganz auf den Kunden aus. Die Schlüsselfragen, die dabei immer wieder zu stellen sind, lauten:

• Wer und wie ist unser Kunde?
• Wie ‚tickt’ er emotional?
• Was will und braucht er wirklich?
• Was ist gut und richtig für ihn?
• Was hält er von unserer Leistung?
• Was fängt er damit an?
• Wie können wir helfen, unsere Kunden erfolgreich und damit glücklich zu machen?

Und wie erfahren wir all das? Nicht am grünen Tisch, nicht durch Studien und Statistiken, sondern nur durch regelmäßige, offene Dialoge mit den Kunden! Kundenfokussiert führen heißt demnach: Nicht glauben, zu wissen, was der Kunde nötig hat und nützlich findet, sondern die Mitarbeiter dazu anhalten, täglich Kunden-Rückmeldungen einzuholen.

In kundenfokussierten Unternehmen kennt das Management seine Kunden nicht nur aus den Berichtsbänden der Marktforschungsinstitute – sondern höchst persönlich. Für viele Führungskräfte bedeutet dies, womöglich erstmals mit einem Kunden von Angesicht zu Angesicht zu reden.

IKEA-Führungskräfte besuchen beispielsweise die Kunden zu Hause, um zu sehen, wie sie so leben. Von Michael Dell, dem Gründer und Chef des Online-Computeranbieters Dell wird erzählt, dass er sich im Internet-Chat mit seinen Kunden oft als einfacher Mitarbeiter ausgibt, um unverfälschte Meinungen zu bekommen. Und von Rich Teerlink, Harley Davidson CEO von 1989 bis 1997, weiß man, dass er bei Harley-Owners-Treffen den Bikern Würstchen grillte und die Maschinen polierte, um hautnah soviel wie möglich über sie zu erfahren.

Aspekte einer kundenfokussierten Mitarbeiterführung

Die kundenfokussierte Führung ist folgendermaßen geprägt:

• Management by walking and talking around
• Der Kunde ist in Gesprächen und Meetings ständig positiv präsent.
• Mitarbeiter werden als interne Kunden gesehen – und auch so behandelt.
• Die Mitarbeiterzufriedenheit wird regelmäßig gemessen und ist hoch.
• Die Führungskraft lebt Kundenfokussierung deutlich sichtbar vor.
• Die Ziele der Mitarbeiter sind auf Kundenfokussierung ausgerichtet.
• Die Mitarbeiter werden in die Gestaltung aller Prozesse aktiv eingebunden.
• Über kundenfokussierte Einstellungen wird regelmäßig gesprochen.
• Kundenfokussiertes Verhalten wird gefördert, gemessen, gelobt und belohnt.
• An einer kundenfokussierten Prozess-Optimierung wird ständig gearbeitet.

Die kundenfokussierte Haltung eines Unternehmens beginnt in den Köpfen der Führungskräfte. "Es dauert keine 14 Tage, dann behandeln Mitarbeiter ihre Kunden genau so, wie sie selbst von ihren Chefs behandelt werden", soll Sam Walton, der Begründer von Wal-Mart, einmal gesagt haben. Vor der Kundenfokussierung steht also zunächst die Mitarbeiterorientierung. Für die Führungskraft heißt das: Den Mitarbeiter als internen Kunden sehen – und eine ‚lachende’ Unternehmenskultur gestalten.

Die Schlüsselfrage, die dabei immer wieder zu stellen ist, lautet: Hätte ich meinen besten Kunden so behandelt, wie ich gerade meinen Mitarbeiter behandelt habe? Und für den Mitarbeiter bedeutet das: Im Zweifel dem Kunden und nicht dem Boss gefallen, seine ganze Energie auf den Kunden und nicht auf die Führungskraft konzentrieren.

‚Management by walking and talking around’ ist ein Management der Nähe und der kurzen Wege. Der Chef verfolgt dabei nicht nur die ‚Politik der offenen Tür’, er macht sich vielmehr auf den Weg durch die Firma. Er geht seine internen Kunden besuchen – genau so, wie der Außendienst das ja auch macht. Und er dialogisiert mit seinen Mitarbeitern, fragt nach ihrer Meinung, holt ihre Ideen ein.

Das macht er nicht nur im Rahmen eines Jahresgesprächs, sondern täglich, am besten zur gleichen Zeit, damit die Mitarbeiter sich darauf verlassen können. Ich nenne das einem rituellen Morgenrundgang. Dabei begutachtet er eben nicht vorrangig die Arbeit an den Maschinen oder im Lager, sondern er bespricht sich mit ihnen. ‚Mensch vor Sache’ und ‚Fragen statt Sagen’ heißen die Maximen. Die notwendige Zeit dafür ist bestens investiert.

Positive Geschichten erzählen

Vielleicht kennen Sie die Geschichte von dem alten Indianer, der den Kindern erzählt, in jedem von uns wohne ein guter und ein böser Wolf, und beide streiten ständig miteinander. „Und welcher wird gewinnen?“ fragen die Kinder. Die Antwort des Indianers: “Der, den du nährst!“

Wir Menschen sind sehr empfänglich für Geschichten – weil unser Hirn bildhaft denkt. Und selbst wenn uns die Medien täglich anderes glauben machen: Wir mögen am liebsten die positiven Geschichten – unser Hirn will das Happy End. Kein Sportler würde ständig seine Negativ-Erlebnisse vorkramen, wenn er zum nächsten Sieg eilen will. Ganz im Gegenteil: Er führt sich seine größten Triumphe vor Augen. Also: Nur keine falsche Bescheidenheit! Richten Sie Ihren Fokus auf das, was gut funktioniert.

Machen Sie es sich zur Gewohnheit, an den Anfang einer jeden Begegnung und den Beginn eines jeden Meetings eine Erfolgsstory zu setzen. Betrachten Sie ‚schwierige’ Kunden nicht als Zicken, Nörgler und Querulanten sondern als persönliche Herausforderung. Fragen Sie Menschen nicht „Wie war’s denn heute?“ Das öffnet Tür und Tor fürs lamentieren. Fragen Sie lieber: „Was ist denn heute gut gelaufen?“ So fokussieren Sie auf Erfolge. Erfolgsgeschichten spornen uns an, sie machen kreativ und leistungsfähig. Sie beflügeln uns und setzen eine Menge Energien frei!

Mal ehrlich: Welche Geschichten erzählt man so über Ihre Firma, auf den Gängen und nach Feierabend? Was posaunen Sie womöglich bei Kunden aus? Was stecken Sie den Lieferanten? Und was geht über die Presse an die Öffentlichkeit? Der gute oder schlechte Ruf eines Unternehmens am Markt wird ja nicht nur durch die Kunden, sondern ganz maßgeblich auch durch die Mund-zu-Mund-Werbung der Mitarbeiter geprägt.

Stellen Sie besser dar, wie es Ihnen immer wieder gelingt, Kunden zu begeistern und glücklich zu machen. Das Bild, das Sie von sich zeichnen, ist das Bild, das man von Ihnen haben wird. Also: Erzählen Sie, wie Sie erfolgreich sind, und was Ihr Erfolgsgeheimnis ist. Erzählen Sie die Geschichten, die man über Sie erzählen soll. Und ganz schnell verbreitet sich dieses wunderbare Gefühl: Wir sind ein Unternehmen, das es krachen lässt! Von solch einem positiven Image werden beide wie magisch angezogen: der Mitarbeiter und der Kunde.

Lachende Unternehmen haben die Nase vorn

‚Lachende’ Unternehmen sind kein Schlaraffenland. Sie bieten vielmehr den Mitarbeitern ständig neue Herausforderungen - im Kern ihrer Talente und auf hohem Niveau. Lachende Unternehmen schwingen positiv und verfolgen Gewinner-Strategien. Dort finden sich ein gut gelauntes Miteinander, offene und ehrliche Hin-und-Her-Kommunikation, Respekt und Anerkennung, Vertrauen, Sinn und Flow. In solchen Wohlfühl-Firmen herrscht ein 'kollektives Sprudeln', die pulsierende Energie gemeinsamer Begeisterung, ein Treibhausklima für Spitzenleistungen, ein Biotop für gute Ideen.

In ‚lachenden’ Unternehmen sind – und da ist eine Menge Neuro-Psychologie im Spiel - nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Kunden gern. Lachende Unternehmen verlieren wenig Kunden – und viele kommen gerne wieder zurück. Wo die Stimmung stimmt, stimmen am Ende auch die Ergebnisse.


Über die Autorin:

Anne M. Schüller gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Sie hat den Begriff des ‘Total Loyalty Marketing’ geprägt. Über zwanzig Jahre lang hatte sie Führungspositionen in Vertrieb und Marketing verschiedener nationaler und internationaler Unternehmen inne und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin ist heute als Marketing Consultant, Hochschuldozentin und Trainerin tätig. Sie hat sechs Management-Erfolgsbücher geschrieben und gehört zu den besten Wirtschaftsreferenten im deutschsprachigen Raum.


Buchtipp:

Anne M. Schüller
Zukunftstrend Mitarbeiterloyalität
Endlich erfolgreich - durch loyale Mitarbeiter
BusinessVillage, 2. Auflage 2006
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