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WhatsApp: Eltern haften für ihre Kinder

Fast jeder Teenager nutzt heutzutage WhatsApp. Die Baustellenschilder sind wohl jedem bekannt: „Eltern haften für ihre Kinder“. Auch, wenn das streng
Timo Schutt | 29.06.2017
Fast jeder Teenager nutzt heutzutage WhatsApp. Die Baustellenschilder sind wohl jedem bekannt: „Eltern haften für ihre Kinder“. Auch, wenn das streng juristisch betrachtet so nicht stimmt, wenn es nach dem Amtsgericht Bad Hersfeld geht, müsste man dieses Schild künftig auch an alle Smartphones und Tablets heften.

Was war passiert? Ein Minderjähriger hat ein Smartphone. Heutzutage (leider?!) alles andere als eine Seltenheit. Doch frecher Weise lädt er sich auch noch WhatsApp herunter und beginnt, es zu nutzen. WhatsApp wiederum liest das Adressbuch des Smartphones aus und verarbeitet diese personenbezogenen Daten. Die im Adressbuch gespeicherten Personen haben natürlich in diese Datenverarbeitung nicht eingewilligt, was dazu führt, dass der Nutzer von WhatsApp, der diese Datenverarbeitung ermöglicht, sich den Personen gegenüber haftbar machen könnte.

Diesen Sachverhalt nahm das Gericht zum Anlass, den Eltern eine allgemeine Aufklärungs- und Aufsichtspflicht ihrer Kinder für smarte Geräte aufzuerlegen.

Die Entscheidung des Gerichts beinhaltet zusammengefasst folgende Punkte:

1. Überlassen Eltern ihrem minderjährigen Kind ein digitales 'smartes' Gerät (z. B. Smartphone) zur dauernden eigenen Nutzung, so stehen sie in der Pflicht, die Nutzung dieses Geräts durch das Kind bis zu dessen Volljährigkeit ordentlich zu begleiten und zu beaufsichtigen.

2. Verfügen die Eltern selbst bislang nicht über hinreichende Kenntnisse von 'smarter' Technik und über die Welt der digitalen Medien, so haben sie sich die erforderlichen Kenntnisse unmittelbar und kontinuierlich anzueignen, um ihre Pflicht zur Begleitung und Aufsicht durchgehend ordentlich erfüllen zu können.

3. Wer den Messenger-Dienst "WhatsApp" nutzt, übermittelt nach den technischen Vorgaben des Dienstes fortlaufend Daten in Klardaten-Form von allen in dem eigenen Smartphone-Adressbuch eingetragenen Kontaktpersonen an das hinter dem Dienst stehende Unternehmen.

Wer durch seine Nutzung von "WhatsApp" diese andauernde Datenweitergabe zulässt, ohne zuvor von seinen Kontaktpersonen aus dem eigenen Telefon-Adressbuch hierfür jeweils eine Erlaubnis eingeholt zu haben, begeht gegenüber diesen Personen eine deliktische Handlung und begibt sich in die Gefahr, von den betroffenen Personen kostenpflichtig abgemahnt zu werden.

4. Nutzen Kinder oder Jugendliche unter 18 Jahren den Messenger-Dienst "WhatsApp", trifft die Eltern als Sorgeberechtigte die Pflicht, ihr Kind auch im Hinblick auf diese Gefahr bei der Nutzung des Messenger-Dienstes aufzuklären und die erforderlichen Schutzmaßnahmen im Sinne ihres Kindes zu treffen.

(AG Bad Hersfeld , Urteil vom 20.03.2017- F.111/17 EASO)

Fazit

Nimmt man das Urteil ernst, was man bis auf weiteres tun sollte, dann muss man zweierlei beachten:

1. Eltern müssen die Nutzung von Smartphones und Tablets durch ihre Kinder überwachen und sie zu Beginn der Nutzung aufklären über Gefahren und Risiken. Das wiederum ist aus Beweisgründen zu dokumentieren, so absurd einem das vorkommen mag.

2. Die Nutzung von WhatsApp bedarf formaljuristisch der vorherigen Einwilligung aller im Adressbuch gespeicherten Kontakte zur Übermittlung ihrer personenbezogenen Daten an den App-Anbieter.

Das Haftungsthema bei der Nutzung smarter Geräte und Apps wird definitiv allgemein unterschätzt bzw. nicht wahrgenommen. Aber in der Rechtsprechung kommen diese Themen nach und nach an und sie werden dazu führen, dass die Gerichte sich mit der Frage der Verteilung von Verantwortungs- und Risikosphären beschäftigen müssen. Und neben dem Nutzer selbst, der üblicherweise als Haftungssubjekt in Frage kommt, spielen dann auch Aufsichtspflichten und dergleichen eine entscheidende Rolle.

Die Entwicklung der Rechtsprechung steht erst an ihrem Anfang. Es bleibt abzuwarten, wie praktikabel und realitätsnah diese Urteile sein werden und ob sie es schaffen, in annehmbarer Art und Weise die Lebenswirklichkeit abzubilden.

Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht