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Szenario: Agenturen im Jahr 2030

Die Digitalisierung zwingt Agenturen auf allen Ebenen zu Veränderungen. Vier Szenarien zeigen, wohin die Reise gehen könnte.
Marco Ripanti | 14.05.2018
© Pixabay / Geralt
 

Nach fast 20 Jahren Agenturleben blicke ich heute nach vorne und stelle fest, dass Agenturen sich schon immer an Veränderungen am Markt anpassen mussten, aber so drastisch wie in den kommenden Jahren war es wohl noch nie. Über das Agenturmodell der Zukunft wird aktuell so viel gesprochen wie nie zuvor. Agenturen müssen sich quasi grundlegend neu erfinden und mit dem Wandel, den unsere Auftraggeber dank neuer Technologien und dem sich verändernden Marktverhalten ihrer Kunden und Partner durchlaufen, wächst der Druck auch auf Agenturen, sich der heutigen Zeit anzupassen. Dabei: So neu ist die Zeit gar nicht. Denn das Internet ist mittlerweile auch schon 20 Jahre alt, Onlinemarketing eine Must-Have-Disziplin und Social Media Marketing nicht mehr aus dem Marketing-Mix wegzudenken. Technologische Neuerungen gibt es am sprichwörtlich laufenden Band, weil Technologie ein Begriff ist, der im Kern die kontinuierliche Entwicklung trägt. Und die Akteure der Digitalisierung sind keine Propheten, sondern bereits erfahrene Wegbereiter des immer fortschreitenden Wandels. Will heißen: Die viel besungene, oft auch beklagte Disruption, das Aufbrechen alter Strukturen und Denkmuster, die technologische Evolution sind allesamt beobachtbare Entwicklungen, die seit den letzten 5 bis 10 Jahren vorhersehbar waren.

Neue Disziplinen und Allianzen

Und dennoch ist es mit der Digitalisierung wie mit Weihnachten: Plötzlich ist sie da. Aus Full-Service wurde 360 Grad, dann entstanden neue Online- und Digital-Disziplinen und mit ihnen neue Nischen. Viel oder zu viel anzubieten, war auf einmal als unrealistisch verpönt, die Inhouse-Agentur erlebte ein unverhofftes Comeback. Die Trennung zwischen Strategie und Kreation schuf einen neuen Graben, der wiederum zu neuen Allianzen inspirierte: Custom Agencies, New Lead Agencies und nun auch Hybridagenturen feiern ihren Auftritt auf der großen Branchenbühne. Die großen Budgets vieler Unternehmen wandern heute kaum noch für die Erstellung einer Webseite oder eines Online-Shops in Agenturen. Hier haben Unternehmen in der Vergangenheit viel Lehrgeld bezahlt und die realistischen Kosten für solche Auftritte sind nun bekannt. Geld verdienen Agenturen heute viel mehr über Ihre Beratungsleistung und dadurch nähern sie sich einem weiteren Player auf dem Markt an: den Unternehmensberatungen.

Weiterer Wandel in allen Bereichen

Agenturen werden zum “Teil der Familie”, doch wo positioniert sich die Agentur der Zukunft genau, um überleben zu können? Der gesellschaftliche Wandel stellt jede Agentur vor große Herausforderungen jenseits ihres Tagesgeschäfts. Auf sozialer Ebene gibt es einen Wechsel hin zu einer Netzwerkgesellschaft mit ihrer ausgeprägten Betonung von Kooperationen, Beziehung und Netzwerken. Technologisch unterspült die Digitalisierung die Arbeitsweisen, Strukturen und Geschäftsmodelle der Agenturen von innen und von außen. Kulturell übernimmt eine neue Generation das Sagen. Darüber ändern sich die Einstellungen zur Arbeit. Ökonomisch müssen sich Agenturen mit einer wirtschaftlichen Dauerkrise, Wachstum im Osten und Stagnation im Westen auseinandersetzen. All diese Punkte müssen, auf einem personell eh schon dünn besiedelten Markt, mit der vorhandenen Manpower berücksichtigt werden. Vier mögliche Szenarien beschreiben die mögliche Agenturwelt bis zum Jahr 2030: Wirtschaftlicher Aufschwung trifft auf ganz neue Agenturen und deren Sonderformen. Die Erneuerung wird angetrieben durch Einzelkämpfer und Freelancer, die beginnen, sich anders zu organisieren und anders zu arbeiten. Sie sehen sich an Start-Ups und rücken Glück und Mut in den Mittelpunkt. Nach und nach folgen etablierte Agenturen mit neuen Führungskräften. Wirtschaftlicher Aufschwung trifft auf alte Agenturen. Der Aufschwung hält an. Agenturen machen weiter wie bisher und nutzen, dass Unternehmen zu bequem sind, sich am Markt nach Alternativen umzuschauen. Die Mitarbeiter-Situation wird immer heikler. Es kommen immer neue Wettbewerber auf den Markt und ruinieren die Preise. Andere Akteure können die neuen Geschäftsfelder erfolgreich besetzen. In der Konsequenz verlieren Agenturen massiv an Bedeutung und strategischer Relevanz. Wirtschaftlicher Abschwung trifft auf neue Agenturen. Die größte und längste Wirtschaftskrise erfasst Europa. Das Agenturgeschäft kollabiert und die Marketing-Blase platzt. Aus der Not heraus entwickeln Agenturen neue Arbeitsweisen, gemeinschaftliche Organisationsstrukturen und andere Geschäftsmodelle. Daraus entwickelt sich die Keimzelle für einen (vielleicht) neuen Aufschwung. Wirtschaftlicher Abschwung trifft auf alte Agenturen. Trotz Dauerkrise und geplatzter Marketing-Blase sehen Agenturen keinen Anlass, Dinge zu ändern, und sitzen die Situation aus. Sie arbeiten nach dem Prinzip Hoffnung, aber Hoffnung ist keine Strategie. Eine Insolvenz- und Übernahmewelle erfasst die Branche. Neue Geschäftsfelder werden nicht erschlossen und die alten sind sind nicht mehr lukrativ genug, um zu überleben. Vielleicht müssen wir gar nicht so weit in die Zukunft schauen, um mögliche Gewitterwolken am Agenturhimmel zu erkennen. Mit welchen externen Einflüssen Agenturen und ihre Kunden umgehen müssen, wird aktuell sehr schön deutlich an der Einführung der DSGVO dargestellt. Auch wenn der Termin 25. Mai 2018 schon seit Jahren bekannt ist, reagieren jetzt Agenturen und Kunden eher panisch. Die Sofortmaßnahmen reichen von minimalen Eingriffen in den Text zum Thema Datenschutz bis hin zur vollständigen Einstellung der Webpräsenz. Kurzum, das Agenturleben wird nicht leichter und vor allem nie langweilig.