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Bindung statt Neueinstellung

Woran erkennen Führungskräfte passende Kandidaten und wie stellen sie sicher, dass diese dem Unternehmen erhalten bleiben?
Bindung statt Neueinstellung © freepik / tirachardz
 

770.301 – so viele unbesetzte Stellen gibt es laut Statista durchschnittlich in Deutschland. Das macht sich bemerkbar. Lange Wartezeiten in Arztpraxen, Werkstätten und bei Handwerker:innen gelten längst als Normalzustand. Im Juni 2023 beschloss die Regierung ein Maßnahmen-Paket zur Schließung der Lücke: Durch mehr Zuwanderung von Akademiker:innen und Fachkräften erhofft sie sich Besserung. Ein guter Ansatz, doch bekämpfen die Maßnahmen lediglich die Symptome, statt dem Problem auf den Grund zu gehen, weiß Führungsexperte Boris Grundl. Das Einstellen von Arbeitskräften geht nach seiner Erfahrung schnell und einfach, die meisten Firmen jedoch scheitern daran, diese zu halten. Der Leiter des Grundl Leadership Instituts erklärt, wie eine langfristige Bindung von Mitarbeitenden gelingt.

Vision und Mission

Firmen stecken unendlich viel Zeit und Geld in Recruiting oder Benefits, die neue Leute anlocken sollen. Häufig verlieren Führungskräfte dabei aus dem Blick, was wirklich zählt: eine Bindung zwischen den Unternehmenswerten und den Werten der Teammitglieder zu schaffen. Dabei kommt es zwar auch auf Bewerbungsprozesse an, doch darf der Prozess nach der Einstellung nicht abbrechen. Bevor neue Mitglieder rekrutiert werden, hinterfragen Leader, welche Charaktere zur Firmenkultur passen. Mit Vision, Mission und Leitsätzen entwickeln Führende ihren Unternehmenszweck. Die Vision spiegelt den Idealzustand der Zukunft wider: Wofür steht das Unternehmen? Anhand der Mission verdeutlichen Arbeitgeber das Strahlen der Marke nach außen. Warum vertrauen die Kunden unserer Arbeit? Mit den Leitsätzen formulieren Teamchefs Handlungslinien für die Umsetzung von Vision und Mission.

Ein Praxisbeispiel

Ein Freizeitpark sucht nach neuen Kräften. Seine Mission lautet „Zusammen eine schöne Zeit verbringen“. Gerade im Dienstleistungsbereich muss die Trennlinie zwischen innerer Motivation und der Wirkung nach außen scharf verlaufen. Verwechseln interessierte Talente nämlich die nach außen gehende Mission mit der innen scheinende Vision, entstehen im Kopf Bilder von flauschigen Sesseln und entspanntem Miteinander; die Realität der Arbeitswelt eines Freizeitparks schreckt die frisch Eingestellten dann verständlicherweise ab. Bewerbenden teilt der Park seine Vision daher deutlich mit: „Wir ermöglichen Menschen, zusammen eine schöne Zeit zu verbringen.“ Das bedeutet nicht, dass das Team keine tollen gemeinsamen Erfahrungen sammelt. Doch es stellt klar:  Nur wer Lust darauf hat, am Glück anderer zu arbeiten, passt in den Betrieb. Leitsätze halten das Erreichen der Ergebnisse fest: „Wir verschaffen unseren Besuchern eine schöne Zeit, indem …“

Gut Ding will Weile haben

Eine wichtige Regel heißt „Kultur vor Kompetenz“. Entspricht eine Bewerberin voll und ganz den gesuchten Eigenschaften, dürfen fehlende Skills nicht als Ausschluss-Kriterium dienen. Mit Workshops und Weiterbildungen lassen sich die meisten Kenntnisse erarbeiten, Charakterzüge hingegen nicht. Mit ehrlich gemeintem Interesse am Gegenüber erkennen Leader schnell, wer die Werte des Teams und der Chefetagen teilt und wo Reibereien entstehen. Sind die richtigen Kandidat:innen gefunden, bleiben Führende am Ball. In regelmäßigen Gesprächen vermitteln Leitende, welches System sie verfolgen, erarbeiten gemeinsam mit Mitarbeitenden deren ergebnisorientierte Aufgaben und vergewissern sich, drängende Fragen stets offen, konstruktiv und personenbezogen zu lösen.