Im Zeitalter des Customer-Experience-Wettbewerbs
Customer Experience (CX) ist voll im Trend, beschrieben zum Beispiel von Luke Williams und vielen anderen. Die Google-Hits für CX sind in sieben Jahren von 80 Millionen (2011) auf über eine Milliarde gestiegen (2018). CX zeigt sich in vielen Studien als aktuelles Top-Management-Thema. Gleichzeitig zeigen andere Studien, dass Unternehmen sich mit dem Thema nach wie vor schwertun. Forrester berichtet z.B. für US Marken in den letzten Jahren kaum Verbesserung (+2,3 Prozent), viele Verschlechterungen (28,6 Prozent) und nur 1 Prozent exzellent geratete Unternehmen sowie für Deutschland 83 Prozent „OK“ (= mittelmäßig), schlecht oder sehr schlecht. IBM ermittelt einen durchschnittlichen CX Index von 33 … auf einer Skala von 0 bis 100. Way to go…
Der viel beachtete und diskutierte Tweet von Alberto Brea propagiert fehlende Kundenorientierung (Customer Centricity) als den eigentlichen Disruptor vieler etablierter Marken und wesentlichen Erfolgsfaktor der GAFAs et al – nicht Technologie. Auch wenn man über die einzelnen Begründungen streiten kann, im Ergebnis hat er recht. Was ist die Verbindung zwischen beidem und damit auch die unabdingbare Notwendigkeit für Unternehmen sich strategisch mit dem Thema CX auseinanderzusetzen? Ganz einfach: Zumindest in den Industrienationen ist CX das Kundenorientierungsthema der heutigen Zeit. Nicht mehr Produkt- oder Servicequalität, sondern Experience ist die neue Kundenwährung, was Klaus und Maklan [1] schon 2011 propagiert haben und aus Maslows Bedürfnispyramide schon vorher ableitbar gewesen wäre.
Wir leben in einer Welt des Experience Wettbewerbs und es geht heute nicht mehr um das Preis-Leistungsverhältnis, sondern es gewinnt der mit dem besten Preis-Experience-Verhältnis in seiner Preislage! Im Silicon Valley und allen anderen „Valleys“ der Welt wie Asien oder Tel Aviv erzählen alle von einem gemeinsamen Nenner aller erfolgreichen Start Ups und Ventures: es geht immer um die CX. Dort spricht man auch nicht von Digitaler Transformation, sondern Digitalisierung im Sinne von optimaler Verzahnung von digitaler und analoger Welt. Das findet dann dort durch die Beschäftigung mit der CX auch quasi en passant und automatisch statt und führt zu einem netten Wortspiel (dialog) sowie der von Ralf Kreutzer geforderten Notwendigkeit, statt von "online" und "offline" besser von "noline" zu sprechen, um eine holistische Experience sicherzustellen (Kreutzer, Ralf T., Praxisorientiertes Marketing, 3. Aufl., 2018, S. 9f.). Neue Geschäftsmodell entstehen durch die Beschäftigung mit der CX!
An direkten, also vom Unternehmen kontrollierbaren und indirekten, also vom Unternehmen nur indirekt steuerbaren Touchpoints. Damit sind alle (!) emotionalen, sozialen und funktionalen Berührungspunkte eines Menschen mit einer Marke gemeint (also Produkte, Kanäle und Medien gleichermaßen). Da das so ist, präzisiert das Valley den Satz „es geht immer um die CX“ auch durch „It’s all about the journey“. Gemeint ist die Gesamtexperience der Menschen, die durch die Einzelexperiences auf der Reise über alle Touchpoints entsteht.
Wichtigster Baustein und Ausgangspunkt jeder Betrachtung ist dabei das Customer Journey Mapping (CJM):
• es ist unabdingbar für ein erfolgreiches Management von CX,
• es ermöglicht die Entwicklung und das Design überlegener Geschäftsmodelle,
• es führt Unternehmen in die „Digitale Welt“,
• es unterstützt bei der Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen,
• es bringt das Thema Kunde plakativ (=Kinder- und Vorstandstauglich) in die Herzen, Köpfe und Bäuche aller Menschen im Unternehmen,
• es hilft „Experience Killer“ zu identifizieren und zu beseitigen,
• es ist der notwendige erste Schritt hin zu komplett individualisierten Customer Journey und Experiences und
• es ist eine perfekte Grundlage, um Marketing, Service und Vertrieb an der gemeinsamen Vision von Kundengewinnung, -bindung und -entwicklung auszurichten
Die Methodik, deren Anwendung und Umsetzung ist vielfach beschrieben. Trotzdem und trotz ihrer Einfachheit finden sich in der Praxis häufig Missverständnisse:
CJM ist eine wichtige strategische Waffe, aber sie führt nicht isoliert zum Erfolg und macht nicht alles obsolet, was schon vorhanden ist. Unternehmen brauchen Euros, um erfolgreich zu wachsen, nicht nur glückliche Kunden. Obwohl langfristiges profitables Wachstum nur über überlegene CX führt, ist das maximal eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Neben der CJ als Outside-In Perspektive ist der Customer Life Cycle (CLC) als Inside-Out Perspektive nach wie vor wichtig, da in ihm die kundenbezogenen Unternehmensziele verankert sind. In der Anwendung sind CJM und CLC unbedingt miteinander zu verzahnen.
Weitere bekannte Aspekte sind ist das Framing oder das „Job to be done“-Phänomen. Journeys müssen immer für spezifische Kontexte von Personas betrachtet werden. Im Extremfall kann eine Person in mehreren Personas „auftauchen“ oder eine Persona mehrere Journeys haben. Letztendlich sind das alles nur Schritte auf dem Weg hin zum „1 Mensch = 1 Persona“-Ansatz und individuell empfundener Journeys. Auch die Erkenntnis aus dem Kano-Modells, dass erst Basis-, dann Leistungs- und dann Begeisterungsfaktoren betrachtet werden müssen, hat weiterhin Bestand. Oder plakativ ausgedrückt: wenn du deinen Partner fünfmal betrogen hast, hilft der Strauß Blumen am Samstag nicht.
CX ist eine von fünf Perspektiven auf einen Touchpoint. Neben CX sind insbesondere auch die (digitale) Effizienz; die On-, Up- und Crosssellingpotenziale; die Datenintelligenz sowie die Mitarbeiter-Touchpoint-Interaktion zu managen.
Es gibt Journey für verschiedene Personas, das ist Standard. Journey können aber z.B. auch Anwendungs- oder Regionenbezogen variieren. Insbesondere gibt es neben der sogenannten Macro Journey – wie oben beschrieben – an Touchpoints oder Gruppen von Touchpoints jeweils auch Micro Journeys. Exemplarisch der Flug bei einer Urlaubsreise oder die Phase der tatsächlichen Nutzung eines Car-Sharing-Dienstes, bei dem die Analyse dieser Micro Journey als einen wesentlichen Painpoint für die Experience den Fall des „Nichtabschließenkönnens“ des Autos ergeben hat.
Es gibt eine Vielzahl von Touchpoints und Events. Diese sind zum einen nicht gleichermaßen relevant für die Gesamtexperience und zum anderen führt fehlende Fokussierung oft dazu, dass CX-Initiativen scheitern. Neben Methoden zur Bewertung der Relevanz und der aktuellen Experience können z.B. die IMPACT Methode von Phil Winters zur Priorisierung von Touchpoints eingesetzt werden (Ignore-Monitor-Participate-Activate-ConTrol; Phil Winters: Customer Strategy; Freiburg; 2014). Bei der Bewertung der aktuellen Experience aus Kundensicht ist Vorsicht geboten: meist wird nur die absolute Experience gemessen. Neben dieser ist aber unbedingt auch die relative Experience im Wettbewerbskontext zu betrachten!
CX und CJM sind hip. Ähnlich wie bei anderen Themen der Digitalen Transformation trauen sich Entscheider oft nicht, die jeweiligen Protagonisten und ihre Ansätze zu hinterfragen oder vertrauen darauf, dass die Digital Natives schon wissen, was sie tun. Das Schöne am Internet: jeder kann mitmachen. Das Problem: es tut auch jeder. Plakatives schlägt Substanzielles … Der oft kolportierte Vergleich der beiden Papstwahlen erzählen eine wahre Geschichte - die Explosion von Mobile – mit falschen Bildern. Jeder, der es verwendet, war entweder nie in Rom oder hat nicht richtig hingesehen bzw. recherchiert … Das Bild aus 2013 ist auf dem Petersplatz entstanden, quasi direkt unter dem Balkon, auf dem sich Franziskus I. präsentiert hat. Das Foto aus 2005 entstand ca. 400 bis 500 Meter weiter hinten auf Straße, die zum Petersdom führt … viel zu weit für jede Smartphone-, Tablet- oder Phablet-Kamera…
Auch CX und CJM sind extrem anfällig für Amateurismus. Nicht sofort damit zu starten, ist keine Option, aber ernsthaft und richtig!
[1] Maklan, S. and Klaus, Ph. (2011), “Customer Experience: Are We Measuring the Right Things,” International Journal of Market Research, Vol. 53, No. 6, pp. 771-92
Der viel beachtete und diskutierte Tweet von Alberto Brea propagiert fehlende Kundenorientierung (Customer Centricity) als den eigentlichen Disruptor vieler etablierter Marken und wesentlichen Erfolgsfaktor der GAFAs et al – nicht Technologie. Auch wenn man über die einzelnen Begründungen streiten kann, im Ergebnis hat er recht. Was ist die Verbindung zwischen beidem und damit auch die unabdingbare Notwendigkeit für Unternehmen sich strategisch mit dem Thema CX auseinanderzusetzen? Ganz einfach: Zumindest in den Industrienationen ist CX das Kundenorientierungsthema der heutigen Zeit. Nicht mehr Produkt- oder Servicequalität, sondern Experience ist die neue Kundenwährung, was Klaus und Maklan [1] schon 2011 propagiert haben und aus Maslows Bedürfnispyramide schon vorher ableitbar gewesen wäre.
Wir leben in einer Welt des Experience Wettbewerbs und es geht heute nicht mehr um das Preis-Leistungsverhältnis, sondern es gewinnt der mit dem besten Preis-Experience-Verhältnis in seiner Preislage! Im Silicon Valley und allen anderen „Valleys“ der Welt wie Asien oder Tel Aviv erzählen alle von einem gemeinsamen Nenner aller erfolgreichen Start Ups und Ventures: es geht immer um die CX. Dort spricht man auch nicht von Digitaler Transformation, sondern Digitalisierung im Sinne von optimaler Verzahnung von digitaler und analoger Welt. Das findet dann dort durch die Beschäftigung mit der CX auch quasi en passant und automatisch statt und führt zu einem netten Wortspiel (dialog) sowie der von Ralf Kreutzer geforderten Notwendigkeit, statt von "online" und "offline" besser von "noline" zu sprechen, um eine holistische Experience sicherzustellen (Kreutzer, Ralf T., Praxisorientiertes Marketing, 3. Aufl., 2018, S. 9f.). Neue Geschäftsmodell entstehen durch die Beschäftigung mit der CX!
Wo macht man Experiences?
An direkten, also vom Unternehmen kontrollierbaren und indirekten, also vom Unternehmen nur indirekt steuerbaren Touchpoints. Damit sind alle (!) emotionalen, sozialen und funktionalen Berührungspunkte eines Menschen mit einer Marke gemeint (also Produkte, Kanäle und Medien gleichermaßen). Da das so ist, präzisiert das Valley den Satz „es geht immer um die CX“ auch durch „It’s all about the journey“. Gemeint ist die Gesamtexperience der Menschen, die durch die Einzelexperiences auf der Reise über alle Touchpoints entsteht.
Wichtigster Baustein und Ausgangspunkt jeder Betrachtung ist dabei das Customer Journey Mapping (CJM):
• es ist unabdingbar für ein erfolgreiches Management von CX,
• es ermöglicht die Entwicklung und das Design überlegener Geschäftsmodelle,
• es führt Unternehmen in die „Digitale Welt“,
• es unterstützt bei der Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen,
• es bringt das Thema Kunde plakativ (=Kinder- und Vorstandstauglich) in die Herzen, Köpfe und Bäuche aller Menschen im Unternehmen,
• es hilft „Experience Killer“ zu identifizieren und zu beseitigen,
• es ist der notwendige erste Schritt hin zu komplett individualisierten Customer Journey und Experiences und
• es ist eine perfekte Grundlage, um Marketing, Service und Vertrieb an der gemeinsamen Vision von Kundengewinnung, -bindung und -entwicklung auszurichten
Die Methodik, deren Anwendung und Umsetzung ist vielfach beschrieben. Trotzdem und trotz ihrer Einfachheit finden sich in der Praxis häufig Missverständnisse:
Der König ist tot, es lebe der König!
CJM ist eine wichtige strategische Waffe, aber sie führt nicht isoliert zum Erfolg und macht nicht alles obsolet, was schon vorhanden ist. Unternehmen brauchen Euros, um erfolgreich zu wachsen, nicht nur glückliche Kunden. Obwohl langfristiges profitables Wachstum nur über überlegene CX führt, ist das maximal eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Neben der CJ als Outside-In Perspektive ist der Customer Life Cycle (CLC) als Inside-Out Perspektive nach wie vor wichtig, da in ihm die kundenbezogenen Unternehmensziele verankert sind. In der Anwendung sind CJM und CLC unbedingt miteinander zu verzahnen.
Weitere bekannte Aspekte sind ist das Framing oder das „Job to be done“-Phänomen. Journeys müssen immer für spezifische Kontexte von Personas betrachtet werden. Im Extremfall kann eine Person in mehreren Personas „auftauchen“ oder eine Persona mehrere Journeys haben. Letztendlich sind das alles nur Schritte auf dem Weg hin zum „1 Mensch = 1 Persona“-Ansatz und individuell empfundener Journeys. Auch die Erkenntnis aus dem Kano-Modells, dass erst Basis-, dann Leistungs- und dann Begeisterungsfaktoren betrachtet werden müssen, hat weiterhin Bestand. Oder plakativ ausgedrückt: wenn du deinen Partner fünfmal betrogen hast, hilft der Strauß Blumen am Samstag nicht.
CX ist nicht das einzige, was an Touchpoints zu managen ist
CX ist eine von fünf Perspektiven auf einen Touchpoint. Neben CX sind insbesondere auch die (digitale) Effizienz; die On-, Up- und Crosssellingpotenziale; die Datenintelligenz sowie die Mitarbeiter-Touchpoint-Interaktion zu managen.
Es gibt nur eine Journey
Es gibt Journey für verschiedene Personas, das ist Standard. Journey können aber z.B. auch Anwendungs- oder Regionenbezogen variieren. Insbesondere gibt es neben der sogenannten Macro Journey – wie oben beschrieben – an Touchpoints oder Gruppen von Touchpoints jeweils auch Micro Journeys. Exemplarisch der Flug bei einer Urlaubsreise oder die Phase der tatsächlichen Nutzung eines Car-Sharing-Dienstes, bei dem die Analyse dieser Micro Journey als einen wesentlichen Painpoint für die Experience den Fall des „Nichtabschließenkönnens“ des Autos ergeben hat.
Alle Touchpoints sind (gleichermaßen intensiv) zu managen
Es gibt eine Vielzahl von Touchpoints und Events. Diese sind zum einen nicht gleichermaßen relevant für die Gesamtexperience und zum anderen führt fehlende Fokussierung oft dazu, dass CX-Initiativen scheitern. Neben Methoden zur Bewertung der Relevanz und der aktuellen Experience können z.B. die IMPACT Methode von Phil Winters zur Priorisierung von Touchpoints eingesetzt werden (Ignore-Monitor-Participate-Activate-ConTrol; Phil Winters: Customer Strategy; Freiburg; 2014). Bei der Bewertung der aktuellen Experience aus Kundensicht ist Vorsicht geboten: meist wird nur die absolute Experience gemessen. Neben dieser ist aber unbedingt auch die relative Experience im Wettbewerbskontext zu betrachten!
Die Hipsterfalle
CX und CJM sind hip. Ähnlich wie bei anderen Themen der Digitalen Transformation trauen sich Entscheider oft nicht, die jeweiligen Protagonisten und ihre Ansätze zu hinterfragen oder vertrauen darauf, dass die Digital Natives schon wissen, was sie tun. Das Schöne am Internet: jeder kann mitmachen. Das Problem: es tut auch jeder. Plakatives schlägt Substanzielles … Der oft kolportierte Vergleich der beiden Papstwahlen erzählen eine wahre Geschichte - die Explosion von Mobile – mit falschen Bildern. Jeder, der es verwendet, war entweder nie in Rom oder hat nicht richtig hingesehen bzw. recherchiert … Das Bild aus 2013 ist auf dem Petersplatz entstanden, quasi direkt unter dem Balkon, auf dem sich Franziskus I. präsentiert hat. Das Foto aus 2005 entstand ca. 400 bis 500 Meter weiter hinten auf Straße, die zum Petersdom führt … viel zu weit für jede Smartphone-, Tablet- oder Phablet-Kamera…
Auch CX und CJM sind extrem anfällig für Amateurismus. Nicht sofort damit zu starten, ist keine Option, aber ernsthaft und richtig!
[1] Maklan, S. and Klaus, Ph. (2011), “Customer Experience: Are We Measuring the Right Things,” International Journal of Market Research, Vol. 53, No. 6, pp. 771-92