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Die Kunden übernehmen das Kommando

Internet ist der Wachstumsmotor der Direktmarketingbranche. Die Dezemberausgabe des Magazins DIALOG (www.ddv.de) untersucht die Hintergründe.
Autor: Joachim Thommes

Jetzt kommen auch die Nachzügler auf den Geschmack. Henkel www.henkel.de beispielsweise will den Anteil des Internets an seinem Marketingetat deutlich steigern – „vielleicht sogar sprunghaft“, wie Helmut Grosscurth, International Media Director des Konzerns, andeutet. Alte Hasen wie Sony Deutschland www.sony.de wagen sich noch weiter vor. „Wir werden uns in Deutschland sukzessive aus dem Medium TV zurückziehen“, sagt Marketingchef Oliver Kaltner. Seine Begründung: „Die Effizienz von TV nimmt rapide ab.“ Sony will nun aufs Internet und den Point of Sale setzen.
Allzu lange haben sich viele Werbungtreibende dem Internet gegenüber abstinent gezeigt. Schon im Jahr 2003 waren laut Allensbacher Computer- und Telekommunikations-Analyse www.acta-online.de knapp 56 Prozent der Deutschen im Alter von 14 bis 64 Jahren online. Inzwischen stellen die Internetnutzer 67 Prozent der Bevölkerung, 30 Prozent sind täglich länger als eine Stunde im Netz. Der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse www.awa-online.de zufolge haben dagegen nur noch 56 Prozent der Bevölkerung eine regionale Tageszeitung abonniert.
Es sind solche Zahlen, die die Werbungtreibenden aufhorchen lassen und den Run aufs Internet anstacheln. Der Online-Vermarkterkreis (OVK) www.ovk.de im Bundesverband Digitale Wirtschaft www.bvdw.org musste im September seine Prognose fürs laufende Jahr nach oben korrigieren: Noch im Februar hatte er Online-Werbeumsätze in Höhe von 1,3 Milliarden Euro vorhergesagt, nun sollen es seiner Schätzung nach rund 1,7 Milliarden Euro werden. Damit würde das Internet seinen Anteil am gesamten Werbekuchen auf 7,6 Prozent steigern und erstmals das Radio (5,5 Prozent) überrunden.
Der im August 2006 veröffentlichte Direkt Marketing Monitor der Deutschen Post www.deutschepost.de/dmm betrachtet die Gesamtaufwendungen fürs Direktmarketing im vergangenen Jahr und konstatiert im Vergleich zu 2004 Stabilität bei den adressierten Werbesendungen, jedoch deutliche Einbußen beim Telefonmarketing sowie bei Anzeigen und Beilagen mit Response-Elementen. Lediglich die Ausgaben für Internetpräsenzen konnten zulegen – und zwar um satte 24 Prozent auf 5,1 Milliarden Euro.
Grund dafür ist nach Ansicht der Studienautoren, dass sich das Internet hervorragend in das Marketing-Konzept eines Unternehmens integrieren lässt. Zudem biete der Internetauftritt vielfältige Möglichkeiten der Response, etwa durch Angabe von E-Mail-Adresse und Telefonnummer oder eine Online-Bestellmöglichkeit. Dem Direkt Marketing Monitor zufolge waren im vergangenen Jahr 71 Prozent aller Unternehmen im Internet vertreten.
„Das Direktmarketing via Internet führt zu einem generellen Aufschwung der Branche.“ Davon ist Irmgard Gröschl, Geschäftsführerin von Jaron Direct www.jaron.de überzeugt. Basis dafür ist in ihren Augen das wachsende Interesse an performance-orientiertem Marketing. Dass der Rückgang der Aufwendungen für manche Disziplin des Direktmarketings nicht zum Bedeutungsverlust dieser Kanäle führen muss, glaubt Matthias Mühlenhoff, Account Director bei Elephant Seven www.e-7.com. Vielmehr liege die Zukunft in der intelligenten Verknüpfung des klassischen Direktmarketings mit dem Internet.
Dies findet auch Martin Nitsche, CEO von Proximity Germany www.proximity.de: „Durch das Internet werden die anderen Direktmarketing-Disziplinen nicht abgelöst – im Gegenteil, richtig eingesetzt verstärken sich die verschiedenen Spielarten gegenseitig.“ Er verweist auf das „Rieplsche Gesetz“, das 1913 von Wolfgang Riepl formuliert wurde. Es besagt, dass alte Medien „niemals gänzlich und dauernd verdrängt“ werden. Stattdessen würden sie „genötigt, andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen“. Nitsche übersetzt: „Eine E-Mail macht einen Brief nicht überflüssig.“
In den digitalen Medien – neben dem Internet etwa auch Handys und das interaktive TV – lässt sich die Wirkung von Marketingmaßnahmen genauer verfolgen und messen als in anderen Kanälen. Und die Targeting-Methoden werden immer weiter verfeinert (DIALOG August 2006).
Dass dies nicht nur Chancen, sondern auch Risiken birgt, darauf hat das Forum Digitale Kommunikation im Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA www.gwa.de jüngst hingewiesen. Die Zahl der Dateiabrufe, die Besucherfrequenz und Verweildauer auf einer Website seien in vielen Fällen gar nicht relevant für den Erfolg von Internetwerbung. „Typisch für die Qualität des interaktiven Marketings ist eher die Validität der Kontakte als ihre Menge“, heißt es in den Thesen des Forums.
Die GWA-Mitglieder postulieren, dass bei der digitalen Marketing-Kommunikation nicht mehr die Plattform im Vordergrund stehe, sondern das intelligente Konzept, das alle Kanäle – einschließlich der klassischen – umfasst. „Integriertes Marketing bedeutet nicht das Durchknüppeln einer kreativen Leitidee durch alle denkbaren Kanäle. Viel wichtiger ist der gemeinsame, ständig bewiesene Wille aller Disziplinen, den Konsumenten zu interessieren, zu gewinnen, zum Kauf zu führen und zu binden“, erklärt Hans-Werner Klein, Geschäftsführer der McCann-Erickson-Tochter MRM Worldwide Frankfurt www.mccann.de.
Auch Elephant-Seven-Mann Mühlenhoff spricht sich für die Verzahnung des klassischen Direktmarketings mit dem Internet aus. Dazu müsse jedoch das Lagerdenken, für das Mühlenhoff die Agenturen mitverantwortlich macht, überwunden werden. Für eine nachhaltige Kampagne sollten beispielsweise klassische Dialog-Instrumente durch flankierende Online-Maßnahmen mit höherer Frequenz unterstützt werden. „Patentrezepte gibt es aber nicht.“
Allerdings ist es gerade durch das Internet schwieriger geworden, Kunden zu überzeugen. Denn der Internetnutzer ist oft besser informiert als der Verkäufer von Produkten und Dienstleistungen. Und er gibt sich längst nicht mehr mit der Rolle des passiven Medienkonsumenten zufrieden, sondern will selber Kommunikator sein. „Die User haben sich seit 1995 kontinuierlich weiterentwickelt. Sie sind reifer im Umgang mit dem Internet geworden“, sagt Matthias Kurwig, Geschäftsführer von Pla
netactive www.planetactive.com. Dagegen hätten viele Unternehmen nach 2002, also nach dem Internet-Hype, ihre Aktivitäten im Netz drastisch heruntergefahren und merkten nun, dass sie dem User hinterherhinken. Kurwig lehnt den modischen Begriff des Web 2.0 ab. Wenn man das Spiel mit der Versionsnummer mitmachen wolle, mache es mehr Sinn, vom User 2.0 zu sprechen. Denn nicht das Web, sondern seine Nutzer hätten sich erheblich verändert.
Immer mehr Konsumenten verweigern sich der Einbahnstraßenkommunikation von Unternehmen. Was sie stört, nicht dialogorientiert ist und ihre aktuelle Gemütsverfassung vernachlässigt, hat nach Ansicht Kurwigs kaum noch eine Chance, wahrgenommen zu werden. Nur Werbung, die bewusst gesucht werde, könne langfristig erfolgreich sein.

Mehr zum DIALOG - dem Magazin für Direktmarketing unter www.ddv.de

Der DDV vertritt die Interessen von Dienstleistern und werbetreibenden Unternehmen der gesamten Dialogmarketing-Branche.