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Wie Silo-Strukturen abgebaut werden

Alles für den Kunden? In Silo-Strukturen kann das nicht klappen. Eine Customer Journey verläuft immer quer durch die Unternehmenslandschaft.
Anne M. Schüller | 20.04.2020
Alles für den Kunden? In Silo-Strukturen kann das nicht klappen © Anne M. Schüller
 

Tradierte Unternehmen hecheln dem, was die Kunden wünschen und wollen, meist nur hinterher. Und sie fallen immer weiter zurück. Denn sie bleiben organisationalen Strukturen verhaftet, die aus dem tiefsten letzten Jahrhundert stammen. Um wahrhaft kundenorientiert handeln zu können, müssen Silos abgebaut werden.

Silo-Formationen sind mit der Flexibilität und dem zunehmenden Tempo, das die Märkte und Kunden heute verlangen, nicht mehr kompatibel. Wirklich Neues entsteht an Schnittstellen, in Randbezirken und dort, wo flexible Einsatztruppen vernetzt, bereichsübergreifend und selbstorganisiert agieren – aber niemals in Silos.

 

Nicht vertikal, sondern quer müsste die Stoßrichtung sein

„Quer“ wird in Zukunft zu einem maßgeblichen Stichwort in der organisationalen Struktur. Innovationen entstehen interdisziplinär. Prozesse werden crossfunktional optimiert. Auch die Digitalisierung läuft quer durch das gesamte Unternehmen, sie betrifft alles und jeden. Mit der Agilisierung ist es das gleiche. Sie muss jeden Winkel im Unternehmen erfassen.

Eine Kundenreise verläuft sowieso immer quer durch die Unternehmenslandschaft über mehrere Abteilungsgrenzen hinweg. Das schlimmste daran: All das ist weitläufig bekannt. Dennoch ändern die Verantwortlichen in den Unternehmen ihre organisationalen Strukturen – nicht. Eine historische Chance dafür wäre – jetzt.

 

Kundenzentrierung ist in Silo-Formationen kaum möglich

Der Kunde ist der wichtigste Mensch im Unternehmen. Kundenzentrierung ist damit die Herausforderung Nummer eins. Heute erreichen Unternehmen eine Vorrangstellung nicht länger durch das, was sie tun - sondern darüber, wie der Kunde dies wahrnimmt, was er Dritten dazu erzählt, und was diese dann viral weitertragen.

Doch in klassischen Organisationsmodellen, versinnbildlicht durch ein Organigramm, kommen die Kunden nicht einmal vor. Selbst bei Firmen, die sich Kundenorientierung groß auf die Fahne schreiben, fehlen die Kunden im Schaubild der Organisation. Wie will man da von Customer Centricity reden? Sie wird zwar gelobt, aber nicht gelebt.

 

Kundenzentriert? Wo ist dann der Kunde im Organigramm?

Was vermittelt ein übliches Organigramm? Im Wesentlichen wird hierarchisch dokumentiert, wer wem vorgesetzt und wer wem untergeben ist. Der Chef thront ganz oben, darunter, in Kästchen eingesperrt, seine brave Gefolgsmannschaft. Die Führungsriege kreist rein um sich selbst. Viele der in den einzelnen Abteilungen vorangetriebenen Projekte dienen vor allem der eigenen Bedeutungserhöhung.

Man konzentriert sich auf Macht und nicht auf den Markt. Man grenzt sich voneinander ab, statt zu kooperieren. „Wir sind NICHT Marketing“, sagte mir kürzlich die Leiterin einer Kommunikationsabteilung mit Nachdruck. Offline streitet mit Online darüber, dass man einander die Kunden klaut. Usw. Zudem weiß in Silo-Formationen die rechte Hand nicht, was die linke tut. Übergreifende Abstimmung fehlt - und alles braucht ewig.

 

Silo-Formationen: aus Kundensicht nicht zu gebrauchen

Die eigentlichen Probleme, die Kunden bekommen, passieren meist crossfunktional: Kommunikations- und Abstimmungsprobleme im Gerangel zwischen Zuständigkeiten, Bereichsegoismen und Effizienz. Doch aus Kundensicht müssen Prozesse interdisziplinär funktionieren und sich reibungslos miteinander verzahnen. Jeder im Unternehmen muss sich um das Wohl der Kunden kümmern.

Ein vernetzter Kunde verträgt keine unvernetzte Unternehmensorganisation. Vielmehr verlangt er, analog seiner Customer Journey, eine hochflexible, auf seine Interessen abgestimmte und miteinander verzahnte crossfunktionale Zusammenarbeit. „Alle für den Kunden“, ist das Credo. Aber ist das nicht völlig normal? Nein, ganz und gar nicht.

 

In Wirklichkeit: erst die interne Effizienz, dann der Kunde

Die meisten Unternehmen agieren selbstbezogen und effizienzgetrieben. Tunlichst sollen sich die Kunden in die von den Anbietern vorgedachten Abläufe fügen, umständliche Formalien akzeptieren und im Takt ihrer altersschwachen Software ticken. Heißt: Die Klientel soll ackern, damit man selbst nicht so viel Arbeit hat.

 

Manche Unternehmen sind richtig gut darin, Vorgehensweisen mühsam zu machen, einem die Zeit zu stehlen und schlechte Gefühle zu verbreiten. Doch längst liegt die Macht bei den Kunden. Mit ihren Aktionen, bei denen sie sich zu virtuellen Schwärmen verbinden, können sie ruckzuck über Leben und Tod eines Anbieters entscheiden.

 

Selbsterhaltungsaktivitäten, die keine Wertschöpfung erzielen

In Silo-Formationen bekommt jede Abteilung ihre eigenen meist starren Ziele, Budgets und Jahresvorgaben, die nicht aufeinander abgestimmt sind oder sogar miteinander konkurrieren. Punktlandungen auf die Planzahlen werden bonifiziert, was nicht nur Tricksereien, sondern auch das Verfolgen von Eigeninteressen zur Folge hat.

So stehen Abteilungen, wie der Name auch sagt, für Trennung, Abschottung und Isolation. Sie unterhalten ausufernde Reporting-Strukturen und produzieren Vorschriftenberge. Dies sind Selbsterhaltungsmechanismen, die keinerlei Wertschöpfung erzielen. Und all das wird letztlich vom Kunden bezahlt.

 

In Zukunft elementar: crossfunktional um Kundenprojekte herum

Alles, was nicht dem direkten Kundenwohl dient, muss konsequent abgebaut werden. Wirklich kundenorientiert ist am Ende nur der, der sämtliche möglichen Ärgernisse vom Kunden zum Anbieter verschiebt, sodass nur noch positive Erlebnisse übrigbleiben. Jede einzelne kundenrelevante Unannehmlichkeit ist ein Einfallstor für Disruptoren. Also gilt: Erst der Kunde, dann die interne Effizienz. Eine kundenzentrierte Organisationsstruktur wird zwingend gebraucht.

 

Fortschrittliche Unternehmen organisieren sich interdisziplinär um Kundenprojekte herum: der Entwickler, der Designer, die Produktion, das Marketing, der Vertrieb, der Kundendienst, die Logistik und wer sonst noch wichtig ist, agieren als Team autonom an gemeinsamen Aufgabenstellungen, damit das Ganze wie aus einem Guss funktioniert. In meinem International-Book-Award-Finalisten „Die Orbit-Organisation“ wird ausführlich beschrieben, wie das funktioniert.