Zukunftsforscher: Wir wollen unsere Daten freigeben!
Am 23. März 2009 wird der Entwurf des umstrittenen neuen Datenschutzgesetzes erstmals in einer Expertenanhörung im Bundestag diskutiert. Durch eine generelle Opt-In-Regelung soll das Sammeln von Daten nur noch nach ausdrücklicher Einwilligung möglich sein. Als erster deutscher Trendforscher nimmt der Leiter des forward2business-ThinkTanks Sven Gábor Jánszky Stellung zur Zukunftsfähigkeit des aktuellen Gesetzentwurfes.
Zukunftsforscher: Wir wollen unsere Daten freigeben!
Geplantes Datenschutzgesetz verkennt Paradigmenwechsel in der Gesellschaft und ist eine ernsthafte Gefahr für die Wirtschaft
Herr Jánszky, aus Sicht eines Trendforschers: Ist das geplante Datenschutzgesetz zukunftstauglich?
Nein! Der Gesetzentwurf verkennt die wirklichen Probleme der Menschen und ist hochgefährlich für die gesamte Wirtschaft. Es ist wie so oft: Es beginnt mit dem positiven Willen der Politik, die ein reales Problem erkannt hat und es lösen will. Bei der Problemanalyse verlässt sie sich aber auf Interessensverbände, die teils ideologisch, teils wirtschaftlich gesteuerte Interessen vertreten. Was herauskommt ist ein gefährliches Gebräu von falschen Annahmen, die zu Regelungen führen, die nicht im Interesse der Bürger sind und ernste Probleme für unsere gesamte Wirtschaft nach sich ziehen werden.
Welche Annahmen stimmen denn nicht im aktuellen Gesetzentwurf?
Die Annahme, dass Bürger ihre Daten nicht freigeben wollen. Dies ist die Denke der 80er Jahre, in denen viele Bürger den Staat als „Überwacher“ und Gegner sahen und ihm ihre Daten in der Volkszählung nicht geben wollten. Dies ist über 25 Jahre her! Die 68er haben ihre berechtigten Ängste von damals mit in die heutige Zeit gebracht und dabei vergessen, dass sie selbst es waren, die dieses Land verändert haben. Die heutige Bevölkerung lebt in einer komplett anderen Welt. Sie will ihre Daten nicht verheimlichen. Es hat einen Paradigmenwechsel gegeben!
Welcher Paradigmenwechsel? Was will die heutige Bevölkerung?
Wir wollen unsere Daten freigeben! Wir tun es täglich, denn wir leben in einer digitalen Zeit. Wir sind entweder Digital Natives (nach 1984 geborene, die ein Leben ohne Handy und Internet nicht mehr kennen) oder Digital Emigrants (vor 1984 geborene, die sich die Nutzung von Handy und Internet angeeignet haben). Wir sind ständig vernetzt. Dadurch ist jede Information, jede Musik, jeder Film, jede Werbung permanent verfügbar. Wir haben uns eine Anarchie der Angebote geschaffen, einen Informations-Overflow, der uns permanent umgibt. Wir haben gelernt, dass wir diese Informationen nur dann sinnvoll für unser Leben filtern können, wenn wir unsere Daten und Bedürfnisse preisgeben und durch intelligente Systeme auswerten lassen. Diesen Lebensstil leben wir jeden Tag, wenn wir Google benutzen, wenn wir payback-Karten benutzen, wenn wir uns in Internetcommunities bewegen und wenn wir uns freuen, dass wir, statt mit sinnloser Streuwerbung überschüttet zu werden speziell auf unsere Vorlieben und Bedürfnisse ausgewählte Werbung bekommen?
Ist dieser Lifestyle den Sie beschreiben nicht ein Jugendphänomen? Dieser Gesetzentwurf ist ja kein Jugendschutzgesetz, es geht um die Daten aller Bürger!
Dies ist ein immer noch weit verbreiter Irrglaube. Schauen Sie bitte in Ihren eigenen Alltag. Wir haben in Deutschland eine Handydurchdringung von mehr als 120% der Bevölkerung und eine Internetdurchdringung von über 2/3 der Bevölkerung. Die größten Wachstumsraten sehen wir in den letzten Jahren konstant bei den über 70-jährigen! Von wegen Jugendphänomen: Das Internet geht in Pension!
Heißt das, dass wir keinen Datenschutz mehr brauchen?
Im Gegenteil! Der Datenschutz wird eines der zentralen Elemente für die künftige Entwicklung der Wirtschaft sein. Die Unternehmen wissen das selbst sehr genau. Die Werbung ist das Schmiermittel des gesamten Wirtschaftskreislaufes. Ohne Werbung kann unsere Marktwirtschaft nicht funktionieren. Deshalb sind Unternehmen darauf angewiesen, dass sie ihre Werbung an die richtige Frau und an den richtigen Mann bringen. Kein Unternehmen will ernsthaft seine Kunden nerven mit Massen-Streuwerbung, die 90% der Empfänger abschreckt und nur für 10% nützlich ist. Um aber diese 10% herauszufiltern, müssen Unternehmen die Kundendaten auswerten. Und dafür benötigen sie das Vertrauen der Kunden. Die Kunden haben dafür übrigens großes Verständnis, denn es macht das Leben deutlich angenehmer, wenn man nur passende Werbung erhält.
Wie sieht denn dann der Datenschutz der Zukunft aus?
Im forward2business-ThinkTank haben wir gemeinsam mit 300 Innovations-Chefs deutscher Unternehmen immer wieder über dieses Thema diskutiert. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Datenschutz der Zukunft heißt, dass der Bürger mit einem Klick die über ihn gespeicherten Daten ansehen, verändern und löschen kann. Es muss ein System geben, dass dies sicherstellt. Es gibt große Unternehmen, die aktuell genau daran arbeiten.
Und was bedeutet das für den aktuellen Gesetzentwurf?
Die Opt-In Regelung muss weg. Sie ist ein Relikt der alten Zeit und das vielleicht letzte Gefecht des überkommenen Datenschutzes. Die Politik muss verstehen, dass sie nicht die Freigabe der Daten verhindern muss, sondern dem Bürger eine Möglichkeit schaffen muss, die Souveränität über seine Daten zu behalten. Deshalb halte ich eine Regelung für angemessen, die Unternehmen die Nutzung von Daten nur gestattet, wenn gleichzeitig jedem Kunden eine Einsichts- und Kontrollmöglichkeit über seine Daten gegeben wird. Dies ist die einzige Art, auf die ein Vertrauensverhältnis zwischen Wirtschaft und Bürgern entstehen wird, das das Ziel eines wirklichen Datenschutzes der Zukunft sein sollte.
Sven Gábor Jánszky (36) ist Trendforscher und Leiter des forward2business-ThinkTanks. Unter seiner Leitung entwerfen seit 8 Jahren 300 CEOs, VPs Innovation, Markenstrategen und Trendforscher ein Szenario für das Leben 2020, darunter Innovations-Chefs von Nokia, Siemens, SAP, IBM, Henkel, Volkswagen, Audi, Intel, Microsoft, Deutsche Bank, Deutsche Post, Deutsche Bahn, Shell, ARD, ZDF, RTL, Burda, Bauer, MTV, Vodafone, New Yorker, adidas, OTTO etc. Als Berater coacht Jánszky Manager und Unternehmen in Prozessen des Trend- und Innovationsmanagements, führt und moderiert Kreativprozesse zu Produktentwicklung und Geschäftsmodellen der Zukunft. Er ist Autor zahlreicher Artikel zu Lebenswelten und Geschäftsmodellen der Zukunft und gefragter Redner auf Kongressen.
Zukunftsforscher: Wir wollen unsere Daten freigeben!
Geplantes Datenschutzgesetz verkennt Paradigmenwechsel in der Gesellschaft und ist eine ernsthafte Gefahr für die Wirtschaft
Herr Jánszky, aus Sicht eines Trendforschers: Ist das geplante Datenschutzgesetz zukunftstauglich?
Nein! Der Gesetzentwurf verkennt die wirklichen Probleme der Menschen und ist hochgefährlich für die gesamte Wirtschaft. Es ist wie so oft: Es beginnt mit dem positiven Willen der Politik, die ein reales Problem erkannt hat und es lösen will. Bei der Problemanalyse verlässt sie sich aber auf Interessensverbände, die teils ideologisch, teils wirtschaftlich gesteuerte Interessen vertreten. Was herauskommt ist ein gefährliches Gebräu von falschen Annahmen, die zu Regelungen führen, die nicht im Interesse der Bürger sind und ernste Probleme für unsere gesamte Wirtschaft nach sich ziehen werden.
Welche Annahmen stimmen denn nicht im aktuellen Gesetzentwurf?
Die Annahme, dass Bürger ihre Daten nicht freigeben wollen. Dies ist die Denke der 80er Jahre, in denen viele Bürger den Staat als „Überwacher“ und Gegner sahen und ihm ihre Daten in der Volkszählung nicht geben wollten. Dies ist über 25 Jahre her! Die 68er haben ihre berechtigten Ängste von damals mit in die heutige Zeit gebracht und dabei vergessen, dass sie selbst es waren, die dieses Land verändert haben. Die heutige Bevölkerung lebt in einer komplett anderen Welt. Sie will ihre Daten nicht verheimlichen. Es hat einen Paradigmenwechsel gegeben!
Welcher Paradigmenwechsel? Was will die heutige Bevölkerung?
Wir wollen unsere Daten freigeben! Wir tun es täglich, denn wir leben in einer digitalen Zeit. Wir sind entweder Digital Natives (nach 1984 geborene, die ein Leben ohne Handy und Internet nicht mehr kennen) oder Digital Emigrants (vor 1984 geborene, die sich die Nutzung von Handy und Internet angeeignet haben). Wir sind ständig vernetzt. Dadurch ist jede Information, jede Musik, jeder Film, jede Werbung permanent verfügbar. Wir haben uns eine Anarchie der Angebote geschaffen, einen Informations-Overflow, der uns permanent umgibt. Wir haben gelernt, dass wir diese Informationen nur dann sinnvoll für unser Leben filtern können, wenn wir unsere Daten und Bedürfnisse preisgeben und durch intelligente Systeme auswerten lassen. Diesen Lebensstil leben wir jeden Tag, wenn wir Google benutzen, wenn wir payback-Karten benutzen, wenn wir uns in Internetcommunities bewegen und wenn wir uns freuen, dass wir, statt mit sinnloser Streuwerbung überschüttet zu werden speziell auf unsere Vorlieben und Bedürfnisse ausgewählte Werbung bekommen?
Ist dieser Lifestyle den Sie beschreiben nicht ein Jugendphänomen? Dieser Gesetzentwurf ist ja kein Jugendschutzgesetz, es geht um die Daten aller Bürger!
Dies ist ein immer noch weit verbreiter Irrglaube. Schauen Sie bitte in Ihren eigenen Alltag. Wir haben in Deutschland eine Handydurchdringung von mehr als 120% der Bevölkerung und eine Internetdurchdringung von über 2/3 der Bevölkerung. Die größten Wachstumsraten sehen wir in den letzten Jahren konstant bei den über 70-jährigen! Von wegen Jugendphänomen: Das Internet geht in Pension!
Heißt das, dass wir keinen Datenschutz mehr brauchen?
Im Gegenteil! Der Datenschutz wird eines der zentralen Elemente für die künftige Entwicklung der Wirtschaft sein. Die Unternehmen wissen das selbst sehr genau. Die Werbung ist das Schmiermittel des gesamten Wirtschaftskreislaufes. Ohne Werbung kann unsere Marktwirtschaft nicht funktionieren. Deshalb sind Unternehmen darauf angewiesen, dass sie ihre Werbung an die richtige Frau und an den richtigen Mann bringen. Kein Unternehmen will ernsthaft seine Kunden nerven mit Massen-Streuwerbung, die 90% der Empfänger abschreckt und nur für 10% nützlich ist. Um aber diese 10% herauszufiltern, müssen Unternehmen die Kundendaten auswerten. Und dafür benötigen sie das Vertrauen der Kunden. Die Kunden haben dafür übrigens großes Verständnis, denn es macht das Leben deutlich angenehmer, wenn man nur passende Werbung erhält.
Wie sieht denn dann der Datenschutz der Zukunft aus?
Im forward2business-ThinkTank haben wir gemeinsam mit 300 Innovations-Chefs deutscher Unternehmen immer wieder über dieses Thema diskutiert. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Datenschutz der Zukunft heißt, dass der Bürger mit einem Klick die über ihn gespeicherten Daten ansehen, verändern und löschen kann. Es muss ein System geben, dass dies sicherstellt. Es gibt große Unternehmen, die aktuell genau daran arbeiten.
Und was bedeutet das für den aktuellen Gesetzentwurf?
Die Opt-In Regelung muss weg. Sie ist ein Relikt der alten Zeit und das vielleicht letzte Gefecht des überkommenen Datenschutzes. Die Politik muss verstehen, dass sie nicht die Freigabe der Daten verhindern muss, sondern dem Bürger eine Möglichkeit schaffen muss, die Souveränität über seine Daten zu behalten. Deshalb halte ich eine Regelung für angemessen, die Unternehmen die Nutzung von Daten nur gestattet, wenn gleichzeitig jedem Kunden eine Einsichts- und Kontrollmöglichkeit über seine Daten gegeben wird. Dies ist die einzige Art, auf die ein Vertrauensverhältnis zwischen Wirtschaft und Bürgern entstehen wird, das das Ziel eines wirklichen Datenschutzes der Zukunft sein sollte.
Sven Gábor Jánszky (36) ist Trendforscher und Leiter des forward2business-ThinkTanks. Unter seiner Leitung entwerfen seit 8 Jahren 300 CEOs, VPs Innovation, Markenstrategen und Trendforscher ein Szenario für das Leben 2020, darunter Innovations-Chefs von Nokia, Siemens, SAP, IBM, Henkel, Volkswagen, Audi, Intel, Microsoft, Deutsche Bank, Deutsche Post, Deutsche Bahn, Shell, ARD, ZDF, RTL, Burda, Bauer, MTV, Vodafone, New Yorker, adidas, OTTO etc. Als Berater coacht Jánszky Manager und Unternehmen in Prozessen des Trend- und Innovationsmanagements, führt und moderiert Kreativprozesse zu Produktentwicklung und Geschäftsmodellen der Zukunft. Er ist Autor zahlreicher Artikel zu Lebenswelten und Geschäftsmodellen der Zukunft und gefragter Redner auf Kongressen.