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Neue Vorbilder gesucht: Die Zeit der Macher ist vorbei

Sie haben gewütet, gebaut und gestaltet. Sie waren unsere Vorbilder. Die Macher passten in die damalige Zeit. Aber die Zeiten haben sich geändert.
Boris Grundl | 15.10.2012
Sie bauten die Eisenbahn, sie bauten Manhattan. Sie bauten den Eiffelturm, die Freiheitsstatue, das Auto und die Titanic. Sie legten die Länder der anderen in Schutt und Asche. Sie sorgten für das Wirtschaftswunder und bauten alles wieder auf. Sie konstruierten den Jumbojet und die Saturn V, sie flogen zum Mond und wieder zurück. Sie errichteten den Sozialstaat, richteten ihn zugrunde und richteten ihn wieder her. Sie zogen Fußballvereine, Fernsehsender und Funktürme hoch, sie zockten an der Wall Street, zofften sich im Parlament und zahlten die Zeche: starke Männer. Sie haben das meiste von dem geschaffen, was wir in unserer Zivilisation sehen, anfassen, bestaunen und benutzen können. Sie haben gewütet, gebaut und gestaltet, sie haben gestern gemacht, was wir heute geerbt haben. Sie waren unsere Vorbilder. Sie passten in die damalige Zeit. Aber die Zeiten haben sich geändert.

War früher alles besser?
Die wenigen Macher hatten die Führung inne und trieben alles voran. Die Epoche des Macherimperiums prägen Namen wie Gottlieb Daimler, Alfred Krupp, Werner Siemens, Carl Benz, Adam Opel oder Rudolph Karstadt. Die Zeiten damals brauchten diese Macher, die Großes leisteten. Auf ihrem Wohlstand gründet unsere Gesellschaft. Die Angestellten schlüpften bei den Machern unter, machten sich abhängig und bekamen dafür Sicherheit. Sie waren Rädchen der großen Maschine „Unternehmen“. Doch dieses System funktioniert heute nicht mehr. Warum? Die Planbarkeit des Industriezeitalters wurde durch die Komplexität der Globalisierung ersetzt. Die Macher können ihr Sicherheitsversprechen nicht mehr einlösen. Das Rudel will jetzt nicht mehr dem Leitwolf folgen, ohne Entscheidungen zu hinterfragen, ohne die Sinnhaftigkeit des Ganzen zu verstehen. Die Maschine „erfolgreiches Unternehmen“ ist komplexer geworden. Es reicht nicht mehr, wenn der Macher als „Gehirn“ die Rädchen in Bewegung setzt und am Laufen hält. Heute gleicht ein Unternehmen eher einem Computer, der Komponenten wie Arbeitsspeicher, Festplatte und Grafikkarte braucht – viele wichtige Teile, die eigenständig arbeiten, aber auch miteinander im Austausch stehen, damit die Maschine funktioniert. Individuum und Kollektiv sollten keine Gegensätze mehr sein, sondern eine Einheit.

Die Menschen von heute sind wissbegierig, aufgeklärt und voller Mitbestimmungsdrang. Sie wollen nicht länger nur Mitläufer, sondern Mitdenker sein. Sie wollen nicht mehr nur Werkzeug und Marionette des Machers sein. Sie verlangen Mitspracherecht, Transparenz und wollen aktiver Teil von etwas „großem Ganzen“ sein.


Wie geht es nach der Zeit der Macher weiter?

Die Zeit der Macher ist vorbei, sie werden immer mehr als entwicklungshemmende Despoten gesehen, die sich an ihre niedergehende Macht klammern. Doch noch gibt es zu wenige, die den neuen Typus des „inspirierenden Führens“ verkörpern. Jürgen Klopp ist eines der Beispiele. In der Zwischenzeit regiert der Gegenpol der Macher: Die Führungslosen. Wo sie herrschen, regieren Blockade, Ausreden, Verweigerung und Mittelmaß. Sie sind „dagegen“ und wollen den Machern die Macht entreißen. Es entsteht eine gefährliche Übergangszeit, die durch einen neuen Typus gefüllt werden wird: Dem Inspirator. Er befähigt Menschen, aus dem Mittelmaß herauszutreten und eine neue Art von Verantwortung für das Ganze zu übernehmen.

Früher galt unter Machern noch der Leitspruch „Das sind unsere Leute, für die müssen wir sorgen!“. Heute wollen Mitarbeiter nicht mehr unter der schützenden Hand des Arbeitgebers stehen, weil sie zu der Hand geworden ist, die sie klein hält und die alleine die Richtung vorgibt. Was früher für Verantwortungsbewusstsein der Macher stand und ein angenehmes Wohlgefühl hervor rief, sorgt heute für ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend – viel zu sehr klingt „unsere Leute“ nach Leibeigenen.

Die Alleinherrschaft des Machers ist zum Bremsklotz geworden
Wenn ein Macher ein System entwirft, dann richtet er es instinktiv ganz auf sich aus. Er ist der Urheber von allem, er kontrolliert alle Informationen und trifft alle wichtigen Entscheidungen. Wenn das Unternehmen etwas macht – dann ist es der Macher, der entscheidet, etwas zu tun. In seiner Alleinherrschaft klammert er sich ans Steuer seiner Maschine, nicht willens und fähig, auch nur einen Teil dieser Macht abzugeben. Die Macher erkennen später nicht, wenn es bergab geht und wollen nicht akzeptieren, dass die Realität auch ohne sie existiert und funktioniert. Wenn ein solcher Macher schlussendlich geht oder gehen muss, bleibt ein klaffendes Loch zurück und die Maschine steht still, denn kein anderer weiß die Rädchen in Bewegung zu setzen.

Um Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen, braucht es Menschen, die aus dem Mittelmaß und dem Rudel ausbrechen. Das heißt ausbrechen aus einer Grundhaltung, die von klein auf gelehrt und verinnerlicht wurde. Diese Strukturen, die wir überwinden müssen, sind zum Großteil heute noch in der Schule zu erkennen: Die Lehrer halten sich stoisch an die Lehrpläne, die Schüler machen, was ihnen gesagt wird. Sie arbeiten ab, was ihnen vorgesetzt wird. Verweigerung führt zu Sanktionen. Die breite Masse ist immer noch programmiert, um zu denken und zu tun, was ihnen ein anderer Höhergestellter aufträgt. Kein Wunder also, dass diese Schüler später die Angestellten sind, die nicht eigenständig denken und arbeiten können. „Chef, was soll ich machen?“ „Chef, wie soll ich das machen?“ – Das ist die gelernte, verinnerlichte Grundeinstellung, die sich ändert und ändern muss. Es braucht neue Führungskräfte, die es durch Inspiration schaffen, ihre Mitarbeiter aus diesen ausgetretenen Pfaden herauszuholen und sie zu eigenständig arbeitenden Mitdenkern zu machen.


Wir brauchen diesen Prototyp der neuen Vorbilder – und Mitarbeiter, die sich entwickeln wollen

Aufgabe der Führungskraft von heute ist es nicht, alles selbst zu können. Um ein Unternehmen erfolgreich zu machen, müssen Menschen entwickelt werden. Im Gegensatz zu den alten Machern dürfen sie sich nicht in ihrem Elfenbeinturm verschanzen, sondern müssen aus der Masse Menschen herausfischen und sie mit den nötigen Ressourcen an den richtigen Platz setzen. Menschenführung heißt das Zauberwort. Die neuen Führungstypen setzen die passenden Menschen auf die richtigen Plätze, entwickeln sie und ziehen sich dann zurück, um nicht im Weg zu stehen. Sie stellen sicher, dass die Mitarbeiter liefern können und lassen sie dann liefern, indem sie Ergebnisse einfordern.

Um ein neues Vorbild zu sein, müssen Chefs Werte wie Respekt, Verbindlichkeit und Transparenz vorleben! Durch ihre Offenheit machen sie sich verletzlich und lassen dadurch gegenseitiges Vertrauen entstehen. Nur wenn Vertrauen gegeben ist und sie ihre Mitarbeiter wachsen lassen, funktioniert das System der Zukunft. Wenn der Chef aber Informationen für sich behält und im Alleingang handelt, verfällt er wieder in das Verhalten der alten Macher. Wieso sollten sich die Angestellten dann anders verhalten, wenn sie es so vorgelebt bekommen?

Führungskräfte müssen vorleben, alles andere ist Dressur
Die Führungskraft ist verantwortlich für die Werte, die sich in ihrem Unternehmen durchsetzen. In diesem System ist nicht nur kein Platz mehr für Macher – auch nicht für Mitarbeiter, die immer noch versuchen, es sich möglichst einfach zu machen und jegliche Weiterentwicklung scheuen. Nur wenn alle Teilstücke bestmögliche Arbeit abliefern, kann das große Ganze zum Erfolg werden. Was wir brauchen, sind Menschenentwickler, die nicht vor Kritik zurückscheuen, die schlechte Arbeit bemängeln, gute aber auch loben. Sie müssen die Menschen, für die sie die Verantwortung übernommen haben, gerecht behandeln – also ungleich! Jeden anders, entsprechend seiner Veranlagung und Fähigkeiten. Das ist gerecht. Ungleiche Menschen gleich zu behandeln ist Ungerechtigkeit pur. Sie müssen erkennen, auf welcher Stufe der einzelne gerade steht. Sie müssen wissen, was der individuelle nächste Schritt ist, um Können und Verständnis jedes einzelnen zu fördern und weiterzuentwickeln.

Die Zeit der Inspiratoren, der Transformatoren, der Menschenentwickler ist gekommen. Eine Zeit hat begonnen, in der wir alle danach streben, die Besten zu werden, die wir sein können. Zum Wohle aller.

Buchtipp: http://www.erfolgx.de/Buch/details/1227-Die-Zeit-der-Macher-ist-vorbei---Warum-wir-neue-Vorbilder-brauchen/37061