print logo

Musik: Öffentlich oder nichtöffentlich?

Timo Schutt | 01.06.2016
Grundsätzlich ist eine entsprechende Lizenz bei der GEMA zu erwerben, wenn man Musik öffentlich verwerten will. Zwischen „öffentlicher“ und „privater“ Verwertung gibt es jedoch vielfach Abgrenzungsprobleme. Diese Unsicherheit hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) noch erheblich verkompliziert:

Die Musik im Wartezimmer einer Zahnarztpraxis soll demnach nicht öffentlich wiedergegeben sein, während dies in einem Hotel öffentlich sein soll. Der EuGH begründete dies damit, dass die Öffentlichkeit aus einer „unbestimmten Zahl potenzieller Leistungsempfänger“ bestehen und die öffentliche Wiedergabe „Erwerbszwecken“ dienen müsse. Der Musikverwerter müsse sich insgesamt gezielt an das Publikum wenden, für das die Wiedergabe vorgenommen wird, so der EuGH. Das Publikum wiederum müsse für diese Wiedergabe aufnahmebereit sein und nicht bloß zufällig „erreicht“ werden.

Da seine Patienten üblicherweise keine „unbestimmte Gesamtheit potenzieller Leistungsempfänger“ darstellen würden, sondern ihre Zusammensetzung weitgehend stabil und zahlenmäßig begrenzt sei, sei ein Zahnarzt aber schon kein „Nutzer“. Zudem habe die Musik-Wiedergabe in der Arztpraxis keinen Erwerbscharakter, denn die Patienten würden die Praxis ausschließlich zu Behandlungszwecken aufsuchen; Wiedergabe von Musik gehöre nicht zur Zahnbehandlung, so der EuGH.

Nun hat der EuGH über die Frage der Öffentlichkeit bei einem Reha-Zentrum entschieden: Er hat das Reha-Zentrum mit dem Hotel verglichen und festgestellt, dass das Reha-Zentrum ähnlich dem Hotel sei und damit auch die Musiknutzung im Reha-Zentrum eine öffentliche Wiedergabe sei. Zudem sei die Gesamtheit der Patienten des Rehabilitationszentrums als Öffentlichkeit anzusehen. Auch stellten diese Patienten ein „neues Publikum“ dar, so der EuGH.

Viel schlauer ist man nun auch nicht. Wie ist es bei einem kleinen Reha-Zentrum? Ähnelt das dann wieder einer Arztpraxis und die Musiknutzung wäre nicht öffentlich?

Manchmal weiß man auch nicht so recht, ob der EuGH seine Entscheidungen mit aller Konsequenz durchdenkt. Anders ist kaum noch zu erklären, warum der EuGH die Frage der Öffentlichkeit und Privatheit an derartigen Spitzfindigkeiten festmacht, die letztlich dann immer nur durch ein Gericht im Einzelfall geklärt werden können.

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Herausgeber & Autor des Themenportals www.eventfaq.de