Gender-Marketing: Meist nur einfallslose Stereotypen
In den 1990er entstand in den USA ein neuer Begriff für eine Art der Vermarktung, welche die geschlechterspezifischen Unterschiede in den Mittelpunkt stellt - das Gender-Marketing. Schwerlich lässt sich hier von einer Revolution sprechen. Die Idee, Produkte an ein bestimmtes Geschlecht zu vermarkten, ist so alt wie die Werbung selbst. Und doch hat das geschlechterspezifische Marketing in den letzten Jahren massiv zugenommen und fast jeder von uns kann mal gelungene, mal weniger gelungene Beispiele nennen.
Im Deutschen ist das Wort Geschlecht stark mit dem Biologischen verknüpft. Dieses ist aber nicht gemeint, wenn von Gender die Rede ist. Gender meint das soziokulturelle Geschlecht, also die Geschlechtseigenschaften, die durch gesellschaftliche Prägung entstehen und keinesfalls mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen müssen. Das Gender-Marketing macht sich diese Unterschiede zunutze und tappt dabei allzu oft in die Klischeefalle.
Geschlechterrollen manifestieren sich schon im Kinderzimmer
Besonders deutlich wird das bei Spielzeug. Actionfiguren, ferngesteuerte Autos und Dinosaurier für Jungen; Barbies, Puppen und Kinder-Schminksets für Mädchen. Mit der Vermarktung dieser Spielzeuge als typisch männlich oder typisch weiblich werden schon in früher Kindheit Geschlechterrollen manifestiert, die eine freie Entwicklung der Interessen der Kinder verhindern.
Für Eltern ergeben sich gleich mehrere Probleme. Eltern, die sowohl einen Jungen als auch ein Mädchen haben, geben dadurch zwangsläufig mehr Geld für Spielzeug aus. Das nimmt teils so bizarre Formen an, dass ein und dasselbe Spielzeugauto einmal in Rosa und einmal in Blau gekauft wird. Schwierig wird es auch, wenn Eltern ihrem Kind erklären müssen, warum das Spielzeug, für dass es sich interessiert, nicht gekauft werden könne, weil es ja für das andere Geschlecht konzipiert ist. Progressiv eingestellte Eltern versuchen mittlerweile oft ihre Kinder frei von restriktiven Rollenklischees zu erziehen, das belegt auch eine Studie von OurWatch aus dem Jahr 2018. So wollen 79 Prozent der befragten Eltern ihre Kinder frei von Geschlechterklischees erziehen.
Überholtes Konzept: „pink it and shrink it”
Gender-Marketing beschränkt sich aber keineswegs nur auf Spielzeug. Frauen treffen 80 Prozent der Konsumentscheidungen und sind damit eine hoch lukrative Zielgruppe für Marketingmaßnahmen. Grund genug, um sich mit den Interessen und Bedürfnissen von Frauen gezielt auseinanderzusetzen. In der Realität sieht es jedoch so aus, dass sich viele Unternehmen noch auf das vorurteilsbeladene Prinzip „pink it and shrink it“ beschränken. Produkte für Frauen werden demnach so entworfen, dass sie weiblicher aussehen und kleiner gemacht werden, ansonsten aber äquivalent zu dem eigentlichen Produkt bleiben.
Wer sich beispielsweise in der Süßwarenabteilung mal genauer umschaut, wird erstaunt feststellen, dass Überraschungseier als männliches Produkt gelten. Denn anders lässt sich die Einführung des „Rosa-Ei“, mit rosafarbenen Blüten und Spielzeug für Mädchen, kaum erklären. Seit 2017 gibt es den Negativpreis „Goldener Zaunpfahl“, der jährlich an besonders bizarre Auswüchse des Gender-Marketings verliehen wird. Mit dem Ziel, die Marketingbranche an ihre gesellschaftliche Verantwortung zu erinnern. Uninspiriertes Gender-Marketing ist oft das Ergebnis, wenn Männer Produkte für Frauen entwerfen und vermarkten. Dabei fehlt es nicht an kompetenten Frauen im Marketing, ganz im Gegenteil gehört das Marketing zu den frauendominierten Branchen, Marketingentscheider sind trotzdem weiterhin überwiegend Männer.
Es gibt aber auch Unternehmen, die es besser machen. Coca-Cola hat mit der Einführung von Coca-Cola light für weibliche und Coke Zero für männliche Konsumenten gezeigt, dass Gender-Marketing auch möglich ist, ohne dass Rollenklischees offensichtlich bedient werden müssen.
Marketer mit verzerrter Wahrnehmung
Der „Getting Gender Right Report“ von Kantar zeigt, wie weit im Marketing Wahrnehmung und Realität auseinander liegen. So glauben 88 Prozent der männlichen und 76 Prozent der weiblichen Marketer, dass sie bei Werbung auf Geschlechterstereotypen verzichten würden. Eine Befragung unter Konsumenten zeigte jedoch, dass sich nur jeder Vierte von Werbung repräsentiert fühlte. Marketer und Werber glauben zwar, dass sie überholte Geschlechterrollen nicht reproduzieren, in ihrer alltäglichen Arbeit aber genau das tun.
Damit laufen sie Gefahr, den Anschluss an die Generation Z zu verlieren. Diese junge Generation weist Geschlechterrollen immer stärker zurück. Nicht nur, dass sie die Binarität von Mann und Frau zurückweisen. Sie glauben auch immer weniger, dass es das Geschlecht ist, das eine Person definiert. Das zwingt Marketer umzudenken, wenn sie die junge Generation weiterhin erreichen wollen. Denn eines ist klar: Werbung mit überholten Geschlechterklischees sorgt bei den meisten Jugendlichen nur noch für ein müdes Augenrollen.