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Die Sprache der Automarken

Linguistische Expertise entschlüsselt den Sprach-Code starker Brands.
Inga Ellen Kastens | 18.03.2009
Dr. Inga Ellen Kastens

Erfolg oder Misserfolg eines Automobilherstellers hängen schon lange nicht mehr von technischen Innovationen allein ab. Die großen Märkte der Branche sind weltweit gesättigt, die Autobauer kämpfen mit- und gegeneinander um die Entwicklung multifunktionaler Werkstoffe (Stichwort Leichtbau), alternativer Antriebstechnologien oder bestmöglicher Fertigungsstandorte. Das Produkt Auto ist Massengut geworden. Was in diesem Kontext beinahe stärker zählt, ist der Markenname auf der Motorhaube. Die Marke besitzt im betrachteten Sektor einen exorbitant wichtigen Stellenwert. Womit ist diese extrem hohe Bindungskraft von Marke und Mensch gerade im Automobilmarkt zu erklären? Die sprachzentrierten Methoden und Ansätze der linguistischen Markenführung geben Antworten.

Die Kraft einer „starken Marke“ basiert auf ihrem fest definierten Markenkern. Er ist Antrieb und roter Faden der Marke, nach innen wie nach außen. Noch vor 35 Jahren griffen zwei Drittel aller Käufer zu einem Modell der drei Massenhersteller Volkswagen, Opel und Ford. Diese Verhältnisse haben sich geändert. Die erfolgreichen Automarken unterscheiden sich von den unerfolgreichen in dem Maße, wie sie es beherrschen, ihre zentralen Werte auf allen Kanälen und allen Wertschöpfungsstufen einzigartig zu vermitteln. So sehr sich das Produkt „Auto“ technisch angleichen mag, niemals wird es zwei starke Automarken geben, die identische Marken-Fingerabdrücke besitzen. Das haben mittlerweile auch die letzten verstanden. Also versuchen sich manche Autobauer nun ihr kostbares Wissen zurückzukaufen, das ihnen im Laufe der Jahre verloren ging: Das Wissen um Emotionen, Lebenswelten, Individualität (integrierte Markenkommunikation) sowie die Fähigkeit zu beobachten und zuzuhören (Marktforschung). Auf einen Nenner gebracht: Die Fertigkeit, im Sinne ihrer Marke zu kommunizieren.

Besonders wertvoll: stringente sprachliche Umsetzung der Markenwerte
Manche Autobauer beherrschen sie, manche nicht. Wie eine Marke kommuniziert, bestimmt in hohem Maße die Beziehung zwischen Automarke und Käufer. Dabei ist Markensprache noch kein Wert an sich: Viele Werbebotschaften in der Automobilindustrie gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Vielfach darf man froh sein, wenn wenigstens ein gewisser Witz die Werbebotschaft (von Markenbotschaft ganz zu schweigen) begleitet. Die Königsdisziplin besteht jedoch darin, zentrale Werte so zu vermitteln, dass alle kommunikativen Maßnahmen die zentralen Markenbotschaften transportieren. Doch wie bauen Sie etwa das Wort respektive den Markenwert „Authentizität“ im Rahmen der Markenkommunikation so ein, dass binnen weniger Zeit „einfach gewusst wird“, dass Ihre – und nur Ihre – Marke für dieses Charakteristikum steht? Ganz sicher nicht, indem Sie es wiederholend verwenden oder gar einfach behaupten, Ihre Marke sei authentisch. Das haben viele andere Produkte bereits bitter erfahren müssen, noch bevor sie überhaupt zur Marke werden konnten.

Gefordert: Konsistente Vermittlung der Markenwerte auf allen Ebenen
„Naja, BMW stand halt schon immer für diese Werte, die haben sich halt etabliert.“ Irrtum. Die Kreation einer Markensprache richtet sich nach Regeln, nicht nach dem Gesetz der Willkürlichkeit. Audi hatte noch in den achtziger Jahren mit einem „veralteten“ Image zu kämpfen, die Marke galt als ausgebrannt und bieder. Doch sie schaffte den „Vorsprung durch Technik“, kommunizierte auf allen Ebenen die emotionale Botschaft – vom Produkt (S4, S8, Audi TT etc.) bis zu den einprägsamen Werbeauftritten. Die Ingolstädter erreichten in nur wenigen Jahren, den Wert „Sportlichkeit“ in der Wahrnehmung der Menschen zu besetzen.

Die Sprache der Marke Audi war nun eindeutig, scharf, unzweifelhaft und erschütterte das deutsche Premium-Duopol von BMW und Mercedes. Der bayerische Autobauer sah sich gezwungen, die dynamische Dimension der „Freude am Fahren“ stärker zu akzentuieren. Mercedes dagegen besann sich nicht auf alte, etablierte Stärken, sondern beging den Fehler, nun um jeden Preis ebenfalls den populären Wert „Sportlichkeit“ besetzen zu wollen. Sportliche Modelle und ein millionenschweres Engagement in der Formel 1 waren die Folgen. Bis der Mercedes-Vorstand 2006 einsah, dass nichts über etablierte Markenwerte geht. Eine Rückbesinnung auf die alten Werte Qualität, Komfort, Design und Sicherheit sollten die Marke wieder im rechten Licht positionieren. Dies umso mehr, da die Toyota-Edelmarke Lexus plötzlich anfing, es sich auf etablierten Mercedes-Werten bequem zu machen und den Stuttgartern das wegzunehmen, was man als das kostbarste immaterielle Markengut ansehen kann: ihre konsistente Markensprache.


Die Marke aus der Perspektive der Linguistik zu führen, bedeutet, die Sprache der Marke auf allen Vertriebs- und Kommunikationswegen in strategische, operative und damit vor allem täglich umsetzbare Maßnahmen zu übersetzen.

Linguistische Markenführung: Zentrale Aussagen zur Marke
Das so genannte „Aufladen“ von Markennamen mit spezifischen Werten, Wissens- und Bedeutungsgebieten ist der Schlüssel dafür, ob Marken abgespeichert, akzeptiert und vielleicht auch eines Tages geliebt werden. Diese Bedeutungsaufladung hat nichts mit dem Wiederholen oder Eintrichtern von Slogans und Sätzen wie „unsere Marke steht für …“ zu tun. Toyota ist ein schönes Beispiel einer automobilen Marke, deren Gesicht vor allem durch eines gekennzeichnet ist: die Dominanz einer Affen-Ikonizität und dem Slogan „Nichts ist unmöglich“. Und wo sind die Lebenswelten, Gefühle und Emotionen, an die die Menschen anknüpfen können? Gibt es überhaupt eine „typische“ Zielgruppe von Toyota?

Du bist, was Du fährst
A propos typische Zielgruppe. Aus linguistischer Sicht steht die als typisch wahrgenommene Klientel einer Marke in einer hohen Wechselbeziehung zu den charakteristischen Markeneigenschaften. Ist das verwunderlich? Gewiss nicht, bedenkt man, dass Marken viel für unsere eigene (wünschenswerte) Selbstdarstellung bedeuten. Eine Marke steht nicht isoliert für „irgendwelche“ Eigenschaften. Marken sind kein Selbstzweck! Die Marke muss uns fesseln, uns zeigen, wie schön das Leben sein kann. „Mercedes-Fahrer“, „Porsche-Fahrer“, „BMW-Fahrer“: diese soziale Kategorisierung ist nicht willkürlich, sondern beruht auf einer stringenten und hochqualitativen Markenführung. Porsche-Fahrer sind sich dieser Kategorisierung bewusst. Ja, sie wollen sie sogar.

Doch wie schaffen Sie es, dass Ihre Marke ein festes Klientel bekommt, dass sie wertvolle Markeneigenschaften tagaus-tagein glaubwürdig nach außen vertritt – bei Gesprächen mit Freunden, Familie und Arbeitskollegen, auf der Autobahn? Hierzu ein Beispiel aus der Praxis automobiler Markensprache:

Starke Marken wie BMW, Mercedes und Audi lassen sich sozial kategorisieren. Umgekehrt differenzieren sich Menschen durch Marken beziehungsweise werden von ihrer Umwelt auf Grund ihrer Markenpräferenz in „Schubladen“ gesteckt. Während wir mit BMW-Fahrern (vornehmlich Männern) eine zumeist schnellere, aggressivere (positiv: sportlichere) Fahrweise verbinden und wir uns bei jeder Sichtung eines solchen Exemplars bestätigt fühlen, unterstellen wir Fahrern von Kleinwagen (vornehmlich Frauen), etwa dem Opel Corsa oder dem Fiat Punto, eine (zu) vorsichtige und damit den Verkehr aufhaltende Fahrweise. Zufall? Gewiss nicht. BMW überzeugt in seinen Texten mit Dynamik und Fahrfreude, spricht damit genau die Menschen an, die die Marke kaufen (bzw. am liebsten kaufen würden).

Der BMW M3 fasziniert durch muskulöse Präsenz. Sein charakteristischer Powerdome schafft unter der Aluminium-Fronthaube Platz für ein gewaltiges Triebwerk. Sensibel dosierbare Leistung, direktes Handling und giftig zupackende Bremsen sind die wichtigsten Komponenten im Bereich fahrdynamischer Höchstleistung.

Der Kunde bringt sein Geld und vor allem seine eigene Persönlichkeit in die Marke ein. Bei solch einer engen Beziehung möchte man wissen, mit wem man es zu tun hat. Man möchte die Marke kennen, sich auf ihre zentralen Werte verlassen können. Und vor allem möchte man sich bestätigt fühlen – in absolut allem, was die Marke sagt, schreibt und abbildet.

Kolbenfresser: Starke Automarken gingen unter, weil sie sprachlos wurden
Opel gilt als ein Paradebeispiel einer Marke, deren Stärke damals unbestritten, heutzutage jedoch mehr als fraglich ist. Anfang des neuen Jahrtausends versprach sich der 140 Jahre alte Traditionskonzern von einer neuen Markenkampagne, nun endlich von seinem Image des Proletarierautos, des langweiligen Designs und der technischen Rückständigkeit wegzukommen. Doch Opel hat im Laufe seiner Markenentwicklung frappierende Fehler gemacht. Gerade als die Wettbewerber den Prestigewert, die emotionale Seite des Autos (wieder)entdeckten, forderten die amerikanischen Chefs aus Detroit: zurück zur Masse. Man bietet den Konsumenten das, wofür ein Auto steht: den Besitzer möglichst kostengünstig von A nach B zu befördern. Ja, ein Auto steht dafür. Aber nicht eine Automarke.

Prägnantes Beispiel für ein verwässertes Markenbild ist auch Ford. Im Laufe der Jahre stand die „Pflaume“, wie das Emblem ob seines Designs in Fachkreisen genannt wird, wohl schon für so gut wie alle Eigenschaften: Sicher, dynamisch, technisch fortschrittlich, jung, traditionell. Aktuell kommuniziert die Marke ihren zersplitterten Zielgruppen: „Feel the difference“. Doch worin äußert sich die Differenzierung? In den Modellen gewiss nicht, diese gleichen sich den einheitlichen Standards größtenteils an. Ein Auto ist halt ein Auto, mag man hier zu Recht einwenden, und das gilt auch für BMW, Mercedes oder Audi. Doch deren Differenzierungskriterium ist ihre Markensprache.

Markenführung gehört nicht in fremde Hände. Sprechen Sie Ihre eigene Sprache!
In Zukunft wird es die Herausforderung im Rahmen der Markenführung sein: Die Markenidentität in ihrer Komplexität vollständig so zu erfassen und darzustellen, dass sämtliche interne und externe Kommunikationsmaßnahmen die zentralen Werte der Marke transportieren. Die Marke ist im Idealfall tonangebend im gesamten Unternehmen – dies gilt bereits für die kleinste geschäftliche Korrespondenz via eMail, Brief oder Telefon. Mit jeder Form der Kommunikation wird das Markenbild auf- beziehungsweise abgebaut. Integrierte Markenkommunikation muss für jeden Mitarbeiter zum Selbstzweck werden – alles andere ist unglaubwürdig. Und das merken die Kunden.



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Managementberaterin & Methodenentwicklerin in den Bereichen Markenmanagement, Unternehmenskommunikation und Unternehmenskultur.