Das hält der Koalitionsvertrag für die Digitalwirtschaft bereit
Fachartikel von Yannik Sulzbacher
Die Regierungsbildung ist beendet und der Koalitionsvertrag steht. Auf 177 Seiten haben die Politiker der Parteien SPD, Grüne und FDP unter dem Slogan „Mehr Fortschritt wagen“ die Ziele für die neue Legislaturperiode zusammengetragen. Viel wurde berichtet über das Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030, der Anstieg des Mindestlohns auf zwölf Euro und die Freigabe von Cannabis. Doch was kann die Digitalwirtschaft von der neuen Regierung erwarten?
Der Technologiestandort Deutschland soll ausgebaut werden
Lange vernachlässigt, jetzt endlich oben auf? Nachdem die letzten Jahre im Bereich Digitalisierung viel verschlafen wurde, soll das Thema nun ein zentraler Bestandteil der neuen Regierungspläne werden. Zwar wird es das kolportierte Digitalministerium nicht geben, dafür wird ein zusätzliches Digitalbudget eingeführt und Gesetze müssen sich einem Digitalisierungscheck unterziehen. Besonders die FDP hatte während des Wahlkampfs für ein Digitalressort plädiert.
Noch auf den ersten zehn Seiten setzt sich die neue Bundesregierung das Ziel der „flächendeckende[n] Versorgung mit Glasfaser und dem neusten Mobilfunkstandard.“ Außerdem sollen „digitale Schlüsseltechnologien“ gefördert und die Bedingungen für Start-ups verbessert werden. Damit das neue Glasfasernetz auch seine Wirkung entfalten kann, wird der Verbraucherschutz bei zugesicherten Bandbreiten verstärkt, „nötigenfalls durch pauschalierte Schadenersatzansprüche.“
Die Digitalisierung soll allerdings nicht zulasten der Nachhaltigkeit vorangetrieben werden, sondern in Eintracht mit ihr. Dafür sollen beispielsweise digitale Zwillinge genutzt werden, die weniger Ressourcen verbrauchen. Auch die IT soll nachhaltiger werden, indem Rechenzentren auf ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichtet werden, dabei gilt: „Neue Rechenzentren sind ab 2027 klimaneutral zu betreiben.“ Außerdem will die neue Bundesregierung in digitale Schlüsseltechnologien investieren wie Künstliche Intelligenz (KI), Quantentechnologien, Cybersicherheit, Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und Robotik.
Was die Digitalwirtschaft erwarten kann
Im Koalitionsvertrag kündigt die neue Bundesregierung an, „Level-Playing-Field im Wettbewerb“ zu unterstützen und sich für ambitionierte Regelungen beim Digital Market Act einzusetzen. Auch für Start-ups hält das Papier einiges bereit. „Wir fördern digitale Startups in der Spätphasenfinanzierung und stärken den Venture-Capital-Standort. Wir wollen den Anteil von Gründerinnen im Digitalsektor erhöhen. Dafür schaffen wir ein Gründerinnen-Stipendium und reservieren einen Teil des Zukunftsfonds.“ Auch die bei Start-ups gern genutzte Mitarbeiterbeteiligung soll attraktiver werden.
Auch die KMU sollen in der neuen Legislaturperiode nicht zu kurz kommen. „Wir stärken KMU bei der Digitalisierung durch unkomplizierte Förderung und bauen die Unterstützung für IT-Sicherheit, DSGVO-konforme Datenverarbeitung und den Einsatz digitaler Technologien aus.“
Der Zugang zu Daten soll für Unternehmen erleichtert und standardisiert werden. „Ein Dateninstitut soll Datenverfügbarkeit und -standardisierung vorantreiben, Datentreuhändermodelle und Lizenzen etablieren.“ Außerdem soll ein Datengesetz rechtliche Grundlagen legen. So sollen Anonymisierungstechniken gefördert und rechtswidrige De-anonymisierung strafbar gemacht werden. Der vereinfachte Zugang zu Daten, soll Start-ups und KMU neue innovative Geschäftsmodelle ermöglichen. Auch eine „ambitionierte E-Privacy-Verordnung“ steht auf der Agenda.
Der Online-Handel wird sich darauf einstellen müssen, dass bald elektronische Widerrufbuttons eingeführt werden. Abo-Anbieter sollen dazu verpflichtet werden, auch immer Verträge mit einer Laufzeit von höchstens einem Jahr anzubieten, während telefonisch abgeschlossene Verträge nun eine weitere Bestätigung benötigen.
Striktere Regelungen für Marketing und Werbung
Die Werbeindustrie muss sich auf neue Verbote einstellen. „An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben“, heißt es im Koalitionsvertrag. Auch das Marketing und Sponsoring für Alkohol, Nikotin und Cannabis soll verschärft werden. Krankenkassen werden außerdem darin beschränkt, Beitragsmittel für Werbemaßnahmen und Werbegeschenke auszugeben.
Verbände reagieren überwiegend positiv
Die Relevanz, die der Digitalisierung im neuen Koalitionsvertrag zufällt, sorgt für ein überwiegend positives Stimmungsbild bei den Digitalverbänden. So äußert sich Thomas Duhr, Vize-Präsident von BVDW, durchaus zufrieden. „Obwohl der BVDW einem Digitalministerium gegenüber nie abgeneigt war, haben wir seit Jahren vor allem einen Digitalisierungsvorbehalt für Gesetze gefordert. Dieser hat es nun als ‚Digitalisierungscheck‘ in den Koalitionsvertrag geschafft und ist zusammen mit einem neuen Digitalisierungsbudget zentral für den digitalen Fortschritt in Deutschland“.
Auch Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender von eco, lobte den Fokus auf die Digitalisierung und attestierte der künftigen Bundesregierung einen „Wille zu einem digitalen Aufbruch“. Etwas verhaltener reagiert Bitkom-Präsident Achim Berg. Für ihn bleibt der Koalitionsvertrag etwas hinter den hohen Erwartungen des Sondierungspapiers zurück. Trotzdem sieht er „eine Fülle guter Ansätze, um Deutschland fit zu machen für die digitale Welt.“
Die neue Bundesregierung zeigt mit ihrem Koalitionsvertrag, dass sie die zentrale Rolle der Digitalisierung für die Zukunft Deutschlands erkennt. Nun müssen den Worten Taten folgen, damit Deutschland endlich das Image des Digitalisierungsmuffels verliert.