Mit Growth Hacking die Krise überstehen
Deutschland im Herbst 2020.
Wachstum ist aktuell nur bei wenigen Unternehmen ein Thema. Viele sind im “Wagenburg-Modus” und fokussieren sich die Reduzierung der Ausgaben und die Pflege der Stammkunden.
Warum eigentlich?
Weil wir Herdentiere sind. Was Ihre Wettbewerber machen, sollten Sie auch tun. Wenn die Fachmagazine alle schreiben, dass Ihre Branche in der Krise steckt, dann stecken Sie da auch mit drin. Wenn jedes Unternehmen sein Marketing einstellt, dann riskieren Sie Ihren Job nicht, wenn Sie das auch tun.
Aber ist das der beste Weg?
Oder ist vielleicht gerade jetzt die beste Zeit, um über Wachstum zu sprechen? Antizyklisch, wenn es niemand sonst tut? Weil sich nur wenige Unternehmen trauen, gerade jetzt neue Produkte zu launchen und neue, agile Prozesse einzuführen?
Ist jetzt nicht der ideale Zeitpunkt, sich mit Growth Marketing auseinander zu setzen?
Was ist Growth Marketing?
Growth Marketing (oder auch Growth Hacking) ist keinesfalls eine Ansammlung von vermeintlich originellen Marketing-Tricks. Es ist ein agiler Unternehmensprozess, ähnlich wie Scrum. Dieser Prozess soll dabei helfen, Chancen schnell und günstig zu finden und zu nutzen. Es ist ein interdisziplinärer Mix aus
- Marketing
- datengetriebenen Experimenten
- Automatisierung (Growth Hacker sind von Natur aus faul)
Growth Hacking unterscheidet sich von klassischem Marketing dadurch, dass
- die gesamte Kundenreise wird auf Chancen (= “Wachstumshebel”) untersucht
- es arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Expertisen in einem “Growth Team” zusammen auf ein gemeinsames Ziel - also keine Silos
- die Produktentwicklung einbezogen ist (denn das Produkt ist natürlich Teil der Customer Journey)
- datenbasierte Mini-Kampagnen und Experimente (die zwei bis vier Wochen dauern) sollen langfristige, teure und möglicherweise ineffiziente Kampagnen ersetzen
- Das einzige Ziel von Growth Hacking ist das Wachstum eines Unternehmens. Woran Wachstum ermessen wird, ist in jedem Unternehmen individuell (z.B. Umsatz, Leads, Website Traffic, Bewerbungen).
Abb 1: Growth Marketing ist mehr als nur “Werbung”
Für wen ist Growth Marketing geeignet?
Growth Marketing eignet sich für viele, aber nicht für jedes Unternehmen. Unsere Praxis hat gezeigt, dass folgende Bedingungen den Erfolg zuträglich sind:
- Das Unternehmen hat bereits Product/Market-Fit erreicht: Der Zielgruppe ist das Produkt bekannt und sie sind bereit es zu kaufen
- Mindestens ein Schritt in der Customer Journey ist digital. Wenn das Unternehmen allein über klassischen Vertrieb arbeitet oder nur Offline-Medien nutzt, gibt es kaum Metriken, die man messen oder kurzfristig verbessern kann
- Die Mitarbeiter haben die Kompetenz Entscheidungen zu treffen und Experimente umzusetzen, wie beispielsweise selbstständig und schnell neue Landingpages und Anzeigen zu erstellen.
- Dazu gehört auch die Freiheit, “Fehler” machen zu dürfen, denn nicht jedes Experiment ist erfolgreich. Aber jedes Experiment ist lehrreich.
- Neben der Kompetenz benötigen die Mitglieder des Growth Teams die Fähigkeiten und Ressourcen, um Wachstumsheben nutzen zu können. Abhängigkeiten von anderen Abteilungen (z.B. der IT) können daher nachteilig sein
Worauf muss bei der Umsetzung geachtet werden?
Der Einstieg ins Growth Marketing ist eigentlich einfach. Die Betonung liegt auf “eigentlich”, denn es bedarf nur einer kleinen Gruppe von neugierigen Menschen, die neue Wachstumshebel finden und skalieren wollen.
1. Freiheiten und Ressourcen
Das Problem ist es meistens nicht, diese Leute innerhalb der Belegschaft zu identifizieren, sondern sie ins Tun zu bringen. Denn oftmals stehen interne Restriktionen und langwierige Freigabe-Prozesse einem schnellen Handeln entgegen.
Wenn das Growth Team eine neue Email-Kampagne testen möchte, aber das Corporate Design verhindert die Umsetzung des Email-Templates oder in der IT gibt es keine ausreichenden Ressourcen, um eine Landingpage zu erstellen, sorgt das für ein Tempolimit in der Umsetzung und eine wachsende Frustration der Mitarbeiter.
2. Tod dem Aktionismus!
Ja, ein Großteil des Growth Marketing besteht aus Learning by Doing. Aber es darf kein blanker Aktionismus Einzug halten. Stattdessen gilt es einem schlanken Prozess zu folgen um die besten Ideen nacheinander (!) zu validieren bzw. zu widerlegen.
Dieser Prozess sieht vor, dass in einem “Brainswarming” alle Mitglieder des heterogenen Growth Teams Ideen für Lösungen generieren, wie die aktuelle Herausforderung (z.B. “Wie können wir neue Leads generieren, obwohl keine Messen mehr stattfinden?”) zu meistern sein könnte.
Die daraus entstehenden Ideen (z.B. “eine neue LinkedIn-Kampagne starten” oder “zu einer virtuellen “Open House”-Messe einladen”) werden priorisiert und entsprechend der Reihenfolge durchgeführt. Und zwar mit möglichst kleinen, schnellen Experimenten. In der Regel sollte nach 2-3 Wochen klar sein, ob man einen Wachstumshebel entdeckt hat und diesen nutzen sollte.
Abb 2: Der Growth Marketing Prozess
Wie kann ich mit Growth Marketing starten?
Es gibt Unmengen von Hacks, von denen Sie sich inspirieren lassen können. Aber die Herausforderung ist nicht, die falschen oder nicht genügend neue Ideen zu haben. Die Herausforderung besteht darin,
- Klarheit und Transparenz über das Ziel zu haben
- Sich auf den richtigen Ansatzpunkt zu fokussieren (Awarenesss, Activation oder Retention) zu fokussieren
- Die erste gute Idee umzusetzen!
Bei den ersten beiden Herausforderungen kann Ihnen unser Tool der “Growth Hacking Canvas” helfen. Denn damit schaffen Sie Transparenz und Fokussierung. Auch um Ideen für jede Stufe der Customer Journey zu sammeln, ist er hervorragend geeignet.
Wenn es um das praktische Tun geht, können die meisten Unternehmen eine dieser drei Hebel schnell einsetzen:
1. Texte auf der Website bzw. Landingpage
Die meisten Unternehmen “sprechen” auf ihren Landingapges nur über sich: Wie toll das Produkt ist, wie günstig die Preise, wie mannigfaltig die Features - und wundern sich dann über die geringe Conversion-Rate und die niedrige Aufenthaltsdauer der Nutzer.
Aber wenn man sich mit Digital Storytelling beschäftigt, findet man schnell Ansatzpunkte, wie die Kommunikation verbessert werden kann:
- Der 5-Sekunden-Test: Wird innerhalb von 5 Sekunden klar, worum es bei der Website geht? Mehr Geduld haben die meisten Nutzer nämlich nicht.
- Wird das Problem des Nutzers deutlich angesprochen? Und wie Ihr Produkt dieses Problem löst?
- Sind Ihre Texte verständlich? Nicht für Sie und Ihre Kollegen, sondern für potenzielle Kunden, die bspw. über eine Anzeige auf Ihre Website gekommen sind und sich jetzt das erste Mal mit der Thematik auseinandersetzen?
- Stellen Sie dem Nutzer Fragen, durch die er sich verstanden und “abgeholt” fühlt?
- Geben Sie dem Nutzer Hinweise darauf, warum gerade Sie und nur Ihr Produkt die perfekte Lösung sind? Beispielsweise in Form von Testsiegeln, Testimonials und Bewertungen?
- Nutzen Sie Call-to-Action und sind diese deutlich formuliert? Weiß der Nutzer, warum er auf einen Button klicken oder ein Formular ausfüllen soll und was danach geschieht?
- Haben Sie einen Eyecatcher, nutzen Sie eine klare visuelle Hierarchie und haben Sie (insbesondere auf Landingpages) möglichst viele Ablenkungen (insb. Links zu anderen Seiten) eliminiert?
2. E-Mail-Marketing neu denken
E-Mail-Marketing ist weder neu noch sexy, aber kann ein hervorragendes Marketingtool sein, um auch in der Krise Bestandskunden zu (re)aktivieren. Denken Sie mal darüber nach:
- Ob neue Subscriber gleich nach ihrer Anmeldung ein “Willkommensgeschenk” bekommen, z.B. eine Auswahl der besten Newsletter der Vergangenheit oder ein Whitepaper. Nutzen Sie Automatisierung, um neue Subscriber willkommen zu heißen und Vertrauen aufzubauen!
- Wann der beste Zeitpunkt für den Versand Ihrer Newsletter ist. Die meisten Newsletter werden innerhalb der ersten 2-3 Stunden geöffnet. Vielleicht morgens vor der Arbeit oder kurz vor der vollen Stunde, damit die Menschen was zu lesen haben bevor das nächste Meeting anfängt?
- Ob Ihre Newsletter gut lesbar sind (insbesondere auf dem Handy), d.h. kurze Sätze, viele Bullet-Points und genügend Absätze.
- Denken Sie über klassische Marketingmaßnahmen hinaus
Seien Sie offen für neue Ideen und haben Sie keine Angst davor, neue Wege zu beschreiten” Haben Sie beispielsweise schon einmal daran gedacht:
- regelmäßig Bestandskunden um Ihre ehrliche Meinung zu befragen und das Feedback zu Verbesserung Ihrer Produkte und Kommunikation zu nutzen?
- Auf Ihren Ausgangsrechnungen auf kommende Veranstaltungen und aktuelle Neuigkeiten hinzuweisen?
- Ausgewählten Kunden mit einem handgeschriebenen Brief für die wunderbare Zusammenarbeit zu danken?
Fazit
Vielleicht ist jetzt nicht die beste Zeit, um über Wachstum zu sprechen und neue Dinge auszuprobieren. Aber irgendein Grund findet sich auch nächstes Jahr. Und übernächstes Jahr. Und dann ist Ihnen der Wettbewerb enteilt.
Also warum nicht doch genau jetzt starten? Wer am schnellsten lernt, welche Kanäle und Wachstumshebel funktionieren, der kann am schnellsten wachsen. Nutzen Sie die Chance gerade jetzt!
“May the Growth be with you!”