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Das neue Lernen: nicht fremdgesteuert, sondern eigeninitiativ

Wer sein Kompetenzniveau nicht ständig durch eigenen Antrieb erhöht, entsorgt sich in Zukunft selbst.
Anne M. Schüller | 10.10.2024
© freepik / alenabutor
 

Fortan werden wir Mitarbeitende brauchen, die multiperspektivisch denken und kombinatorisch handeln, sich ständig weiterentwickeln und Gesamtzusammenhänge verstehen. Grundvoraussetzung dafür ist eine lebenslange, selbstgesteuerte Lernbereitschaft sowie ein laufendes Up- und Reskilling, um seine Kompetenzen zu aktualisieren, zu erweitern, zu verbreitern und stets auf Höchststand zu halten.

 

Mitarbeitende der Zukunft sorgen eigeninitiativ für persönliches Wachstum - und steigern ihren Marktwert auf hohem Niveau. Künftig geht es um onlinebasieren Zugriff auf Wissen dann, wenn wir es brauchen. Entscheidend dabei ist, die guten von den schlechten Lernquellen zu unterscheiden, und in der Fülle der guten Quellen so effizient zu navigieren, dass sich die eigenen Handlungskompetenzen kontinuierlich erhöhen.

 

Ambitionierte Talente eignen sich neues Wissen im eigenen Lerntempo ganz genau dann an, wenn sie es brauchen. Werden Informationen benötigt, um an ein neues Thema heranzugehen, dann warten sie nicht bis zum nächsten Lehrgang. Sie starten flugs eine Online-Recherche. Wer die klügsten Fragen ans Internet stellt und weiß, wo man die besten Antworten findet, dem sind die entscheidenden Vorsprünge sicher.

 

Das eigeninitiative Lernen in zwölf Schritten

 

Wie alles andere auch, müssen wir das selbstbestimmte Lernen erst lernen. Wer seinen eigenen Lernprozess steuert, durchläuft dabei folgende Schritte:

 

1. Die eigenen Defizite ehrlich erkennen

2. Ein Lernzielbild für sich selbst definieren

3. Künftige Kompetenzbedarfe ermitteln

4. Einen persönlichen Lernplan entwickeln

5. Geeignete Lernquellen identifizieren

6. Passende Lernmethoden bestimmen

7. Ressourcen (Budget, Zeit etc.) organisieren

8. Lernstoff dosieren, durchhalten, nicht verzetteln

9. Erlerntes in der Praxis erproben und stetig üben

10. Gelerntes teilen und mit anderen weiterlernen

11. Erfolge reflektieren, bewerten und optimieren

12. Erfolge feiern, um seine Motivation zu füttern

 

Der Fortgang der eigenen Lernaktivitäten kann auf einem Kanban Board sichtbar gemacht werden. Dies sorgt für Transparenz und motiviert, zügig in die Umsetzung zu gehen, weil der Verlauf sowohl für die Person selbst als auch für andere erkennbar ist.

 

Das selbstgesteuerte Lernen muss man erst lernen

 

Zum selbstgesteuerten Lernen gehört insbesondere folgendes Wissen:

 

  • Lernen braucht ein entspanntes Gehirn, Muße und ein stressfreies Umfeld.
  • Lernen braucht Wiederholungen, Üben, Ausprobieren und Selbermachen.
  • Lernen braucht die richtige Zeit. Vormittage eignen sich vielfach besonders.
  • Lernen braucht ein lerntypgerechtes Vorgehen und möglichst alle Sinne.
  • Lernen braucht eine offene Haltung, Freude am Tun und Lust, zu wachsen.
  • Lernen braucht die Bereitschaft, veraltetes Wissen und Können aufzugeben.

 

Das selbstgesteuerte Lernen läuft „near the job“ und verknüpft sich mit der täglichen Arbeit. Dazu gehören E-Learning-Programme, zudem Learning Games, Lern-Podcasts, Webinare, Lern-Apps, Erklärfilme auf YouTube & Co. sowie Videos von Ted Talks auf der ganzen Welt. Statt langwierige Schulungen abzusitzen, werden relevante Lerneinheiten „on demand“ zeit- und ortsunabhängig in den Arbeitsalltag integriert.

 

Wie wir voneinander und miteinander lernen

 

Symptomatisch für neue Formen der Selbstlernkompetenz sind Learning Communitys, in denen wir voneinander und kollaborativ miteinander lernen. Planvorgaben von x Weiterbildungstagen pro Jahr, die zwangsweise genommen werden müssen, gehören der Vergangenheit an. In Zukunft lernen wir in kleinen Einheiten quasi jeden Tag.

 

Zukunftsfähige Lernmethoden sind zum Beispiel diese:

 

  • Micro Learning: Dabei werden während der Arbeitszeit bei Bedarf oder regelmäßig kompakte Lernbausteine, auch Learning Nuggets genannt, in fünf bis zehn Minuten eigenständig durchgenommen. Dies kann zum Beispiel ein kleines Lernspiel, ein ausführlicher Fachtext oder ein Quiz zur Selbsteinschätzung sein. Ein „Learn more“-Knopf am Ende des Nuggets führt zu weiteren thematisch passenden Lernangeboten.

 

  • Lunch & Learn: Hierbei geben Kollegen ihr Wissen im Rahmen eines Mittagessens weiter. Die Themen werden in eine interne Lernplattform eingestellt. Wer interessiert ist, meldet sich freiwillig an. Eine Intervention dauert maximal 15 Minuten. Sie sollte möglichst lebendig und frei von Fachjargon sein. Danach ist fünf Minuten Zeit für Fragen. Im Anschluss können bilaterale Gespräche für die weitere Vertiefung sorgen.

 

  • Interne Ted Talks: Hier stellen Mitarbeitende ihre Lern- oder Innovationsprojekte in Anlehnung an das Ted-Talk-Format vor, zum Beispiel einmal pro Woche im Team oder einmal im Monat vor der gesamten Firma. Die Themenangebote für solche Lernevents werden auf der Lernplattform vorgestellt. Per Voting wird entschieden, welche davon breites Interesse finden und folglich auf die Bühne kommen.

 

  • Peer-to-Peer-Lernen: Mitarbeitende auf gleicher Ebene wissen meist sehr viel besser als Höhergestellte weit weg vom Schuss, welche Lerninhalte für die Kollegen hilfreich sein können und was alle gemeinsam weiterbringt. So wird passender Lern-Content auf firmeninternen P2P-Lernplattformen in Eigenregie erstellt und kuratiert. Solche Plattformen sind für alle Beschäftigten zugänglich. Sie haben Like- und Kommentarfunktionen. Dies fördert die Interaktion und das Vernetzen.

 

Nicht immer wird solches Lernen auf Anhieb gelingen. Speziell dafür geschulte firmeninterne Lern-Coaches können vor allem am Anfang hilfreich sein. Wichtig ist darüber hinaus, dass die Einzelinstrumente sinnvoll miteinander verknüpft werden und sich ergänzen. Idealerweise erhalten die User einen zentralen Zugang zu den einzelnen Lernressourcen, damit sie sich diese nicht aufwendig selbst zusammensuchen müssen.