Markendehnung Tempo Toilettenpapier: Ein Griff ins Klo?
Marken, die gedehnt werden sollen, müssen starke Marken sein, so das Credo von wissenschaftlichen Publizierungen. Aus der Divergenz Denkrichtung ableitend sage ich jedoch, das starke Marken, die insgesamt für eine gesamte Kategorie stehen, sehr schwer bis überhaupt nicht dehnbar sind. Wie sieht es im Fall Tempo Toilettenpapier aus?
1. Hintergrund:
In 2007 verkaufte Procter & Gamble u.a. seine Marken Bounty, Tempo, Charmin und Bess an die schwedische SCA. Die SCA ist der führende Anbieter von Tissue - Produkten in Europa mit fast 3 Mrd. € Umsatz. Zu den (Alt) Marken gehört auch ZEWA, die u.a. auch relativ erfolgreich im Segment der Toilettenpapiere ist.
Ich habe mir damals schon gedacht, dass SCA mit dem Kauf von Charmin (Toilettenpapier) und Tempo (Taschentücher) einiges im Sortiment verändern wird, war dann aber doch überrascht, welche Portfolio Strategie SCA letztendlich wählte.
2.Der Charmin Bär musste weichen, dafür kam Tempo:
In 2009 wurde dann die erfolgreiche Charmin Marke geopfert. Charmin war eine Premiummarke mit ca. 3,5 % Marktanteil (Umsatz über 35 Mio. €) und ging in die Marke Zewa auf. Aus Unternehmenssicht kann man die „Synergiestrategie“ evt. nachvollziehen, aber aus Markensicht ist die Eliminierung einer starken Marke natürlich immer problematisch und mit erheblichen Risken verbunden. Da man sich einer Premium Marke entledigt hatte, folgte nun der überraschende 2. „Synergieschritt“. SCA führte die Marke Tempo als Toilettenpapier ein, um im Premiumsegment Flagge zu zeigen. Die Erwartungen an diese Markendehnung waren natürlich sehr groß:
"Mit der Einführung von Tempo Toilettenpapier wollen wir Tempo als Category Leader aufbauen und neben unseren Zewa -Toilettenpapieren als die führende Marke im Toilettenpapiermarkt etablieren" erklärte der SCA Regional Marketing Director.
.„Eine so starke Marke wie Tempo hatte in unseren Augen das Potenzial, mehr zu sein als nur ein Taschentuch", sagte der Regional Director Sales & Marketing (hören Sie genau hin, dass ist die gleiche Argumentationsschiene wie die des Kodak Managements: „Kodak stands for more than just film, it´s stands for trust!“. Dieser Irrtum hat in die Insolvenz geführt).
Ein SCA Verantwortlicher sagte in einem weiteren Interview: "Mit nur einer Toilettenpapier - Marke hätten wir nicht alle Konsumenten halten können." Nun sollen die Marktanteile von Charmin (3,5 Prozent) und Zewa (5 Prozent) mit Tempo und Zewa ausgebaut werden.
3. Die Marktforschung gab grünes Licht für Tempo Toilettenpapier:
Marktforschungsergebnisse haben diese Marketing-Strategie wohl bestätigt, wie zu lesen war. (i) Die getestete Kaufbereitschaft, Tempo Toiletten-papier bestimmt oder wahrscheinlich zu kaufen, lag bei 60 Prozent. (ii) Die potenziellen Käufer verlangten von dem Papier Stärke und Weichheit, genau die Attribute, die Tempo im Stammgeschäft der Papiertaschentücher kommuniziert. (iii) In zahlreichen Tests zufolge fanden 91 Prozent der Befragten, dass die neuen Produkte sehr gut zur Marke Tempo passen würden.
4. Warum Tempo trotzdem das Charmin Niveau nicht erreicht:
Vielleicht kennen Sie das auch. Sie haben gute Marktforschungsergebnisse aber die Ergebnisse können im Markt nicht realisiert werden. Es gibt verschiedene Gründe, warum dies so ist. Im vorliegenden Fall sind wohl falsche Marktfor-schungs - Methoden angewandt worden, wenn ich einen Blick auf die oben genannten Marktforschungs-ergebnisse werfe.
2 Jahre nach der Einführung berichtete die LZ (April 2011), dass der Plan wohl nicht aufgegangen sei, da man nur 1,5% Marktanteil mit Tempo Toilettenpapier (Charmin hatte vorher 3,5 % Marktanteil) realisieren konnte. „Insgesamt ist es SCA nicht gelungen, das Niveau der eingestellten Marken zu kompensieren“, so steht es in der LZ.net.
Lt. Insidern soll sich an dieser Situation bis heute nicht viel geändert haben. Das neue „Tandem“ Zewa + Tempo wird wohl ca. 1%p. weniger Marktanteile halten als das frühere Duo Zewa + Charmin, obwohl in die Marke Tempo sehr viel investiert wurde. Für die Einführungskampagne sollen lt. Medienberichten ca. 18 Mio. € eingesetzt worden sein. Wenn dies wirklich so umgesetzt wurde, dann ist die Marke Tempo bis heute noch nicht profitabel, da nach meinen Berechnungen von 2009 bis 2011 schätzungs-weise „nur“ 45 Mio. Umsatz realisiert wurde.
5. Die Divergenz Theorie gab dieser Markendehnung von Anfang an keine Chance:
Aus meiner Sicht handelt es sich hierbei um einen klassischen Flop. Wie in meinem Buch „Märkte dominieren“ sehr detailliert dargestellt wird, gibt es auch im Bereich der Markenarchitektur einige Gesetzmäßigkeiten, die zu beachten sind. Um es kurz zu machen: Marken wie Tempo, die zu 100% für eine Kategorie stehen („Hast Du mal ein Tempo für mich“) sind in aller Regel sehr schwer bis gar nicht dehnbar. Natürlich gibt es die eine oder andere Ausnahme, an der man sich aber nicht orientieren sollte, da es sich hier - wie gesagt - um Ausnahmen handelt. Aber auch diese Ausnahmen sind erklärbar.
6. Die Divergenz wäre zu einer anderen Schlussfolgerung gekommen:
In vielen Fällen sehen die Unternehmen nur die sog. Kostenvorteile und man lässt die Konsumen-tensicht außen vor. Es hört sich zwar alles logisch an, führt aber in den meisten Fällen in die Sackgasse und zu unbefriedigenden Ergebnissen.
Die gekaufte Marke Charmin hätte natürlich im Portfolio bleiben müssen, da sie gut im Markt etabliert war (hatte einen doppelt so hohen Marktanteil wie Tempo heute) und einen festen, zufriedenen Kundenstamm besaß. Bei der Altmarke Zewa hätte ich nichts verändert. Somit hätten SCA auch 2 Marken im Markt gehabt (Zewa + Charmin anstatt Zewa + Tempo).
Der Vorteil dieser Strategie ist eindeutig:
(i) man hätte weniger an Werbeausgaben benötigt, da man nicht aufwendig erklären hätte müssen, warum der Charmin Bär zu Zewa wechselte und man hätte auch nicht 18 Mio. € für die Einführungs-kampagne für die Marke Tempo zahlen müssen.
(ii) man hätte - vorsichtig gerechnet – ca. 30 Mio. mehr Umsatz mit dem Duo Zewa + Charmin erzielt.
7. In eigener Sache:
In vielen Beiträgen auf meiner Homepage und in meinem Buch habe ich aufgezeigt, dass logische Markenarchitekturen in der Regel nur vordergründig logisch sind. Eine diesbezügliche Divergenz - Beratung in diesem Fall hätte um die 10 000€ gekostet und wäre zu einem anderen Ergebnis gekommen. Für die ganz „Ängstlichen“ hätte man für weitere 40 000€ einen methodisch sauberen Test initiieren können, um das Beratungsergebnis zu stützen. Somit hätte man zwar 50 000€ an Ausgaben gehabt dafür aber Millionen € sparen können.
Dass die Markendehnung für Tempo Toilettenpapier in 2010 von der Zeitschrift „Absatzwirtschaft“ auf Platz 3 der erfolgreichsten Markenstretchings gekürt wurde, ist aus meiner Sicht nicht nachvoll-ziehbar und mich würde interessieren, welche Krite-rien in diesem Wettbewerb eigentlich angelegt werden.
Ansonsten heißt es wie immer:
Mögen die besseren Strategen gewinnen.
Heinz Günther
Divergenz Marketing
Strategieberatung
Münchner Str. 7
83539 Pfaffing a.d. Attel
0172 8333 884
www.divergenz-marketing.com
mail@heinz-guenther.com
Unsere Strategiephilosophie:
Der Strategieansatz Divergenz Marketing basiert auf der Divergenz Philosophie, einem Leadership - Modell, das von Al Ries, einer der Top 10Marketingberater in den USA, entwickelt wurde.
Unsere Beratungsschwerpunkte:
Wir beschäftigen uns mit allen Fragen „Rund um die Marke“. Wir beraten Sie in Ihrem Innovations-prozess, indem wir mit fast 30 Positionierungs – und Innovationstechniken arbeiten, um neue (Sub) Kategorien zu (er) finden. Auch die strategischen Überlegungen unter Divergenzgesichtspunkten bei Neueinführungen, Relaunches, Positionierungs-fragen, Kommunikationskonzepte, Brandingkonzepte, Markenarchitekturen und Brand Extensions gehören zu unseren Beratungsschwerpunkten.
Weitere Informationen finden Sie unter www.divergenz-marketing.com.
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1. Hintergrund:
In 2007 verkaufte Procter & Gamble u.a. seine Marken Bounty, Tempo, Charmin und Bess an die schwedische SCA. Die SCA ist der führende Anbieter von Tissue - Produkten in Europa mit fast 3 Mrd. € Umsatz. Zu den (Alt) Marken gehört auch ZEWA, die u.a. auch relativ erfolgreich im Segment der Toilettenpapiere ist.
Ich habe mir damals schon gedacht, dass SCA mit dem Kauf von Charmin (Toilettenpapier) und Tempo (Taschentücher) einiges im Sortiment verändern wird, war dann aber doch überrascht, welche Portfolio Strategie SCA letztendlich wählte.
2.Der Charmin Bär musste weichen, dafür kam Tempo:
In 2009 wurde dann die erfolgreiche Charmin Marke geopfert. Charmin war eine Premiummarke mit ca. 3,5 % Marktanteil (Umsatz über 35 Mio. €) und ging in die Marke Zewa auf. Aus Unternehmenssicht kann man die „Synergiestrategie“ evt. nachvollziehen, aber aus Markensicht ist die Eliminierung einer starken Marke natürlich immer problematisch und mit erheblichen Risken verbunden. Da man sich einer Premium Marke entledigt hatte, folgte nun der überraschende 2. „Synergieschritt“. SCA führte die Marke Tempo als Toilettenpapier ein, um im Premiumsegment Flagge zu zeigen. Die Erwartungen an diese Markendehnung waren natürlich sehr groß:
"Mit der Einführung von Tempo Toilettenpapier wollen wir Tempo als Category Leader aufbauen und neben unseren Zewa -Toilettenpapieren als die führende Marke im Toilettenpapiermarkt etablieren" erklärte der SCA Regional Marketing Director.
.„Eine so starke Marke wie Tempo hatte in unseren Augen das Potenzial, mehr zu sein als nur ein Taschentuch", sagte der Regional Director Sales & Marketing (hören Sie genau hin, dass ist die gleiche Argumentationsschiene wie die des Kodak Managements: „Kodak stands for more than just film, it´s stands for trust!“. Dieser Irrtum hat in die Insolvenz geführt).
Ein SCA Verantwortlicher sagte in einem weiteren Interview: "Mit nur einer Toilettenpapier - Marke hätten wir nicht alle Konsumenten halten können." Nun sollen die Marktanteile von Charmin (3,5 Prozent) und Zewa (5 Prozent) mit Tempo und Zewa ausgebaut werden.
3. Die Marktforschung gab grünes Licht für Tempo Toilettenpapier:
Marktforschungsergebnisse haben diese Marketing-Strategie wohl bestätigt, wie zu lesen war. (i) Die getestete Kaufbereitschaft, Tempo Toiletten-papier bestimmt oder wahrscheinlich zu kaufen, lag bei 60 Prozent. (ii) Die potenziellen Käufer verlangten von dem Papier Stärke und Weichheit, genau die Attribute, die Tempo im Stammgeschäft der Papiertaschentücher kommuniziert. (iii) In zahlreichen Tests zufolge fanden 91 Prozent der Befragten, dass die neuen Produkte sehr gut zur Marke Tempo passen würden.
4. Warum Tempo trotzdem das Charmin Niveau nicht erreicht:
Vielleicht kennen Sie das auch. Sie haben gute Marktforschungsergebnisse aber die Ergebnisse können im Markt nicht realisiert werden. Es gibt verschiedene Gründe, warum dies so ist. Im vorliegenden Fall sind wohl falsche Marktfor-schungs - Methoden angewandt worden, wenn ich einen Blick auf die oben genannten Marktforschungs-ergebnisse werfe.
2 Jahre nach der Einführung berichtete die LZ (April 2011), dass der Plan wohl nicht aufgegangen sei, da man nur 1,5% Marktanteil mit Tempo Toilettenpapier (Charmin hatte vorher 3,5 % Marktanteil) realisieren konnte. „Insgesamt ist es SCA nicht gelungen, das Niveau der eingestellten Marken zu kompensieren“, so steht es in der LZ.net.
Lt. Insidern soll sich an dieser Situation bis heute nicht viel geändert haben. Das neue „Tandem“ Zewa + Tempo wird wohl ca. 1%p. weniger Marktanteile halten als das frühere Duo Zewa + Charmin, obwohl in die Marke Tempo sehr viel investiert wurde. Für die Einführungskampagne sollen lt. Medienberichten ca. 18 Mio. € eingesetzt worden sein. Wenn dies wirklich so umgesetzt wurde, dann ist die Marke Tempo bis heute noch nicht profitabel, da nach meinen Berechnungen von 2009 bis 2011 schätzungs-weise „nur“ 45 Mio. Umsatz realisiert wurde.
5. Die Divergenz Theorie gab dieser Markendehnung von Anfang an keine Chance:
Aus meiner Sicht handelt es sich hierbei um einen klassischen Flop. Wie in meinem Buch „Märkte dominieren“ sehr detailliert dargestellt wird, gibt es auch im Bereich der Markenarchitektur einige Gesetzmäßigkeiten, die zu beachten sind. Um es kurz zu machen: Marken wie Tempo, die zu 100% für eine Kategorie stehen („Hast Du mal ein Tempo für mich“) sind in aller Regel sehr schwer bis gar nicht dehnbar. Natürlich gibt es die eine oder andere Ausnahme, an der man sich aber nicht orientieren sollte, da es sich hier - wie gesagt - um Ausnahmen handelt. Aber auch diese Ausnahmen sind erklärbar.
6. Die Divergenz wäre zu einer anderen Schlussfolgerung gekommen:
In vielen Fällen sehen die Unternehmen nur die sog. Kostenvorteile und man lässt die Konsumen-tensicht außen vor. Es hört sich zwar alles logisch an, führt aber in den meisten Fällen in die Sackgasse und zu unbefriedigenden Ergebnissen.
Die gekaufte Marke Charmin hätte natürlich im Portfolio bleiben müssen, da sie gut im Markt etabliert war (hatte einen doppelt so hohen Marktanteil wie Tempo heute) und einen festen, zufriedenen Kundenstamm besaß. Bei der Altmarke Zewa hätte ich nichts verändert. Somit hätten SCA auch 2 Marken im Markt gehabt (Zewa + Charmin anstatt Zewa + Tempo).
Der Vorteil dieser Strategie ist eindeutig:
(i) man hätte weniger an Werbeausgaben benötigt, da man nicht aufwendig erklären hätte müssen, warum der Charmin Bär zu Zewa wechselte und man hätte auch nicht 18 Mio. € für die Einführungs-kampagne für die Marke Tempo zahlen müssen.
(ii) man hätte - vorsichtig gerechnet – ca. 30 Mio. mehr Umsatz mit dem Duo Zewa + Charmin erzielt.
7. In eigener Sache:
In vielen Beiträgen auf meiner Homepage und in meinem Buch habe ich aufgezeigt, dass logische Markenarchitekturen in der Regel nur vordergründig logisch sind. Eine diesbezügliche Divergenz - Beratung in diesem Fall hätte um die 10 000€ gekostet und wäre zu einem anderen Ergebnis gekommen. Für die ganz „Ängstlichen“ hätte man für weitere 40 000€ einen methodisch sauberen Test initiieren können, um das Beratungsergebnis zu stützen. Somit hätte man zwar 50 000€ an Ausgaben gehabt dafür aber Millionen € sparen können.
Dass die Markendehnung für Tempo Toilettenpapier in 2010 von der Zeitschrift „Absatzwirtschaft“ auf Platz 3 der erfolgreichsten Markenstretchings gekürt wurde, ist aus meiner Sicht nicht nachvoll-ziehbar und mich würde interessieren, welche Krite-rien in diesem Wettbewerb eigentlich angelegt werden.
Ansonsten heißt es wie immer:
Mögen die besseren Strategen gewinnen.
Heinz Günther
Divergenz Marketing
Strategieberatung
Münchner Str. 7
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Unsere Strategiephilosophie:
Der Strategieansatz Divergenz Marketing basiert auf der Divergenz Philosophie, einem Leadership - Modell, das von Al Ries, einer der Top 10Marketingberater in den USA, entwickelt wurde.
Unsere Beratungsschwerpunkte:
Wir beschäftigen uns mit allen Fragen „Rund um die Marke“. Wir beraten Sie in Ihrem Innovations-prozess, indem wir mit fast 30 Positionierungs – und Innovationstechniken arbeiten, um neue (Sub) Kategorien zu (er) finden. Auch die strategischen Überlegungen unter Divergenzgesichtspunkten bei Neueinführungen, Relaunches, Positionierungs-fragen, Kommunikationskonzepte, Brandingkonzepte, Markenarchitekturen und Brand Extensions gehören zu unseren Beratungsschwerpunkten.
Weitere Informationen finden Sie unter www.divergenz-marketing.com.
Neu: Jetzt auch mit Beratung für das Marken – und Lebensmittelrecht