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Strategische KPIs als Navigationshilfe in Krisenzeiten

So steuern Onlinehändler mithilfe von strategischen Kennzahlen erfolgreich durch die Krise.
Miriam Hollerbach | 06.03.2023
Strategische KPIs als Navigationshilfe © Freepik / 8photo
 

Experten erwarten für 2023 aufgrund von Inflation und gestiegenen Energiekosten weiterhin einen Nachfragerückgang beim Konsum. Entsprechend konservativ wurden in den meisten Unternehmen die Marketingbudgets für das Jahr geplant und Onlinehändler müssen klug haushalten, um erfolgreich durch dieses Jahr zu kommen. Detaillierte Analysen der wichtigsten KPIs sind daher unerlässlich, um die richtigen Entscheidungen in solch schwierigen Zeiten zu treffen und das Budget zielgenau einzusetzen.

Natürlich müssen Onlinehändler ihre Zahlen nicht nur in herausfordernden Zeiten im Griff haben, wenn sie ein nachhaltiges Wachstum anstreben – aber in der Krise sind diese besonders wichtig. Doch welche Kennzahlen und Analysen sind wirklich relevant?

Strategische Ziele und Herausforderungen in 2023

Am Anfang jeder Betrachtung stehen die Definition der unternehmensspezifischen Ziele und die Identifikation der aktuellen zentralen Herausforderungen. Nur so können KPIs richtig beurteilt und sinnvolle Maßnahmen daraus entwickelt werden. Ein Beispiel: Neukundengewinnung als Ziel hat bei einem Shop, der neu am Markt ist, eine höhere Bedeutung als bei bereits etablierten Händlern. Markteinsteigern wird die Erhöhung des Bruttoumsatzes und das Wachstum der Kundenzahl daher vermutlich wichtiger sein als eine kurzfristige Rentabilität. Kurzfristiges Wachstum haben in diesem Jahr allerdings nur wenige Online-Unternehmen im Fokus, denn angesichts steigender Produktions- und Logistikkosten bei gleichzeitig sinkender Nachfrage ist es schon eine Herausforderung, zumindest minimale Profitabilitätsziele zu erreichen und Restbestände in den Lagern abzubauen.

Zur Lösung dieser Herausforderungen ist eine breite Perspektive wichtig. Sale-Aktionen werden oft zu einseitig betrachtet und positive Nebeneffekte außer Acht gelassen. So können z.B. Produktrabatte auch mehr Verkäufe bei nicht rabattierten Produkten auslösen. Preisreduktionen steigern nicht nur die Conversion Rate und den Umsatz, sondern bei einer klugen Aussteuerung auch die Profitabilität. Zudem wirken sie sich positiv auf die Cost Revenue Ratio (CRR) aus, also auf das Verhältnis von Marketing-Ausgaben zu generierten Umsätzen. Zu berücksichtigen sind sowohl das aktuelle Konsumklima, in dem die Nachfrage besonders stark stimuliert werden muss und Preiskampagnen einen wichtigen Umsatzhebel darstellen, als auch die möglichen Effekte auf das langfristige Preisimage der eigenen Marke. Je genauer ein Shopbetreiber die Vorher-Nachher-Auswirkungen von Preiskampagnen auf allen Ebenen (Umsatz, Profitabilität und Marke) überwacht und verschiedene Kampagnen-Formate testet, desto besser kann er das Ergebnis vorhersagen und einen Promotion-Mix finden, der alle strategischen Ziele in Einklang bringt. 

Fokus auf Profitabilität oder Wachstum?

Über den Deckungsbeitrag (DB) erkennt ein Unternehmen, mit welchen Produkten es tatsächlich Geld verdient und gibt den möglichen Spielraum für Preisnachlässe vor. Er errechnet sich aus der Differenz zwischen Umsatz und variablen Kosten und gibt an, inwieweit ein Produkt zur Deckung der Fixkosten beiträgt. Ist der Deckungsbeitrag niedriger als die Fixkosten, verliert ein Unternehmen Geld. Wer sein Sortiment anhand des Deckungsbeitrags auf Produktebene optimiert und Marketing-Investments auf besonders profitable Käufe aussteuert, kann seine Profitabilität verbessern und steigende Kosten kompensieren. Wenn der strategische Fokus trotz Krise auf Wachstum und Neukundengewinnung liegt, sollte der Deckungsbeitrag hingegen als strategischer Hebel betrachtet werden. Denn Investitionen in die Neukundengewinnung werden sich langfristig positiv auf das Unternehmenswachstum auswirken und der aktuelle Rückgang von Marketing-Investitionen kann als Chance zur günstigeren Sicherung von Marktanteilen genutzt werden. 

Shop-Kennzahlen als Problem-Indikatoren

Eine wichtige Shop-KPI ist die Conversion Rate (CVR). Sie zeigt, wie viele Besucher im Shop zu tatsächlichen Käufern konvertiert werden können. Doch die Conversion Rate verrät noch mehr: Ihr Verlauf gibt wichtige Hinweise über den Zustand des Shops und der aktuellen Kampagnen. Gibt es dort Probleme, sind diese anhand der Conversion Rate meist sofort erkennbar. Eine tägliche oder gar stündliche Kontrolle ist daher empfehlenswert.

Auch der durchschnittliche Bestellwert (AOV) gibt wertvolle Insights in das eigene Online-Business. Er zeigt, wie viel Geld Kunden durchschnittlich pro Einkauf ausgeben. Anhand dieses Wertes können Shops Benchmarks setzen und analysieren, welche ihrer Aktivitäten zu höheren Warenkorbwerten und Deckungsbeiträgen führen. Auch saisonale Schwankungen bildet der AOV ab, z.B. wenn im Herbst meist höherpreisige Winterware gekauft wird. Das zeigt sehr deutlich, dass es als Shopbetreiber nicht genügt, nur den Gesamt-AOV zu betrachten, sondern diesen für verschiedene Sortimente, Saisons, Kanäle und Länder im Auge zu behalten – und stets auch mit getätigten Aktionen in Verbindung zu setzen.

Marketingbudgets richtig einsetzen

Anhand der Kundenakquisitionskosten (Customer Acquisition Costs, CAC) lassen sich nicht nur die durchschnittlichen Gesamtkosten für die Gewinnung eines Kunden erkennen. Der CAC zeigt auch, welche Kanäle leicht abzuschöpfendes Wachstumspotenzial bieten. Und auch wenn Neukundengewinnung anfangs teuer sein mag: Sie zahlt sich aus, wenn daraus loyale, wiederkehrende Käufer entstehen. Das ist der Grund, warum die Kundenakquisitionskosten immer nach Marketingkanal berechnet und regionale Unterschiede berücksichtigt werden sollten.

Marketing ist gerade für junge Unternehmen ein immenser Kostenfaktor und birgt entsprechend ein hohes Risiko. Nicht ohne Grund werden die CACs gerne als „Startup-Killer“ bezeichnet. Denn wenn diese stetig steigen, muss unbedingt die Reißleine gezogen werden. Die Kundenakquisitionskosten sollten daher immer auf Länder-, Kanal- und sogar Kampagnenebene kontinuierlich verfolgt und klare Investitionsgrenzen für Marketinginvestitionen in Bezug auf den Neukundenanteil definiert werden.

Neben dem CAC ist die CRR (Cost Revenue Ratio) als Marketing-Kennzahl zentral. Ein CRR-optimierter Kanalmix, der die kanalspezifischen Neukundenanteile in der Steuerung berücksichtigt, schützt im Marketing davor, große Budgets falsch einzusetzen. Zudem sollte festgelegt sein, wann die Gewinnschwelle erreicht werden muss. In diesem Zusammenhang spielt der Customer Lifetime Value (CLV) eine besondere Rolle, um Marketingausgaben effizient zu planen. Hochrechnungen der Wiederkaufsraten und durchschnittlichen Bestell-Profitabilität lassen eine CLV-Vorhersage zu und bieten eine gute Grundlage für die Planung der maximalen Marketingausgaben für einen neuen Kunden. 

Fokus-Thema Bestandskunden für die Krisenzeit: Treue Kunden erhöhen die gesamte Marketingeffizienz eines Unternehmens. Deshalb sollte dem Bestandskunden-Anteil vor allem in Krisenzeiten viel Aufmerksamkeit zukommen und ein starker Fokus auf Maßnahmen im Bereich Loyalty und eCRM gelegt werden. Schon mit einfachen Mitteln wie z.B. automatisierten Newslettern und Push-Benachrichtigungen, aber auch mit smart ausgesteuerten Reaktivierungsmaßnahmen kann die Performance der Bestandskunden deutlich gesteigert werden – ganz ohne zusätzliche Marketingbudgets. 

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Miriam Hollerbach ist Head of Marketing Consulting bei SCAYLE, der B2B-Division der ABOUT YOU Holding SE.