print logo

Vorsicht vor der Beratungshaftung

Eine Empfehlung ist leicht ausgesprochen. Wichtig ist hier, sich bewusst zu machen, dass sich daraus eben auch eine Beraterhaftung ergeben kann.
Michael Kornfeld | 03.02.2022
Damoklesschwert Beratungshaftung © Freepik
 

Überraschend viele Agenturen gehen ein beachtliches Risiko ein – großteils durch Unwissen, manchmal auch einfach durch Ignoranz.

Das kann schneller geschehen als man glaubt: Ein Kunde fragt zum Beispiel an, welches E-Mail Marketing System er denn verwenden soll, ob die Agentur hier eine Empfehlung abgeben kann – und schon geht die Agentur ein Risiko ein, oft ohne sich dessen bewusst zu sein.

Das Risiko heißt Beratungshaftung: Wenn ein Kunde aufgrund der Empfehlung der Agentur eine Entscheidung trifft, aus der ihm später ein Schaden entsteht, könnte er die Agentur dafür haftbar machen und Schadenersatz verlangen.

Kurzer Hintergrund: Was ist die Beratungshaftung?

Wenn eine Agentur einen Kunden berät – und eine „Empfehlung“ kann hier durchaus bereits als Beratung gewertet werden – dann haftet sie für eine Falsch- oder Schlecht-Beratung, wenn dem Kunden aufgrund der Beratung (bzw. durch Verletzung der Aufklärungspflichten) ein Schaden entsteht.

Es kommt also vor allem auf zwei Elemente an: Es muss eine Beratung stattgefunden haben und aufgrund dessen muss dem Kunden ein Schaden entstanden sein.

Es ist übrigens nicht zwingend notwendig, dass es dafür einen eigenen „Beratungsvertrag“ gibt bzw. kann ein solcher auch durch schlüssiges Handeln entstehen, er muss also nicht ausdrücklich oder gar schriftlich vereinbart werden.

Sehr oft gibt es ja auch Rahmenverträge für Agenturen und länger laufende Projekte (z.B. ein Website-Relaunch), innerhalb derer die Agentur den Kunden laufend berät.

Ein praktisches Beispiel: System-Empfehlung

Dazu ein konkretes Beispiel: Im Zuge eines Projektes für den Relaunch einer Website fragt der Kunde, ob die Agentur nicht auch ein E-Mail Marketing System empfehlen könnte. Wenn nun die Agentur beispielsweise einen amerikanischen Anbieter wie Mailchimp empfiehlt, weil sie mit dem System bereits vertraut ist, dann kann sich hier ein erhebliches Problem aufgrund der DSGVO ergeben.

Denn wie wir in unserem Artikel „Das Ende von Privacy Shield und die Folgen für E-Mail Marketing“ beschrieben haben, ist nach dem Ende des Privacy-Shield Abkommens zwischen der EU und den USA die Übermittlung von personenbezogenen Daten sehr problematisch.

Wenn sich nun der Kunde im guten Glauben für den amerikanischen Anbieter entscheidet, ein Betroffener dann jedoch eine Datenschutz-Beschwerde einreicht und der Kunde von der Behörde zu einer Strafe verdonnert wird, wird der Kunde eventuell eine Schadenersatz-Klage gegen die Agentur einbringen können.

Da es ja bereits konkrete Urteile dazu gibt (lesen Sie dazu unseren Artikel „Es ist amtlich: Mailchimp & Co. sind unzulässig“) ist dieses Risiko vermutlich größer, als viele Agenturen denken.

Wie kann sich eine Agentur schützen?

Der wichtigste Schutz für eine Agentur ist einfach: Sie muss sich des Risikos bewusst sein und sollte darauf achten, keine vorschnellen und unbedachten Empfehlungen abzugeben.

Konkret gibt es mehrere Möglichkeiten:

  • Keine leichtfertigen Empfehlungen: Eine Beratungshaftung kann nur bei einer Beratung entstehen. Hier kommt es immer auf die Bedingungen des Einzelfalls an. Das Risiko lässt sich allerdings durch eine durchdachte Formulierung minimieren. Statt „Wir empfehlen Mailchimp, weil wir damit gute Erfahrungen gemacht haben.“ könnte die Agentur formulieren: „Schauen Sie sich vielleicht einmal Mailchimp an, das gehört zu den bekanntesten Anbietern“.
  • Disclaimer angeben: Noch besser wäre es jedoch, bei Empfehlungen einen Disclaimer anzugeben: „Schauen Sie sich vielleicht einmal Mailchimp an. Bitte beachten Sie dabei, dass dies keine Empfehlung für diesen Anbieter darstellen soll, sondern […]“ oder „Dieser Tipp stellt keine Beratung dar.“
  • Recherche vor Empfehlung: Natürlich kann die Agentur das Risiko durch eine entsprechende Recherche minimieren. Eine System-Empfehlung sollte damit grundsätzlich nur abgegeben werden, wenn die Anforderungen des Kunden klar definiert wurden und man sich die in Frage kommenden Anbieter und die Rahmenbedingungen auch wirklich gut angesehen hat.

Fazit: Drum prüfe, wer eine Empfehlung abgibt

Eine Empfehlung ist leicht ausgesprochen. Doch wichtig ist vor allem, sich bewusst zu machen, dass hier eine Beratung stattfinden und sich daraus eben auch eine Beraterhaftung ergeben kann.

Das Risiko lässt sich durch eine geschickte Formulierung oder einen Disclaimer stark reduzieren.