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Störfaktor Digitalisierung

Marketing-Kommunikation, politische Meinungsbildung und Journalismus werden automatisiert. Das hat Auswirkungen auf Kampagnen und Geschäftsmodelle.
Marcel Bernet | 19.02.2018

Alles Digitale stört erst mal. Bei mir, dem Autor, begann das 1996 in einer Mischung aus Neugier und Abneigung. Da habe ich die erste Website für mein damaliges Unternehmen gebaut. Noch heute begleitet uns die digitale Spannung zwischen „Muss das sein?“ und „Das will ich ausprobieren!“. Ein Blick in Politik, Marketing und Medien zeigt, dass im nächsten Schritt der Digitalisierung vieles automatisiert wird.

Politik: Maschinen twittern


Hat Trump dank automatisierter Tweets gewonnen? Wohl wäre er auch so gewählt worden. Doch der Blick auf die digitale Wahl-Propaganda zeigt die Macht der Maschinen. Die Universität Oxford hat nach dem ersten TV-Duell neun Millionen Tweets ausgewertet: Ein Drittel aller Pro-Trump-Kurztexte wurden von Computerprogrammen oder Bots getwittert, für Hillary Clinton waren es ein Fünftel.

An einem Symposium der Schweizer Vereinigung von Kommunikationsverantwortlichen, dem „Harbour Club“, zeigte der Journalist und Blogger Richard Gutjahr, dass rund ein Drittel aller Inhalte im Internet von „bösen“ Bots verfasst werden.

Das Fazit der Forscher: Algorithmen und Automaten sind wichtige Werkzeuge der politischen Kommunikation. In einem Grundsatzpapier (Download PDF) erklären zwei der Autoren im International Journal of Communication, dass dieses Gebiet dringend weiter erforscht werden muss. Denn „Algorithmen gestalten jeden Austausch und alle Inhalte, die wir nicht direkt und im persönlichen Kontakt erfahren“. Das erleichtert allen Beteiligten den Zugang zu Zielgruppen und Meinungsbildung. Entscheidend ist, wer mit welchen Interessen an den Maschinen sitzt. Adrienne Fiechter, Kampagnenverantwortliche und Journalistin, kommt in ihrem Buch „Die Smartphone Demokratie“ zum Schluss: „Algorithmen und künstliche Intelligenz müssen uns nicht schaden, sondern können im Gegenteil eine neue Infrastruktur der digitalen Demokratie begründen.“

Marketing: Roboter grüßen


Der Austausch mit Kunden lässt sich maßgeschneidert standardisieren. Was wie ein Widerspruch klingt, ist die Grundlage einer Automatisierung, die große Datenmengen sammelt, auswertet und in die üblichen Prozesse einfügt. Automaten chatten auf Facebook: Das Reiseportal Hipmunk reagiert auf die Nachricht „Was ist die beste Zeit, um von A nach B zu fliegen?“ mit einer präzisen Antwort – angepasst an das Profil des Absenders. Ein „Hallo“ an den Epytom-Stylisten liefert Bekleidungsvorschläge, angepasst auf die Jahreszeit, das Geschlecht und den Standort des Absenders. Das Schweizer Startup Papiertiger passt Standard-Verträge automatisiert an Nutzereingaben an.

Automatisation kostet. Der Aufbau und die Analyse von Datenbanken, das Gestalten und Optimieren der Algorithmen verlangt nach Hardware, Programmierung und Unterhalt. Digitalisierung ist in der Produktion mehr als ein Schlagwort, die Kommunikation scheint noch abzuwarten. Amerikanische PR-Agenturen zum Beispiel investierten 2015 erst 1,9 Prozent ihres Umsatzes in Technologie.

Medien: Texte vom Automaten


Hätte ein Bot diesen Beitrag schreiben können? Vielleicht in drei Jahren, zumindest als Entwurf. Heute schon produziert die NWZ Mediengruppe mit Sitz in Oldenburg Veranstaltungstipps, Wetterbericht und lokale Fussballtexte automatisch. Victor Deditius, Product-Manager Online, ersetzt damit keine Journalisten, er weitet das Angebot aus: „Texte werden auf den Nutzer zugeschnitten, in noch kürzeren Zeitabständen publiziert und sie decken mehr Spiele ab.“ Big Data und lernende Software ermöglichen diese Entwicklung, skizziert im Guardian und auf Horizont. Marketing- und PR-Agenturen werden für große Kampagnen auf diese neuen Technologien setzen, um unter Zeit- und Kostendruck zu bestehen.

Fazit: Big Data, Bots, Netzwerk


Wer kommunikative Strategien entwickelt und umsetzt, wird tiefer in drei Bereiche vordringen müssen:
1. Pflege großer Datenmengen
2. Entwickeln von individualisierten, automatischen Texten und Dialogen
3. Automatisierte Integration von Bots, Bot-Netzwerken und Social-Media-Plattformen in Kampagnen