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Die diskriminierende Kündigung und der Kündigungsschutz

Zugleich Besprechung des Urteils Bundesarbeitsgericht 2 AZR 701/07
Von Dr. jur. Frank Sievert
Dr. jur. Frank Sievert | 09.01.2009
Mehr und mehr Arbeitnehmer machen vor den Arbeitsgerichten geltend, dass die ihnen gegenüber ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, weil die Kündigung sie wegen ihres Alters, ihres Geschlechts oder sonstiger Merkmale diskriminiere. Überdies nimmt die Zahl der Fälle zu, in denen die Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung nicht nur die Feststellung begehren, die ihnen gegenüber ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, sondern zudem wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Diskriminierung durch die Kündigung zusätzlich Schadensersatz und Entschädigung verlangen. Das höchste deutsche Arbeitsgericht, das Bundesarbeitsgericht, hat vor diesem Hintergrund in seinem Urteil vom 06.11.2008 entschieden, dass eine Kündigung, die ein Diskriminierungsverbot, wie dasjenige des Verbots der Altersdiskriminierung, verletzt, sozialwidrig im Sinne von § 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) und damit unwirksam sein kann. Gleichzeitig entschied es, dass Punktesystem und Altersgruppenbildung im Rahmen der Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung grundsätzlich gerechtfertigt seien.

Das Urteil ist deshalb von so großer Bedeutung, weil das zum Schutz vor Diskriminierungen verabschiedete Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in seinem § 2 bestimmt, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum Allgemeinen und Besonderen Kündigungsschutz, d. h. insbesondere das KSchG, das Bürgerliche Gesetzbuch sowie das Mutterschutzgesetz etc., gelten. Dies wurde bis zum vorgenannten Urteil teilweise so verstanden, dass nur solche Kündigungen nach dem AGG überprüft werden, die nicht dem Kündigungsschutzgesetz oder einem der vorgenannten Gesetze unterliegen. Teilweise verstand man in der Anwaltschaft die Regelung anders. Man meinte, dass allein die Wirksamkeit einer Kündigung, die dem Kündigungsschutz unterliegt, nach dem Kündigungschutzgesetz zu überprüfen sei. Der Arbeitnehmer habe bei einer diskriminierenden aber nach KSchG wirksamen Kündigung allein die Möglichkeit, für die diskriminierende Kündigung Schadensersatz und Entschädigung zu verlangen. Der Entscheidung lag der nachstehende Sachverhalt zugrunde:

Der 51 Jahre alte Kläger wandte sich gegen seine betriebsbedingte Kündigung. Dieser lag ein Interessenausgleich zugrunde. Im Interessenausgleich hatten Betriebsrat und Arbeitgeber für die Sozialauswahl i. R. v. § 1 III KSchG eine sogenannte Punktetabelle vereinbart. Das Punktesystem sah bei der Kündigung zu berücksichtigende Sozialpunkte unter anderem für das Lebensalter vor. Die Auswahl erfolgte proportional nach Altersgruppen. Diese umfassten jeweils bis zu zehn Jahrgänge (bis zum 25., 35., 45. und ab dem 55. Lebensjahr). Der Kläger hat die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht und sich u. a. auf das im AGG (§§ 1, 2, 8, 10 AGG) enthaltene Verbot der Altersdiskriminierung berufen. Die Klage blieb auch vor dem BAG erfolglos.

Zwar seien die Diskriminierungsverbote der §§ 1-10 AGG auch im Rahmen des KSchG anwendbar. Eine Kündigung, die ein Diskriminierungsverbot verletzt, könne daher sozialwidrig und damit unwirksam sein (§ 1 KSchG). Das Verbot der Altersdiskriminierung (§§ 1, 10 AGG) stünde der Berücksichtigung des Lebensalters im Rahmen der Sozialauswahl (§ 1 III 1 KSchG) allerdings nicht entgegen. In der Zuteilung von Sozialpunkten nach dem Alter und in der Bildung von Altersgruppen liege zwar eine an das Alter anknüpfende Ungleichbehandlung. Diese sei jedoch gem. § 10 S. 1 AGG gerechtfertigt. Die Zuteilung von Alterspunkten führe mit einer hinnehmbaren Unschärfe zur Berücksichtigung von Chancen auf dem Arbeitsmarkt und im Zusammenspiel mit den übrigen sozialen Gesichtspunkten (Betriebszugehörigkeit, Unterhalt, Schwerbehinderung) nicht zu einer Überbewertung des Lebensalters. Die Bildung von Altersgruppen diene einem legitimen Zweck. Sie wirke nämlich der Überalterung des Betriebs entgegen und relativiert damit zugleich die Bevorzugung älterer Arbeitnehmer.

Die weitergehende Frage, ob sich der Arbeitgeber mit einer diskriminierenden Kündigung auch den Schadensersatzansprüchen oder Entschädigungsansprüchen des Arbeitnehmers aussetzt, oder ob diese nach § 2 AGG ausgeschlossen seien, hat das Bundesarbeitsgericht indes nicht entschieden. Richtigerweise wird man die Nichtigkeit einer diskriminierenden Kündigung keinesfalls als deren Sanktion ausreichen lassen können. Eine vom Gesetz gewollte Verhaltenssteuerung im Sinne der Vermeidung weiterer Diskriminierungen lässt sich nur erzielen, wenn der Arbeitgeber, der eine diskriminierende Kündigung ausspricht, nicht nur verpflichtet wird, den gekündigten Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen, sondern allein dann, wenn er zusätzlich für die Diskriminierung auch zur (Entschädigungs-) Kasse gebeten wird.

In jedem einzelnen aktuellen Praxisfall bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer nicht nur innerhalb der Dreiwochenfrist nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben haben muss, sondern zudem nach § 15 Abs. 4 AGG mit oder ohne anwaltliche Hilfe innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der diskriminierenden Kündigung darüber hinaus seine Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen muss. Hat der diskriminierte Arbeitnehmer erfolglos schriftlich seine Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche geltend gemacht, muss er innerhalb von drei weiteren Monaten nach außergerichtlicher schriftlicher Geltendmachung der Ansprüche, diese auch gerichtlich geltend machen.

Dr. jur. Frank Sievert

Rechtsanwalt

Hamburg, 07.01.2009

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