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Entscheidungsfaktor Online-Reputation

Der gute Ruf im Internet beeinflusst Kauf- und Investitionsentscheide. Konsumenten machen es vor, ziehen Unternehmen nach?
Karsten Füllhaas | 09.06.2009
Für eine wachsende Anzahl Menschen ist es heute alltäglich, sich online mit anderen zu vernetzen und nicht nur ihre privaten Erlebnisse, sondern auch Erfahrungen mit Produkten und Marken via Social Media der ganzen Welt kundzutun: Diese so genannten nutzergenerierten Inhalte - oder User Generated Content - entstehen in der Form von Blogbeiträgen, einer Review in einem Online-Shop oder auf Plattform für Produktbewertungen.

Internetrecherche und Kaufentscheidungen
Bei Produktrecherchen stellen 58 Prozent der privaten Internetnutzer Preisvergleiche an, über die Hälfte nutzt die Seiten der Hersteller und konsultiert Testberichte. Rund 48 Prozent berücksichtigen dabei auch Inhalte aus Social Media. Dies sind Fakten aus der Studie Mediascope Europe 2008 der EIAA. Wer als Kunde die Reputation eines Produktes oder Unternehmens recherchiert, vertraut auf die Einschätzungen von Dritten. Neben Social Media-Inhalten gehören dazu Veröffentlichungen vom Konsumentenschutz, Prüf- und Gütesiegel, Berichte von NGO’s sowie die Medienberichterstattung.
Aus der Summe aller Informationen, die im Internet über ein Unternehmen, ein Produkte oder eine Marke vorhanden sind, entsteht die so genannte Online-Reputation.

Reale Welt prägt Online-Reputation
Die Online-Reputation ist aber keinesfalls ein Konzept, das nur für virtuelle Welten gilt. Online-Reputation ist Teil der gesamten Reputation eines Unternehmens und hat vielfach ihren Ursprung im Verhalten im normalen Geschäftsalltag. Die Entstehung von Online-Reputation kann in zwei Teile aufgeteilt werden: Sie entsteht, wenn Stakeholder im Web über ihre Erfahrungen aus der realen Welt berichten und aus dem Verhalten des Unternehmens im Internet.
Reputation beeinflusst nicht nur Kaufentscheidungen von Konsumenten. Unternehmenserfolg, Kundenbindung, Attraktivität als Arbeitgeber, Kreditwürdigkeit oder Marktchancen hängen nicht zuletzt vom guten Ruf ab.
Die Rolle der Online-Wahrnehmung bei Kaufentscheidungen von Konsumgütern ist in zahlreichen Studien erforscht. Aber wie steht es um die Rolle der Online-Reputation bei Investitionsgütern oder bei B2B-Beziehungen zwischen Unternehmen?

Internet verschafft ersten Eindruck
„Auch Unternehmer googeln ihre potentiellen Geschäftspartner. Online-Reputation kann den Unterschied ausmachen zwischen dem Abschluss einer lukrativen Partnerschaft oder sie an einen Mitbewerber zu verlieren“, sagt Andy Beal, amerikanischer Online-Marketing Berater und Buchautor.
Anders sieht man dies bei der Basler Kantonalbank. „Die Basler Kantonalbank geht vornehmlich B2B-Geschäftsbeziehungen mit Firmen ein, welche wir gut kennen. Eine weitergehende Internet-Recherche ist deshalb kaum von Relevanz“, sagt Michael Buess, Mitglied der Direktion und Leiter der Medienstelle.
„Für das B2B-Geschäft ist das Internet sicher eine wichtige Informationsquelle, um einen ersten Eindruck zu bekommen,“ meint hingegen Georg Blunschi, General Manager Professional Solutions bei der Sony Overseas SA in Ehrendingen. Das Internet als Quelle für einen ersten Eindruck ist eine typische Antwort. Die weitergehende Informationsbeschaffung findet dann häufig auf dem klassischen Weg statt, via Geschäftskontakte, Projektofferten und persönliche Treffen.
Im Gegensatz zum Konsumgütergeschäft findet man bei einer Internet-Recherche vor allem Medienberichte über Bilanzen, Interviews mit dem CEO oder kritische Umweltberichte von NGO’s sowie Online-Stellenanzeigen. Dazu kommen die eigenen Inhalte eines Unternehmens wie Webseite und Medienmitteilungen. Anstatt Produktbewertungen von Konsumenten findet man Kommentare von Finanzanalysten, Berichte von Ratingagenturen und so genannte Success Stories, in denen umgesetzte Projekte beschrieben werden.

Die Qual der Wahl
Die Firma Lantal Textiles aus Langenthal stellt Textilien für den internationalen Reiseverkehr her. Für die Entwicklung und Produktion von pneumatischen Sitzkissen für Flugzeugsitze suchte man Partner in der Schweiz. Als ISO 9001:2000 zertifiziertes Unternehmen wendete Lantal die dortigen Richtlinien zur Qualifizierung von Lieferanten an, erklärt Karin Freyenmuth. Berichte im Internet spielten bei der Partnersuche keine Rolle, führt sie weiter aus.
Für Georg Fischer Piping Systems, Hersteller von Rohrleitungssystemen, gelten folgende Kriterien, wenn beispielsweise ein Outsourcing-Dienstleister gesucht wird: Qualität, Referenzen, Preis, Verfügbarkeit, Erreichbarkeit, Online-Auftritt und Online-Reputation. Die Reihenfolge sei jedoch nicht wertend gemeint, sagt Ralph Schreiber, Public & Media Relations Manager. Das Internet sei für Georg Fischer Piping Systems ein wichtiger Kanal für die Suche nach potentiellen Anbietern. Bei der Basler Kantonalbank legt man auch Wert auf die generelle Reputation eines Unternehmens und wie es seine Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt wahrnimmt.
Bei einer Internetrecherche stellt sich schnell die Frage, wie man die Resultate bewerten soll. Michael Buess von der BKB meint: „Es ist sehr schwer abschätzbar, ob einzelne positive oder negative Berichte repräsentativ für die gesamte Unternehmensleistung sind.“ Für Ralph Schreiber von Georg Fischer Piping Systems ist es wichtig, Berichte differenziert zu betrachten: „Überwiegend negative Berichte zeigen, dass der Anbieter ein grundsätzliches Problem hat, sei es mit seinem Produkt selbst oder mit der Kundenbetreuung. Bei wenigen negativen Berichten unter mehrheitlich positiven kann aber davon ausgegangen werden, dass Kunden differenzieren können. Positive Berichte sind aber auch zu hinterfragen.“
Nicht immer geht es nur um die Vergabe von Aufträgen. Ein Unternehmen kommuniziert auch mit anderen Dialoggruppen wie Mitarbeiter, Standort-Bevölkerung, politische Behörden, Umweltverbände, Gewerkschaften und Investoren. Auch ihnen gegenüber ist ein Unternehmen auf eine gute Reputation angewiesen. Dahinter steht das Ziel, mit glaubwürdiger Kommunikation unternehmerisches Handeln zu legitimieren.
Die Mediennutzung verlagert sich ins Internet, primär zu Lasten der Printmedien. In Deutschland konnten die Online-Ableger der grossen Medienhäuser im vergangen Jahr rund 30 Prozent mehr Besucher verzeichnen. Also werden Unternehmen generell stärker via das Medium Internet wahrgenommen.

Mitarbeiter machen Online-Reputation
Eine Online-Reputation erhalten Unternehmen durch die Online-Präsenz ihrer Geschäftsleitungen und Angestellten. Auch die grössten Projekte im Investitionsgüterbereich werden von Menschen abgewickelt und diese hinterlassen ihre Spuren im Netz. Expertenportale oder die Teilnahme in Business-Netzwerke wie XING und LinkedIn liefern Inhalte für Online-Reputation.
Die Fähigkeit, neue und qualifizierte Mitarbeiter anzuziehen, ist ebenfalls ein Aspekt der Reputation eines Unternehmens. Im Internet haben sich spezialisierte Angebote etabliert, wo man Unternehmen in ihren Qualitäten als Arbeitgeber bewerten kann.

Das Web vergisst nie
Das Internet ist ein gigantischer Datenspeicher und mit Suchmaschinen kommen alte und vergessen geglaubte Inhalte wieder ans Tageslicht, meist im ungünstigsten Moment. Darum sagt man im Zusammenhang mit Online-Reputation immer: „Web vergisst nie.“
Für Berichte von Online-Medien und auch für Blogs und Communities gilt: Kritik ist nicht verboten, Herabsetzung und unnötige Verletzung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb hingegen schon. Für Arbeitnehmer gilt zudem die Treuepflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber. Sieht sich ein Unternehmen mit Falschmeldungen oder gar gezielten Online-Attacken konfrontiert, muss die Reaktion darauf sehr gut überlegt sein. Unverhältnismässiges Vorgehen führt häufig zu noch mehr negativer Berichterstattung.

Online Reputation Management
Unter Online Reputation Management versteht man das systematische Monitoring der Berichte im Internet, Reaktionen zur Verteidigung bei ungerechtfertigen Angriffen, Massnahmen für aktiven Aufbau und Pflege sowie eine Strategie, wie die aus dem Monitoring gewonnen Erkenntnisse in Verbesserung von Produkten, Service oder Kommunikation fliessen.
Reputation kann nicht von oben implementiert werden, sondern muss durch langfristige Massnahmen aufgebaut werden. Für Aufbau und Pflege einer Online-Reputation steht für viele Unternehmen die Corporate Webseite an erster Stelle. Direkter Kontakt via soziale Netzwerke und eine authentische und dialogorientierte Kommunikation werden von einer zunehmenden Zahl Kunden und anderen Interessenten geschätzt. Und weil Online-Reputation auch ein Abbild des Auftretens in der realen Welt ist, gilt es beispielsweise dem Kundenservice, dem Verhalten gegenüber Mitarbeitenden oder der sozialen Verantwortung Beachtung zu schenken.

Fazit
Unternehmen geben meistens nur zurückhaltend Auskünfte, wenn es um Fragen rund um Einkauf und Bewertungskriterien geht. Ohne breit angelegte Studien, wie sie es für den B2C-Bereich bereits gibt, ist es kaum möglich allgemeingültige Schlussfolgerungen zu ziehen.
Reputation ist aber auf jeden Fall ein Entscheidungsfaktor. Auf keinen Fall sollten Unternehmen die Online-Kommunikation vernachlässigen. Laut European Communications Monitor werden Online-Kommunikationskanäle wie Online Media Relations und Social Media in den nächsten Jahren weiter stark an Bedeutung zulegen.
Karsten Füllhaas
Über den Autor: Karsten Füllhaas