Programmatic Advertising wird endlich schön
Die Zeiten, in denen Programmatic Advertising (PA) wenig standardisiert und wenn überhaupt semi-transparent war, hohe Latenzen und geringe Datenverifizierung ebenso an der Tagesordnung waren wie eine äußerst eingeschränkte Werbemittel- und Platzierungsvielfalt, gehören der Vergangenheit an: PA präsentiert sich endlich als eine nutzerfreundliche Werbemöglichkeit, die zur Spielwiese für Brands mit kreativen Kampagnen wird. Die Mobile-Branche konsolidiert hier bereits einen erheblichen Teil ihres Geschäfts und auch für Publisher erschließt sich eine immer relevantere Erlösquelle, Tendenz steigend. Kein Wunder also, dass die Disziplin ihre Fühler ausstreckt und neue Paarungen eingeht: So beispielsweise mit dem Influencer Marketing.
Wie das Entlein zum Schwan wurde
Wenn man gegenwärtige Mobile Ads mit Werbemitteln von vor etwa fünf Jahren vergleicht, wird man feststellen, dass diese viel voller, dynamischer und erheblich schneller geworden sind: Der neue mobile Content präsentiert sich qualitativ hochwertig und nahezu immer aufwendig animiert oder interaktiv. Seit der Digitalisierung hat sich gewissermaßen eine Werbemittel-Evolution vollzogen, die sich insofern beschleunigt, als dass sich nicht nur die graphischen Bestandteile eines Ads verändern – was so ziemlich die einfachste Kategorie darstellt – sondern, dass diese ebenso einem datengetriebenen Wandel unterliegen. Dieser ist einerseits technisch bedingt durch eine deutlich fundiertere Dateninfrastruktur, auf der anderen Seite sind natürlich auch die Apps und Websites im Laufe der Jahre wesentlich schneller und agiler geworden, wodurch sie deutlich besser auch mit komplizierten und umfangreichen Werbeeinblendungen wie HTML5 oder Rich Media und Features wie Interaktivität sowie Retargeting umgehen können. Datenbasierte A/B Testings mit dezidierten Audience Segmenten ermöglichen es, den Zielgruppenfit und die Conversionrate zu optimieren, indem Formate mit unterschiedlichen Motiven und Targetings gegeneinander eingesetzt werden. Somit ist es endlich machbar, spannende und vor allem attraktive Werbebanner bei gleichzeitig immer weniger Whitespaces zu realisieren.
Programmatic Advertising ist längst kein Geheimtipp mehr
PA verankert sich fest auf dem Online-Werbemarkt und ist mit stetigen Wachstumsraten in Deutschland weiter auf Erfolgskurs – ein Trend, der sich in den letzten Jahren immer stärker abzeichnet. Laut einer Prognose der Zenith zum Ende des letzten Jahres, sind gegenwärtig 69 Prozent aller Werbeanzeigen im Display Marketing programmatisch generiert. Das entspricht einem Plus von vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Sehr ähnliche Ergebnisse zur digitalen Werbewirtschaft in Deutschland veröffentlichte kürzlich der Online-Vermarkterkreis im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) anlässlich der diesjährigen Dmexco@home: Für das Gesamtjahr 2020 wird prognostiziert, dass 67 Prozent aller Display-Umsätze in Deutschland programmatisch generiert werden. Das entspricht Programmatic-Umsätzen in Höhe von 2,63 Milliarden Euro, und beeindruckenden 3,92 Milliarden Euro Gesamtumsatz. Damit wird eine Steigerung der Nettoumsätze um 8,6 Prozent zum Vorjahreswert von 3,61 Milliarden Euro erwartet. Zu Beginn diesen Jahres wurde das Wachstum noch auf sieben Prozent beziffert.
Was macht Programmatic Advertising nun so attraktiv?
Mit Hilfe von PA kann Werbung vollautomatisch, individualisiert sowie der Zielgruppe entsprechend und effizient ausgespielt werden. Aufwendige Kampagnen-Optimierungen reduzieren sich deutlich, Streuverluste sinken auf ein Minimum. Detaillierte Reportings und Inventar-Transparenz liefern tiefe Kampagnen-Insights. Aufgrund der gegenwärtigen Fülle von Anbietern mit unterschiedlichen Schwerpunkten und bedingt durch den freien Zugang zu Werbeträgern, ist PA deutlich variabler geworden. Da jedoch sowohl die Märkte als auch Technologien immer komplexer werden, verfügt das PA über äußerst agile Strukturen. Diese Agilität führt letztlich dazu, dass datenbasierte Drive-to-Store Ansätze oder performancegetriebene Einkaufsstrategien auf CPC oder CPI Basis nicht länger eine Illusion sind, sondern über einige DSPs bereits heute programmatisch abbildbar sind. Und Programmatic kann noch mehr: Ob klassisches Mobile Advertising, digitale OOH-Werbung, Pre-Campaign Studies, Audio Advertising oder Influencer Marketing – Das Spektrum für verfügbare und bespielbare Werbekanäle erweitert sich beträchtlich und scheint grenzenlos. Trotz aller Euphorie darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, was im digitalen Marketing und in Bezug auf die Kampagne überhaupt gut funktioniert. Durch die zunehmende Fragmentierung des digitalen Werbemarktes, bei der immer weitere Maschinen auf den Markt kommen, entsteht diesbezüglich leicht eine totale Diffusion. Daher wäre zukünftig eine viel stärkere Regulierung auf diesem Thema wünschenswert.
Datadriven Influencer Marketing
PA im klassischen Influencer Marketing bedeutet, die Glaubwürdigkeit und Emotionalität der kreativen und inspirierenden Inhalte der Influencer mit der KPI-Messung, Skalierbarkeit und dem Targeting des Performance-Marketings zu verbinden. Datadriven Influencer Marketing ist eine starke, transparente und performante Möglichkeit, um Social Content weit über die Grenzen der sozialen Netzwerke hinaus zu steuern bei Gewährleistung höchster Targeting-Standards. Die Kombination aus Social und Display Ads ermöglicht einen Wiedererkennungsfaktor, der einer Social-Kampagne hochperformant und kosteneffizient auch außerhalb der sozialen Medien einen Audience-Boost verschafft. Durch die Dynamic Creative Optimization können Kampagnen darüber hinaus um Meta-Informationen wie regionale Wetterdaten, Uhrzeit und Geo-Location angereichert werden. Die Optimierungsmöglichkeiten zur effizienten Kampagnenaussteuerung dieser noch recht jungen Disziplin sind äußerst vielfältig. Durch Amplification können selbst Nischeninfluencer eine relevante Audience erreichen. Die programmatische Ausweitung der Werbekanäle verspricht in einem hohen Maße personalisierte, authentische und nicht als störend empfundene Werbekonfrontation für den User.
Conclusio – Wahre Schönheit kommt bekanntlich von innen
Programmatic hat allerdings längst noch nicht alle Lücken geschlossen, die geschlossen werden können. Inzwischen konnten sich viele gestandene Programmatic Experten am Markt etablieren, die sich diesem Problem angenommen haben, gleichwohl aber auch viele schwarze Schafe identifiziert und eliminiert werden. Während die programmatischen Mechanismen in den letzten Jahren in den Bereichen Qualitätsmessung, KPI-Standards, Latenzen und Werbeformen erhebliche Fortschritte gemacht haben, gibt es auch heute noch viele Unbekannte in diesem Kontext. Dazu zählen nach wie vor Inventar-Schummeleien, Klick-Farmen und das leichte Anklagen, das Programmatic fortwährend ein Einfallstor für kriminelle Energien darstellt. Allen voran das leidige Thema Ad Fraud. Fakt ist, dass diese Art der komplexen und datengetriebenen Werbemittel in der Tat grundlegend stärker Fraud gefährdet ist, da es mehr Schnittstellen und mehr involvierte Maschinen gibt, die an sich schon ein gewisses Risiko birgen. Diese wiederum kommunizieren mit anderen Maschinen und jede einzelne kann grundsätzlich angegriffen werden. Allerdings gilt ebenfalls: je tiefer der Datensatz ist, der einer Kampagne entnommen werden kann, gepaart mit Analyse-Tools und fachmännischem Wissen, desto früher kann Fraud identifiziert und besiegt werden. Und vor allem in den Bereichen Datentiefe und Transparenz befindet sich das PA auf einem absolut positiven Weg. Beim Pricing hingegen hat sich weniger geändert, als man glauben mag. Wie früher ist es weiterhin abhängig von diversen Faktoren wie Laufzeit, Komplexität und Targetinggüte. Allerdings können Advertiser diese Einstellungen mittlerweile auch selber vornehmen und somit den gesamten Media Einkauf über Programmatic wieder inhousen.
Plädoyer
Der Markt muss sich selber konsolidieren durch Allianzen, die auf Qualität und Transparenz ausgerichtet sind. Die momentan bestehenden Allianzen sind jedoch vornehmlich auf Absatzförderung durch digitale Werbung aus. Hierbei handelt es sich letztlich um nichts anderes als margenerhöhende Konstrukte, bei denen mehrere Vermarktungseinheiten unterschiedlicher Häuser zusammengeführt werden, um geringere Personalkosten und einen besseren Zugang durch Größe als Gegengewicht zu GAFA-Plattformen zu erlangen. Angesichts der Dominanz von Google und Co. dient dieses Vorgehen allerdings ebenfalls einem höheren Zweck und zwar der Bezwingung der Datenhoheit und somit einer Auflösung bestehender Datensilos, um auf Basis der eigenen Daten effizientes Programmatic Advertising betreiben zu können.