print logo

Beautiful Exit

Wie ein geglücktes Trennungsmanagement funktioniert
Anne M. Schüller | 20.04.2009

Jetzt kündigen sie wieder. Unternehmen, die in die Krise geraten, müssen sich von Mitarbeitern trennen. Oder Mitarbeiter trennen sich von Unternehmen, die in die Krise geraten. Wobei dann nicht selten die, die man gerne behalten hätte, als erste gehen. In beiden Fällen braucht es ein vernünftiges Trennungsmanagement. Denn der nächste Aufschwung kommt bestimmt.

Bei allem Bemühen um niedrige Fluktuationsraten: Die neue Arbeitswelt macht für viele das ‚nomadische Jobben‘ unumgänglich. So passiert es eben auch, dass gute Mitarbeiter kündigen. Reagieren Sie nicht angesäuert! Verabschieden Sie sich würdig! Und bleiben Sie in guter Erinnerung! Die Amerikaner nennen das einen ‚Beautiful Exit’. Hierzu kann ein loyalisierendes Abschiedsritual entwickelt werden. Das ist nicht nur gut für den, der Sie verlässt, sondern auch für all die, die bleiben. Die merken, dass es honoriert wird, Ihrem Unternehmen über viele Jahre loyal 'gedient' zu haben.

Außerdem hat man ja freundschaftliche Bande mit dem bzw. der Scheidenden geschlossen. Ihr positives Verhalten zwingt nun niemanden, plötzlich so zu tun, als sei er/sie durch die Kündigung zum Aussätzigen geworden. Und Sie zeigen damit, dass Ihr Unternehmen ein offenes Haus ist, mit einer offenen Tür. Kein Käfig, in dem man sich eingesperrt fühlen müsste. Nicht der, der weggeht hat es gut, weil er in eine bessere Zukunft entschwindet. Wer bleibt, bleibt gerne, weil er will und nicht muss.

Und, Hand aufs Herz, bei manch einem fällt die Trennung ja auch nicht ganz so schwer. Bei allen anderen lassen Sie eine Brücke stehen. Schnüren Sie ein angemessenes, individuelles Auf-Wiedersehen-Paket. Dabei können Sie anfragen, ob Ihr scheidender Mitarbeiter weiterhin Ihren Newsletter oder Ihre Mitarbeiterzeitschrift erhalten möchte. Oder Sie senden ihm ein kleines Viel-Glück-Geschenk. Oder Sie geben ihm etwas mit, das ihn noch oft an diese (hoffentlich!) schöne und erfolgreiche Phase seines Berufslebens erinnert. Das Ziel? Eine gute Nachrede. Oder den Wunsch, bei Gelegenheit wieder zurückzukommen.

Ein gutes Trennungsmanagement

Jede Trennung hat Einfluss auf das Beziehungsgeflecht im Unternehmen. Immer wird sehr genau beobachtet, wie die Firmenleitung mit gekündigten oder freigesetzten Kollegen umgeht. Wird Wertschätzung ausgedrückt für das in der Vergangenheit gezeigte Engagement? Verhalten sich die Vorgesetzten souverän? Oder zeigen sie unterkühlte Sachlichkeit? Schieben sie fadenscheinige Gründe vor? Oder wird die Trennungsmaßnahme durch unbegründete Kritik am scheidenden Mitarbeiter gerechtfertigt? Wird der gar zum Tabu-Thema erklärt? Fairness im Umgang mit Scheidenden sorgt automatisch für eine größere Loyalität der Bleibenden.

Dass Mitarbeiterabbau manchmal unumgänglich ist, sei unbestritten. Nur: Die Art und Weise, wie dies bisweilen geschieht, ist völlig inakzeptabel. Nicht selten trennt man sich, ohne mit der Wimper zu zucken, von Mitarbeitern, die für ein Unternehmen von unschätzbarem Wert sind, zuerst: von älteren Menschen mit unersetzbarem Erfahrungswissen oder von hoch engagierten Querdenkern, die trotz unbequemer Fragen immer das Wohl der Firma im Auge hatten. Es kommt sogar vor, dass Führungskräfte von weiter oben angestachelt werden, es besonders ‚schmutzig‘ zu machen. „Der Schmitz, der stört hier nur rum. Nun zeigen Sie mal, was sie drauf haben, Meyer!“ Und Meyer darf sich nach vollbrachter ‚Heldentat‘ auch noch brüsten.

Im Trennungsmanagement geht es nicht nur um ein gesetzeskonformes ‚Was‘, sondern vor allem um ein geglücktes ‚Wie‘. Das hilft nicht nur den Entlassenen sondern tut auch den Bleibenden gut. Bei denen werden sich nämlich nach der ersten Erleichterung, nicht selbst betroffen zu sein, Verunsicherung, Ängste und manchmal auch Schuldgefühle einstellen. Ist die Stimmung schlecht, drückt dies nicht nur auf die Motivation, sondern auch auf die Produktivität. Dienst nach Vorschrift, Krankheit und Desinteresse werden Einzug halten. Und die verbliebenen Guten werden sich bei erstbester Gelegenheit von dannen machen. Diese langfristigen internen Folgen werden ebenso wie die externen Image-Folgen bei Entlassungen meist stark unterschätzt.

Damit keine Illoyalität entsteht

Sicher sind Trennungsgespräche für jede Führungskraft eine emotional stark belastende Situation. Was man als Betroffener aber wenigstens erwarten kann, sind Fairness und Stil. Die Geschichten, die man von frustrierten Entlassungen hört, sind bisweilen haarsträubend. Manche haben ohne Vorwarnung ihre Namen im Intranet gelesen. Andere haben es von den Kollegen und nicht von ihrem Vorgesetzten erfahren. Oder sie haben per eMail einen Dreizeiler erhalten. Danach wurde der Computer gesperrt und der Badge inaktiviert. So wird Menschlichkeit mit Füßen getreten. Und Mitarbeiterloyalität für immer verspielt.

Loyalität ist keine Einbahnstraße. Sie beginnt beim Management, also mit dem Geben. Gerade jetzt werden viele Arbeitnehmer aber wieder mit ansehen müssen oder am eigenen Leib erleben: Loyalität lohnt sich nicht. Loyalität beinhaltet ja nicht nur das engagierte Treueverhalten, sondern auch die so förderliche Mundpropaganda. Ein Mangel an beidem hat nicht nur mit der Wirtschaftslage oder verändertem Sozialverhalten zu tun - in den meisten Fällen ist dies hausgemacht. Die größten Loyalitätskiller heißen: emotionale Kälte, Vertrauensschwund sowie ein schlechtes Trennungsmanagement.

Und irgendwann bekommen Unternehmen dafür die Quittung: Alte Rechnungen werden beglichen. Anstatt nämlich in die Passivität zu gehen, schlagen frustrierte Mitarbeiter heute aktiv zurück. Ihr Ziel: Vergeltung für (subjektiv) erlittene Ungerechtigkeit. Dazu brauchen sie keine Gewerkschaften und keinen Betriebsrat. Heutzutage werden Unternehmen weltweit an den Pranger gestellt.

Dazu nutzen Mitarbeiter - genauso wie Kunden - Foren, Bewertungsportale und Blogs, um sich über das unerträgliche Betriebsklima und die Machenschaften der Oberen mal so richtig auszulassen. Unternehmen behandelt ihre Mitarbeiter also besser gut, denn im Internet lässt sich niemand einen Maulkorb umhängen. Und was dort einmal steht, ist nie mehr zu löschen. Es schadet dem Image nicht selten gerade dann am meisten, wenn man wieder händeringend nach den Besten sucht. Ach übrigens: Kunden lesen das auch.

Mitarbeiterschwund hat immer auch Auswirkungen auf der Kundenseite. Denn Menschen pflegen Beziehungen zu Menschen und nicht zu Unternehmen. Zu manch austauschbarem Dienstleister geht man ja nur wegen dieser einen freundlichen Person, die einen schon so lange kennt. Kunden sind also oft dem Mitarbeiter gegenüber treu und nicht dem Unternehmen. Und Verkäufer nehmen gerne ihre Kunden mit, wenn sie das Unternehmen wechseln. Neue Kunden wird man wohl schwerlich zu Stammkunden machen können, wenn diese ständig auf neue Ansprechpartner treffen.

Wie sich ein Gekündigter fühlt

„Ich kam mir nach der Kündigung wie ein vollkommen wertloser Mensch vor. Es war wie ein Trauma. Mein Selbstbewusstsein war zerbrochen. Wochenlang war ich wie gelähmt.“ Das erzählte mir einmal ein Entlassener. Und das sagen die Hirnforscher dazu: Bei Gefahren von außen, die uns beherrschen, die andauern und denen wir uns nicht entziehen können (wie beispielsweise Isolation, Ausschluss aus einer Gemeinschaft, Kündigung) werden unter dem Einfluss des Stresshormons Kortisol die letzen Energiereserven aufgezehrt.

So fühlen wir uns kraft- und mutlos, unnütz und minderwertig. Wir werden von Selbstzweifeln geplagt. Resignation macht sich breit. Wenn uns eine Bedrohung als unkontrollierbar erscheint, verfallen wir in Hilflosigkeit und Lethargie. Verständnis und Beistand sind das wichtigste, das ein Mensch in einer solchen Situation braucht, um Sicherheit zurückzugewinnen und neuen Mut zu schöpfen.

Zur schockierenden Nachricht darf also nicht auch noch ein katastrophaler Gesprächsstil kommen. Wenn die Trennung von einem Mitarbeiter schon unumgänglich ist, dann muss man seine Würde nicht auch noch mit Füßen treten. Damit sich die üble Nachrede in Grenzen hält und die Motivation der „Überlebenden“ bleibt, sollten Kündigungsgespräche nicht nur gut vorbereitet sondern auch vorher ausgiebig geübt werden.

Wie gute Trennungsgespräche gelingen

Grundsätzlich gilt: Die betroffene Person erfährt es zuerst. Und: Das Gespräch wird unter vier Augen geführt, in aller Regel durch den unmittelbaren Vorgesetzten. Beim Gespräch selbst ist insbesondere auf folgendes zu achten:

• die Wahl des Ortes: Am besten geeignet sind ein blickgeschützter neutraler Bereich bzw. ein Ort, der vor Störungen sicher ist. Wasser und Papiertaschentücher bereithalten.
• die Wahl des Zeitpunktes: Am besten wählt man ihn so, dass der Mitarbeiter danach nicht mehr zurück an seinen Arbeitsplatz muss und ausreichend Zeit erhält, sich zu fangen. Kündigungen nicht direkt vor dem Wochenende oder dem Urlaub aussprechen.
• der Inhalt des Gesprächs: Am besten kommt man ohne große Umschweife sofort zur Sache. Der Einstieg in das Gespräch ebenso wie mögliche Antworten auf sachliche und emotionale Einwände sollten perfekt vorbereitet sein. Neben den notwenigen rechtlichen Formalitäten ist eine nachvollziehbare und glaubwürdige Begründung besonders wichtig. Bestens bewährt hat sich dabei das Harvard-Prinzip: Hart in der Sache (= die Kündigung ist unumgänglich), weich zu den Menschen (= ich kann nachvollziehen, wie Ihnen jetzt zumute ist). Professionalität ist dieser Situation heißt vor allem: Menschlichkeit zeigen.
• die Klärung des weiteren Vorgehens: Auf eine möglicherweise intensive Reaktion des Betroffenen muss man vorbereitet sein. Die notwenige Zeit sollte eingeplant werden. Kündigungen im Akkord sind brutal. Eine Sprachregelung für Kollegen und Kunden, eine Begleitung bei den ersten Schritten nach dem Gespräch sowie Hilfestellung für das weitere Vorgehen (Umschulung, neue Stelle, Selbständigkeit …) sollten angeboten werden.
• der Umgang mit den eigenen Emotionen: Manchmal plagt den, der die Kündigung aussprechen muss, das schlechte Gewissen. Oder es tut ihm persönlich leid. Viele versuchen, solche nur allzu natürlichen Gefühle hinter einer Maske von Emotionslosigkeit zu verbergen. Das ist so ziemlich das falscheste, was man tun kann. Was der Betroffene im Fall der Kündigung am dringendsten braucht, ist ein Zeichen des Mitgefühls.

Fazit: Unternehmen behandeln sowohl die erzwungenermaßen als auch die freiwillig scheidenden Mitarbeiter besser gut. Das nützt nicht nur dem Betriebsklima und dem guten Ruf. Auch die Kunden werden es ihnen vergelten. Eine kürzliche Untersuchung der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) brachte nämlich folgendes zutage: Drei Viertel aller Befragten gaben an, dass sie eher Produkte von Unternehmen kaufen, von denen sie wissen, dass dort die Mitarbeiter fair behandelt werden.


Die Autorin

Anne M. Schüller ist Management-Consultant und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre lang hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener internationaler Dienstleistungsunternehmen gearbeitet. Die Diplom-Betriebswirtin und achtfache Buchautorin zählt zu den besten Keynote-Rednern im deutschsprachigen Raum. Sie arbeitet als Business-Trainerin und lehrt an mehreren Hochschulen. Sie gehört zum Kreis der ‚Excellent-Speakers‘. Managementbuch.de zählt sie zu den wichtigen Managementdenkern. Ihr Buch ‚Kundennähe in der Chefetage‘ wurde mit dem Schweizer Wirtschaftsbuchpreis 2008 ausgezeichnet. Kontakt: www.anneschueller.de

Das Buch zum Thema, mit dem Wirtschaftsbuchpreis 2008 ausgezeichnet

Anne M. Schüller
Kundennähe in der Chefetage
Wie Sie Mitarbeiter kundenfokussiert führen
Orell Füssli, Zürich 2008, 26,50 Euro
255 Seiten, ISBN: 978-3-280-05282-2

www.kundenfokussierte-unternehmensfuehrung.com